FUSION STATT ÜBERNAHME Wiedeking scheitert mit Angriff auf Volkswagen Von Anselm Waldermann
Es sollte die Übernahme des Jahrzehnts werden: Porsche wollte den 15 Mal größeren VW-Konzern schlucken. Doch jetzt muss Vorstandschef Wiedeking seinen Plan aufgeben - wegen Finanzierungsproblemen reicht es nur noch zur Fusion der beiden Unternehmen. Die Zukunft des Spitzenmanagers ist offen.
Hamburg - Es war ein Kampf David gegen Goliath. Doch diesmal hat David verloren: Die geplante Übernahme von Volkswagen durch Porsche ist gescheitert. Die Hauptaktionäre des Sportwagenbauers, die Familien Porsche und Piëch, haben sich am Mittwochabend darauf verständigt, die Übernahme nicht mehr weiter zu betreiben. Stattdessen streben sie nun eine Fusion der beiden Unternehmen an. Für Porsche-Chef Wendelin Wiedeking ist das eine herbe Niederlage.
DPA Porsche-Chef Wendelin Wiedeking: Zukunft im Unternehmen unsicher Der Manager hatte einen fast unglaublichen Plan. Er wollte mit Porsche den 15 Mal größeren VW-Konzern schlucken - und fast hätte er sein Ziel erreicht. Doch nun sollen beide Unternehmen nach dem Willen der Porsche-Eigentümerfamilien gleichberechtigt zusammengehen. Porsche wird im neuen Gesamtkonzern nur noch eine von zehn Marken sein, neben Namen wie Seat oder Skoda.
Mehr als zwei Jahre zog sich der Übernahmekampf hin. Nun soll alles ganz schnell gehen: Innerhalb von vier Wochen soll das Konzept für die Fusion stehen. So haben es die Familien Piëch und Porsche entschieden.
Dabei sah das Drehbuch ursprünglich ganz anders aus: Porsche, der Angreifer, auf der einen Seite. Volkswagen, das vermeintliche Opfer, auf der anderen. Durch nichts wollten sich die Schwaben aufhalten lassen. Nicht durch den VW-Großaktionär Niedersachsen, dessen Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sich im Dauerclinch mit Porsche befindet. Und nicht durch den mächtigen VW-Betriebsrat, der massiv gegen die bevorstehende Porsche-Regentschaft opponiert hatte.
Die Zuffenhausener schienen unendlich stark: Porsche, oft als Mittelständler verspottet, stand kurz davor, den Dax-Giganten Volkswagen zu beherrschen. Möglich werden sollte der Kauf durch ein ausgeklügeltes Finanzierungsmodell, das Porsche-Chef Wiedeking und sein Finanzvorstand Holger Härter entwickelt hatten. Mit Optionsgeschäften sicherten sie sich die knappe Mehrheit an Volkswagen.
Porsches Plan war kühn - doch die Rechnung ging nicht auf
Der Aktienkurs der Wolfsburger schoss im vergangenen Jahr - angeregt durch die Übernahmephantasie - in die Höhe. Zeitweise war VW das wertvollste Unternehmen der Welt. Allein dadurch konnte Porsche enorme Gewinne einfahren - während Hedgefonds und andere Spekulanten, die auf fallende Kurse gewettet hatten, Millionen, wenn nicht gar Milliarden verloren.
Doch am Ende ging die Rechnung nicht auf. Etwas mehr als 50 Prozent der VW-Anteile konnte Porsche erwerben. Das ursprüngliche Ziel - 75 Prozent - erreichte Wiedeking dagegen nicht.
Hat sich Wiedeking übernommen? Ist Porsche gar mit Schaeffler zu vergleichen, dem Autozulieferer, der ebenfalls einen größeren Konkurrenten - Continental - schlucken wollte und nun Staatshilfe braucht? Oder hat Wiedeking einfach nur Pech gehabt? Sind es widrige Umstände, die Porsche ausgebremst haben?
Fest steht: Porsche musste gigantische Kredite aufnehmen, um seine VW-Aktien kaufen zu können. Anfangs stellten die Banken bereitwillig Geld zur Verfügung. Doch dann kam die Finanzkrise. Für den Sportwagenbauer wurde es immer schwieriger, die Kreditlinien zu verlängern - und die Zinsen wurden immer höher. Aktuell steht das Unternehmen mit neun Milliarden Euro in der Kreide. Nach SPIEGEL-Informationen müssen die Zuffenhausener binnen weniger Monate neue Finanzierungsmöglichkeiten finden.
Das Porsche-Management hat deshalb eine spektakuläre Kehrtwende vollzogen. Wiedeking selbst sei nun - ebenso wie die Eigentümerfamilien - für eine Fusion mit Volkswagen, heißt es. Keine Rede mehr von einer Übernahme.
Der Unternehmenssitz steht noch nicht fest
Wer im neuen Konzern das Sagen haben wird, ist noch offen. So steht nicht fest, ob das Unternehmen seinen Sitz in Stuttgart oder in Wolfsburg haben wird. Doch eines ist klar: Porsche als Koch und Volkswagen als Kellner - das wird es nicht geben.
