Hervorhebungen von mir.
Zusammenfassung (von mir): Bafin-Chef Sanios sorgt sich nicht nur um die zunehmende Verschuldung der Staaten (vor allem USA), sondern auch um die - global - immer höheren Schulden der Hedge-Fonds. Er befürchtet bei einem Rückgang der zurzeit überreichlichen Liquidität einen ähnlichen Kollaps wie 1998, als der Hedge-Fond "Long Term Capital Management" vor die Hunde ging und die (US-)Finanzwirtschaft nur mit Milliardenspritzen aus dem US-Staatssäckel vor dem Fiasko gerettet werden konnte. Auch Warren Buffett hat schon länger Angst vor einem Derivate-Crash.
Vielleicht sinkt SP-500-Finanzindex deshalb seit Monaten, während der SP-500 (Gesamtindex) unberirrt stieg.
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In Washington das Thema verfehlt von Lucas Zeise
Der Appell der G7 an die Ölproduzenten war fast schon albern. Er lautete, diese möchten doch bitte sehr mehr des braunschwarzen Energiesaftes fördern. Wahrlich, auf der IWF-Tagung in Washington am Wochenende scheint der Ölpreis die überragende Rolle gespielt zu haben.
Die Finanzminister und Notenbanker der führenden Industrienationen konnten sich auf diesen Schuldigen an allen nur denkbaren zukünftigen ökonomischen Übeln leicht einigen.
Der Ölpreis ist eine weitgehend exogene Größe, das macht ihn als Sündenbock so geeignet. Denn alle anderen haben schon getan, was sie konnten. Die Regierungen haben Ölreserven verkauft. Die Erdöl exportierenden Länder - einschließlich Saudi-Arabiens - produzieren am Limit. Die Opec hat die Fördergrenzen für ihre Mitgliedsländer aufgehoben. Mehr Öl wird dadurch nicht gefördert. Auch der Engpass bei den Raffinerien ist nicht schnell zu beseitigen. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte Hurrikan Rita noch mehr Verarbeitungskapazitäten stillgelegt.
Im Weltbild der für den reibungslosen Fortgang der Weltwirtschaft Verantwortlichen erscheint der Input Energie der limitierende Faktor schlechthin. In einer Welt, die sich auf strammem und inflationsfreiem Wachstumskurs befindet, drohen allein die hohen Energiepreise das Wachstum abzuwürgen.
Es bleibt ein Schuss Unsicherheit, ob die Lage wirklich so komfortabel ist und ob die Ölpreisanalyse überhaupt stimmt. Trotz der aktuell erfreulichen Verfassung der Weltwirtschaft bestand in Washington großes Unbehagen, um nicht zu sagen Angst.
Dennoch wurden die globalen Ungleichgewichte finanzieller Art zum Nebenthema herabgestuft. Wahrscheinlich langweilen sich die Teilnehmer mittlerweile bei Gesprächen über das sich weiter aufblähende Leistungsbilanzdefizit der USA. Es hat mit über sechs Prozent des Sozialprodukts eine Größenordnung erreicht, die Anpassungen notwendig und Verwerfungen wahrscheinlich macht. Die Gefahr eines drastischen Dollar-Sturzes besteht fort.
Weit verbreitet ist die Auffassung, dass die aktuell überaus günstigen Finanzierungsbedingungen sich stark verschlechtern könnten. Und das ist noch milde ausgedrückt. Schließlich hat die Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen am vergangenen Donnerstag die sensationell tiefe Marke von drei Prozent erreicht. In den USA liegen die Renditen der zehnjährigen Staatsanleihen unter 4 1/4 Prozent und damit weniger als einen halben Punkt höher als der von der Notenbank vorgegebene Satz für Tagesgeld. Die Zinsen für schlechtere Schuldner als der Staat sind ebenfalls extrem abgerutscht. Auch für Kredite nehmen die Banken nur noch minimale Aufschläge auf die staatlichen Referenzzinsen. Das heißt, wer Schulden machen will, der kann. Wie in den Zeiten des Börsenbooms haben Unternehmen, Privatleute und der Staat keine Mühe, Geld aufzunehmen.
Die Unternehmen machen aber keine Schulden. Im Gegenteil, in Nordamerika, Europa und Japan haben sie die günstiger werdenden Finanzierungsbedingungen zur Bilanzsanierung genutzt. Stärker verschuldet haben sich in allen drei Regionen die Staaten, in den USA und einigen anderen angelsächsisch geprägten Ländern die Privathaushalte und - ziemlich global - die so genannten neuen Schuldner. Zu diesen zählen vor allem die Hedge-Fonds und Private-Equity-Fonds.
Die "exzessive" Verschuldung der Hedge-Fonds macht wiederum den Bankenaufsehern Sorgen. Jochen Sanio, Chef der deutschen Finanzaufsicht BaFin, gab bei einer von Goldman Sachs organisierten Konferenz in New York zu Protokoll, ihn treibe schreckliche Angst um, welche Gefahren von fallierenden Hedge-Fonds ausgehen. Hedge- und Equity-Fonds können auf außergewöhnlich hohe Renditen nur hoffen, wenn sie ihre Investments mit viel billigem Fremdkapital finanzieren. Da weder die BaFin noch eine andere Aufsicht einen Überblick hat, wer da mit welchem Geld welche Finanzstrategien oder Unternehmenskäufe finanziert, erscheint die Angst Sanios vor einem ähnlichen Unfall wie dem Kollaps von Long Term Capital Management 1998 durchaus berechtigt.
Auf der Konferenz wurden Sanios Warnungen abgetan. Kein Wunder: Die Teilnehmer waren entweder Manager oder Geldgeber der kritisierten Spekulationsbranche. Auf der IWF-Herbsttagung spielten Sorgen über die am schnellsten wachsenden, aber einer Aufsicht nicht unterzogenen Teile des Weltfinanzsystems ebenfalls keine Rolle. Obwohl auch die US-Notenbank gelegentlich meckert über die oft schlampige Abwicklung des Handels mit Kreditderivaten durch die Hedge-Fonds, lehnt sie eine stärkere Regulierung ab.
Kein Wunder, dass die Stimmung in Washington so schlecht war. Die Optimisten sehen eine leichte Verschlechterung der Lage, die Pessimisten ein veritables Desaster auf sich zu kommen. Eine ernsthafte Diagnose der erahnten Probleme wurde nicht wirklich versucht. Von einer Erfolg versprechenden Prävention gar nicht zu reden.
Lucas Zeise ist Finanzkolumnist der FTD. Er schreibt jeden Dienstag in der Zeitung
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