Polen allein in Europa GABRIELE LESSER
WARSCHAU Polen hat keinen Freund in Europa. Der Nachbar Deutschland ist nur ein Partner in einer "Interessengemeinschaft". Frankreich macht mit Polen allenfalls gute Geschäfte. Und England braucht Polen nur für seine machtpolitischen Spiele in der EU. Einen guten Freund hingegen hat Polen in Übersee. Der amerikanische Präsident George W. Bush wird auch nicht müde, den Polen immer wieder zu versichern, dass sie "die besten Freunde der USA in Europa" seien.
Für die Zukunft der EU wird ein alleingelassenes Polen fatale Folgen haben. Warschau hat den Konventsentwurf für die Europäische Verfassung nur deshalb nicht unterschrieben, weil das Misstrauen gegenüber Deutschland zu stark geworden ist. Das EU-Verfassungsdesaster ist im Kern also ein deutsch-polnisches Problem. Das nächste Fiasko bahnt sich bereits an: das Scheitern des EU-Haushalts.
Warum die deutschen und polnischen Politiker Anfang der 90er Jahre nicht den Mut hatten, eine Freundschaft anzustreben so wie zwischen Deutschland und Frankreich in den 50er Jahren, ist schwer zu beurteilen. Vielleicht waren die Gräben zu tief? Vielleicht ließen die Vertriebenen als Wahlklientel der CDU dieses Ziel nicht zu? Vielleicht auch waren die Zwangsarbeiter und Kriegsopfer in Polen zu verbittert, da sie anders als die im Westen lebenden Opfer des Zweiten Weltkrieges nie eine Entschädigung aus Deutschland bekommen hatten? Wie dem auch sei. Es blieb bei der oberflächlichen "Interessengemeinschaft" und dem "Versöhnungskitsch" mit Ganzkörperumarmungen und verkrampften Küsschen von Regierungschefs und Präsidenten. Eine belastungsfähige Freundschaft entstand so nicht.
Das rächt sich nun. Solange Deutschland und Polen ihre schwierige Vergangenheit nicht aufgearbeitet haben, wird es kein friedliches Europa geben. Paradoxerweise ist es die CDU, die mit ihrer Vertriebenenpolitik das politische Erbe Kanzler Helmut Kohls systematisch zerstört. Denn das in Berlin geplante "Zentrum gegen Vertreibungen" wird in Polen ebenso wie die von der "Preußischen Treuhand" angekündigten Sammelklagen der Vertriebenen als offene Drohung aus Deutschland verstanden. Dass die Unterstützung Deutschlands für den EU-Beitritt vielen Polen nur mehr als zynische Heuchelei erscheint, braucht nicht zu verwundern.
Den Schlüssel für die Zukunft der erweiterten EU hat die CDU in der Hand. Denn ihre Wahlklientel ist es, die mit ihren Klagedrohungen Polen in die Verteidigungshaltung gedrängt hat. Statt sich auf den Beitritt zur EU zu freuen, listen die Polen fieberhaft Kriegsverluste aus dem Zweiten Weltkrieg auf. Für sie bricht am 1. Mai ein neuer Kampf an: Deutsche Vertriebenenklagen gegen polnische Reparationsforderungen
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