Das Kapital: Der Dollar steht nach wie vor auf der Kippe [Von ftd.de, 20:53, 03.10.05]
Der Dollar hat den Anlegern dieses Jahr gleich mehrere Male ein Schnippchen geschlagen. Kein Wunder, dass man den Devisenkommentaren inzwischen eine für Finanzmarktverhältnisse seltene Verunsicherung anmerken kann. Und wie soll man diese Währung auch in den Griff kriegen? Die Zins- und Wachstumsdifferenzen sprechen ebenso für sie wie relative Geldmengenentwicklung und Kaufkraftparität. Wären da bloß nicht die gut 3 Mrd. $, die Ausländer jeden Arbeitstag nach Amerika schippern müssen, um die seit drei Monaten negative private Sparquote und die Staatsdefizite zu kompensieren. Und just in dem Moment, wo sich eine Stabilisierung des Handelsdefizits andeutet, lassen die Sturmschäden eine weitere Verschlechterung erwarten. Zurzeit spricht alles dafür, dass sich der Dollar gut halten kann, solange der US-Leitzinszyklus nach oben gerichtet bleibt. Wegen der Folgen der Wirbelstürme werden die US-Makrodaten bis auf weiteres allerdings schwer zu interpretieren sein, womit die Rhetorik der Fed noch wichtiger werden dürfte als sonst. Doch ist zu befürchten, dass auch der Wiederaufbau im Süden kaum genügend Impulse bringt, um eine Abschwächung der US-Wirtschaft zu verzögern. Denn während die Lohneinkommen der Haushalte real kaum noch zulegen, ist ihre Schuldendienstquote im zweiten Quartal trotz niedrigster Langfristzinsen auf einen neuen Rekord gestiegen. Sie haben ihre Schulden annualisiert um 9,9 Prozent erhöht, was einem Zuwachs von 1037,8 Mrd. $ entspricht. Ob des sich anbahnenden Endes der Immobiliensause werden sie kürzer treten müssen. Auch liegen die Investitionen der Firmen im Verhältnis zum BIP immerhin auf Höhe des Nachkriegsschnitts. Ihr Nachholbedarf dürfte also begrenzt sein. Dennoch wird das Außenhandelsdefizit nicht über Nacht verschwinden, selbst wenn die Nachfrage aus Japan und Europa steigt, worauf viele hoffen. Dazu fehlen den USA sowohl Kapazitäten als auch Produkte, wobei viele jener Sektoren, die handelbare Güter herstellen, recht unrentabel bleiben, was den Investitionsanreiz hemmt. Der Saldo der Direktinvestitionen ist seit Jahren negativ. Derweil bleiben die US-Vermögensmärkte zu unattraktiv, um nachhaltig fremdes Kapital anzulocken. Nach dem KGV sind US-Aktien im internationalen Vergleich zwar gar nicht mehr so unattraktiv. Am Cashflow, der Dividendenrendite oder dem Umsatz gemessen bleiben sie aber ungewöhnlich teuer. Die Realrendite auf fünfjährige Staatsanleihen liegt bei mickrigen 1,5 Prozent. Am Immobilienmarkt ist nur noch die Frage, ob es sich um Blasen oder Schaum handelt. Über die Zeit wird der Dollar also weiter nachgeben, beträchtlich. Und wenn man bedenkt, dass die Inflation in China zuletzt auf 1,3 Prozent gefallen ist, ist auch klar, dass Europa sein Päckchen zu tragen haben wird.
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