Die Türkei ist nicht Europa. Sie hat Europa zwar manchmal beeinflusst, aber die jüdisch-griechisch-römische Antike, die protestantische Reformation und die Renaissance, die Aufklärung und die Wissenschaftsrevolution hat dieses Land nie erlebt, nie geprägt. Es ist fern davon.
Das muslimische Osmanenreich hat rund 450 Jahre lang gegen das christliche Europa nahezu unablässig Krieg geführt; einmal standen seine Heere sogar vor den Toren Wiens (Unglaublich). Das ist im Kollektivgedächtnis der europäischen Völker, aber auch der Türkei tief verankert. Es spricht darum nichts dafür, eine solche Inkarnation der Gegnerschaft in die EU aufzunehmen. Eine politische Union hat übrigens noch nie auf dieser Welt über Kulturgrenzen hinweg Bestand gehabt! Ganz im Gegenteil. Überdies ist die Häme, mit der jetzt gegen den "Christlichen Club" der EU polemisiert wird, ein Zeichen bestürzender Ignoranz, was 2000-jährige Traditionen und die Tatsache angeht, dass die christlichen Konfessionen und Amtskirchen in Europa noch immer große Mächte des öffentlichen und privaten Lebens sind.
Warum sollte heutzutage ein muslimischer, von der fundamentalistischen Welle einer erkennbaren Mehrheit bedrohter Staat zu Europa hinzustoßen, das nun einmal durch seine völlig anderen Traditionen geprägt ist? In der Bundesrepublik werfen 32 000 in radikalen Organisationen vereinigte türkische Muslime bereits hinreichend Probleme auf. Das Konfliktniveau im Inneren würde unvermeidbar angehoben. Ist das Menetekel des 11. September schon vergessen?
Warum sollte, da nach europäischen Kriterien rund 30 Prozent des türkischen Arbeitskräftepotenzials als arbeitslos gelten, einem anatolischen Millionenheer die Freizügigkeit in die EU eröffnet werden? Überall in Europa erweisen sich muslimische Minderheiten als nicht assimilierbar und igeln sich in ihrer Subkultur ein. Auch die Bundesrepublik hat bekanntlich kein Ausländer-, sondern ausschließlich ein Türkenproblem. Man kann nur durch die strikte Verpflichtung zum Sprachunterricht, zum Sprachtest vor der Einschulung, zum regelmäßigen Schulbesuch, zur Bindung der Staatsbürgerrechte an ein Examen (wie etwa in Holland) die starre Minderheitenlage allmählich auflockern. Aber warum sollte man diese Diaspora millionenfach freiwillig vermehren und damit die bisher willige Bereitschaft zum Zusammenleben einer extremen Belastungsprobe aussetzen? Die Zahl von 67 Millionen Türken (zur Zeit der Republikgründung waren es noch 12 Millionen), die sich aufgrund der demografischen Explosion mit einem Zuwachs von etwa 2,4 Prozent pro Jahr dramatisch weiter erhöht, übertrifft bereits die Anzahl der europäischen Protestanten. Im Fall eines Beitritts um 2012/14 stellten 90 Millionen Türken die größte Bevölkerung eines EU-Mitgliedstaates. Das könnte den Anspruch auf finanzielle Sonderleistungen und eine politische Führungsrolle begründen! Da möchte ich mal sehen, wie dann die westlichte Welt reagiert!
Die Osterweiterung wird alle Ressourcen der EU bis zur Zerreißprobe beanspruchen. Der derzeitige Streit um die Verfassung gibt einen Vorgeschmack künftiger, noch ungleich härterer Verteilungskämpfe. Wie aber kann man politisch so von Sinnen sein, dass man sich die völlige Überdehnung aller restlichen Ressourcen auflädt, da doch die EU-Mitgliedschaft der Türkei geradewegs in die finale Zerreißprobe hineinführen muss?
Auch wer die repräsentative Demokratie gegen basisdemokratische Schwarmgeister verteidigt, wird angesichts der herannahenden Grundsatzentscheidung sogar eine Volksabstimmung für angebracht halten. Fürchten manche Europapolitiker bei ihrem volksfernen Spiel mit dem Feuer die absehbare Entscheidung?
Käme es trotz aller erdrückenden Gegenargumente dennoch zur Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit diesem muslimischen Land, würde sich eine Euroskepsis ausbreiten, die nicht nur den Modus operandi der europäischen Politik von Grund auf infrage stellen würde, sondern den Bürgern das Europa nehmen würde. Den Zauberlehrlingen der Aufnahmebefürwortung verginge dann zwar endlich Hören und Sehen, doch, das Projekt einer Einigung Europas wäre am Ende. Es wäre der unvermeidbare Untergang der Europäischen Union.
Die Frage stellt sich, warum Schröder einen Beitritt der Türkei in die EU zustimmt?
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