Ich denke, beide Parteien hier haben Recht. Ich schrieb vorgestern, ich könnte mir sogar eine Gewinnwarnung vorstellen und hielte die Situation kurz- und mittelfristig für schwierig, dennoch würde ich meine (höher gekauften) Stücke behalten. Daran hat sich nichts geändert. Ich habe mir nun heute bzw. gestern die Zahlen genauer angeschaut und - gestaffelt - noch einmal zwei kleinere Tranchen nachgekauft. Die Pessimisten hier haben natürlich zunächst Recht. Nach dem Strohfeuer beim letzten Chef-Wechsel ist nun leider ziemliche Ernüchterung eingekehrt, auch bei mir. Auch die Rest-Beteiligung bei Chrysler lastet - zumindest psychologisch - auf dem Titel. Auf der anderen Seite ist Daimler meines Erachtens nicht mit einer T-Aktie oder Infineon vergleichbar, wie man bei manchen Postings hier den Eindruck haben könnte ("nie mehr anfassen", "nicht über 30 Euro anfassen", "Boden erst bei 24 Euro" (das Tief während des Irak-Kriegs)). Zunächst gilt: Jeder sollte sowieso nur Titel kaufen, von denen er selbst - und nicht ein bedeutender Experte oder die Mehrzahl der Analysten - überzeugt ist (aus welchen Gründen auch immer). Da ich selbst (in besseren Zeiten)in dem Unternehmen gearbeitet habe, heute noch punktuell dies tue und im Übrigen über Kontakte zu kompetenten, aber durchaus nüchternen Führungskräften mit selbstkritischer Distanz habe, halte ich den Laden, kurz gesagt, in seinem Kerngeschäft für gesund mit Aussicht, "kerngesund" zu werden. Dass Cars (lassen wir mal das schwierigere Kapitel Nutzfahrzeuge außen vor), wie immer wieder gesagt wird, derzeit "out" sind, stimmt - und stimmt nicht, wie wir nicht nur an VW (zugegeben aus speziellen Gründen)zuletzt sahen, sondern gerade die vergangenen Tagen auch an einer ordentlich steigenden BMW- und eben Daimler-Aktie. Ich erinnere mich an einen Thread-Beitrag (hier oder nebenan), dass es einem nach dem steilen Anstieg (von 36+ auf fast 44 Euro) innerhalb der letzten paar Tage fast schon wieder etwas mulmig werden könne... Auch das ist richtig. Vielleicht war es "nur" ein technischer "Trampolin"-Effekt bzw. interner Short-Squeeze, ich zumindest meine, dass auch fundamentales Potenzial effektuiert wurde. Wie auch immer, entscheidend werden die Stories, wie man marktdeutsch sagt, sein. Ich erinnere mich, ich hielt vor vier Jahren eine VW (was beim Preis von 33 Euro kein finanzielles Kunststück war) und habe mich schließlich von Analysten, Kollegen, sogenannten Experten beeinflussen lassen und schließlich +/- 0 verkauft....- VW, so der Tenor, sei eine Looser-Story, miserable Qualität, langweilige Modellpalette...(letzteres stimmt zumindest teilweise ja noch immer...) Natürlich kann niemand voraussehen, ob Daimler ein ähnliches Kunststück gelingt, aber bei welcher Erfolgsstory war das schon so deutlich am Beginn bzw. vor Beginn abzusehen? Ein Restrisiko und Geduld gehören einfach dazu. Aber selbst wer vor wenigen Tagen in Daimler mit hoher Stückzahl eingestiegen ist, hätte in sehr kurzer Zeit ordentlich Kohle machen können. Entscheidend ist m.E., ob es künftig gelingt, den unbestreitbaren Ökonomie-Ökologie-Paradigmenwechsel zu meistern. Der liegt schon lange in der Luft, aber dringt derzeit im Kontext des Öls erst so richtig ins Bewusstsein. Hier hat Daimler gewiss Nachholbedarf, aber auch schon aufgeholt, wie man etwa an Herrn Wissmanns 7-Liter-S-Klasse mit ordentlich PS sieht; andererseits hat das Wasserstoff-Engagement (Ballard Power) (noch) nicht in gewünschtem Maße gegriffen. Doch die wohl realistische Zwischenstufe der Mild-Hybrids dürfte auch in Stuttgart zügig genommen werden. Entscheidend ist für mich: Der Mobilitätswunsch unserer und vieler anderer Gesellschaften wird längerfristig nicht sinken - eher im Gegenteil. Eine Binsenweisheit gewiss, aber man muss sich auch an der Börse das Elementare immer wieder neu vergegenwärtigen. Das "saubere", sparsame - und nicht zu vergessen - qualitätvolle und ästhetisch gelungene, nicht zuletzt profitable Automobil wird sich auch in Zukunft am Markt - und damit auch an der Börse - behaupten (und hier muss sich ein Daimler nicht hinter einem VW verstecken). Und in dieser Perspektive hätten für mich alle Optimisten hier an Bo(a)rd Recht: Die "gute alte" Daimler-Story, als der Kurs gegen 100 ging (lang ist's her, gewiss) und der Konzern sich auf seine guten alten automobilen Stärken besann, könnte längerfristig fortgeschrieben werden, von neuen Kapiteln wie Übernahme u. dergleichen einmal ganz abgesehen. In diesem Sinne: Gut Zock für alle Ungeduldigen im kleinen Zeitfenster, das fast täglich gute Gewinnchancen bereit hält, Geduld für die Langmütigen mit diesem derzeit zugegeben nicht pflegeleichten Auto-"Patienten"...!
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