Volkswagen begrüßte denn auch die Entscheidung der Porsche-Eigentümerfamilien. In der Arbeitsgruppe, die nun das Konzept der Fusion erstellen soll, übernehmen die Wolfsburger einen wichtigen Part. Auch das Land Niedersachsen soll eingebunden werden, ebenso wie die Arbeitnehmervertreter. So hatte sich das Wiedeking ursprünglich nicht vorgestellt.
Und noch eine Niederlage muss der einst gefeierte Spitzenmanager einstecken: Dem Vernehmen nach braucht der neue Gesamtkonzern eine Kapitalerhöhung. Mit dem frischen Geld sollen die milliardenschweren Porsche-Schulden getilgt werden.
MEHR ÜBER... Porsche Volkswagen Wendelin Wiedeking Ferdinand Piëch Martin Winterkorn Fusion (Wirtschaft) Seat Skoda Christian Wulff VW- Gesetz zu SPIEGEL WISSEN Die nötigen Summen könnten vor allem aus zwei Quellen kommen: Zum einen von den Familien Porsche und Piëch - sie müssen wohl ihre privaten Ersparnisse einbringen. Zum anderen muss vermutlich ein externer Investor her, zumindest mittelfristig. Immer wieder war gemunkelt worden, ein arabischer Staatsfonds könnte bei Porsche einsteigen. Zuletzt brachte sich das Emirat Katar als Retter ins Spiel. Für die Scheichs hat Porsche einen äußerst wohlklingenden Namen: Die Luxusmarke weckt im arabischen Raum weitaus größeres Interesse als beispielsweise Opel.
Doch wer auch immer Porsche/Volkswagen beispringen wird - eines steht fest: Jeder neue Investor wird die Anteile der Altaktionäre verwässern. Wenn das Gleichgewicht erhalten bleiben soll, müssen nicht nur die Familien Porsche und Piëch Geld zuschießen. Auch Niedersachsen wäre in der Pflicht. Andernfalls würde der Aktienanteil des Landes unter die bisherigen 20 Prozent sinken. Die vom - ohnehin umstrittenen - VW-Gesetz garantierte Sperrminorität ließe sich dann kaum noch rechtfertigen. Ein Szenario, das sich Ministerpräsident Wulf kaum wünschen kann.
Der große Verlierer heißt jedoch Wiedeking. Die VW-Übernahme war seine Idee, das Scheitern ist jetzt untrennbar mit seinem Namen verbunden.
Wiedeking war 1992 an die Porsche-Spitze gerückt. Mit einem drastischen Sparkurs brachte er den damals schwer angeschlagenen Autohersteller auf Vordermann. Sein persönliches Jahreseinkommen wurde zuletzt auf bis zu 60 Millionen Euro geschätzt - Rekord unter deutschen Managern.
Piëch - die entscheidende Macht
Doch im Kampf um Volkswagen machte Wiedeking nicht immer eine gute Figur. Die Wolfsburger stießen sich an seiner auftrumpfenden Art. Dass ein vergleichsweise kleines Unternehmen Europas größten Autokonzern übernehmen wollte, empfanden viele als anmaßend. Für die VW-Mitarbeiter wurde Wiedeking zur Hassfigur, als er seine Pläne zur Entmachtung des Betriebsrats vorlegte.
Deutlich besser kommt Ferdinand Piëch mit den Arbeitnehmervertretern zurecht. Der 72-Jährige gilt als der Strippenzieher im Hintergrund. Ist Wiedeking der Verlierer, so ist Piëch der Gewinner der nun angestrebten Lösung. Er war früher selbst VW-Vorstandschef, außerdem ist er Porsche-Miteigentümer. Piëch kennt beide Unternehmen bestens. Die geplante Fusion dürfte er eingefädelt haben, seit Jahren träumt er davon, aus Volkswagen ein riesiges Autoimperium zu machen. Im neuen Gesamtkonzern wird er vermutlich die entscheidende Macht darstellen.
Wie es dagegen mit Wiedeking weiter geht, ist noch nicht geklärt. Im Gesamtkonzern Volkswagen/Porsche dürfte er einen schweren Stand haben.
Immerhin einen Erfolg hat er aus Porsche-Sicht erzielt: Eine Gegenübernahme des Sportwagengeschäfts durch Volkswagen, über die zuletzt spekuliert worden war, ist offenbar vom Tisch. In diesem Punkt hat sich Porsche-Aktionär Wolfgang Porsche gegen seinen Cousin Piëch durchgesetzt. Mit der Fusion beider Unternehmen ist der Schein der Gleichberechtigung gewahrt, zumindest nach außen.
So gesehen kommt Wiedeking mit einem blauen Auge davon. Aber ob das reicht, um sich als Spitzenmanager zu halten? Verglichen mit der geplanten VW-Übernahme ist eine Fusion unter Gleichen eben doch weniger.
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