die Preisbildung auf den Devisenmärkten verläuft in jüngster Zeit irrational. Ich wüsste nicht, wieso da nun plötzlich ökonomische Vernunft Einzug halten sollte. Ich halte es daher für gefährlich, den EUR/USD-Kurs als Indikator für irgendetwas zu verwenden.
Die letzten drei Jahre haben wir gesehen, dass der Dollar bei anziehenden (US-)Aktienmärkten stets SCHWÄCHER wurde (das Euro-Hoch im letzten Winter fiel mit einem Hoch der US-Aktienindizes zusammen). Dafür habe ich bislang noch keine vernünftige Erklärung gehört oder gefunden. Es gibt Leute, die versucht haben, die Kausalität umzudrehen: Die US-Aktienmärkte stiegen angeblich, WEIL der Dollar so schwach wurde (was, in Dollar gerechnet, die Bilanzen im Ausland operierender US-Unternehmen stärkt). Andere argumentierten, der Dollar würde bei fallenden Aktien-Märkten stärker, weil Anleger dann vermehrt in US-Staatsanleihen umschichten - und der US-Bond-Markt sei ein größerer Markt als der US-Aktien-Markt, so dass Abflüsse ausländischer Anleger aus dem Aktienmarkt im Bond-Markt überkompensiert würden.
[Weithin unlogisch sind die sich in letzter Zeit häufenden Devisen-Tageskommentare, die behaupten, der (temporäre) Rückgang der Rohölpreise habe den Greenback gestärkt. Tatsache ist, dass Rohöl in Dollar abgerechnet wird: Je teurer das Öl ist, desto größer wird die weltweite Nachfrage nach Dollars, so dass Rohölpreis und Dollarkurs eigentlich parallel laufen sollten.]
LOGISCH hingegen schien mir, wie es vor 2001 fast zwei Jahrzehnte lief: US-Aktien stiegen, weil es mit der US-Wirtschaft, vor allem im Technologie-Sektor, bergauf ging. Daher galten Dollar-Anlagen als immer sicherer und attraktiver (u. a. wegen der steigenden Zinsen, über die auch Bond-Anleger anteilig profitierten). Das Dollar-Hoch im Herbst 2000 (1 Dollar = 2,39 DM bzw. 1 Euro = 0,82 Dollar) folgte nur wenige Monate nach dem Allzeit-Hoch der US-Börsen im März.
Doch 2002 wendete sich das Blatt. Wenn es für die Entwicklung seitdem überhaupt eine Logik gibt, dann vielleicht folgende: Nach dem Platzen der Tech-Blase und den Enron- und Worldcom-Pleiten drohte die US-Wirtschaft in eine schwere Rezession zu fallen. Greenspan steuerte hart dagegen und senkte die Zinsen auf 1 % (40-Jahres-Tief). Die US-Aktienmärkte schossen wegen der Niedrigzinsen hoch, der Immobilienmarkt boomte durch billige Refinanzierung. Der Dollar hingegen sank aufgrund der niedrigeren Zinsen, weil die ihn relativ zu Hochzins-Währungen wie dem britischen Pfund oder dem Austral-Dollar unattraktiv machten.
Unklar jedoch bleibt, wieso ungeachtet des jüngsten Aktien-Booms, der ja eigentlich eine Belebung der US-Wirtschaft signalisieren sollte, die Zinsen für langlaufende US-Staatsanleihen nicht stiegen (bzw. deren Kurse nicht fielen), obwohl die kurzfristigen Zinsen nun 11 Mal nacheinander angehoben wurden. Greenspan selbst spricht von einem "Rätsel".
"Meine" Lösung für dieses Rätsel: Wir haben als Erbe der Niedrigzins-Phase eine allgemeine Asset-Blase, die Aktien und Immobilien irrational hochgetrieben hat. Greenspan gesteht dies indirekt ein, da er die damit verbunden Inflationsgefahren sieht und unbeirrt an weiteren Zinserhöhungen festhält.
PROGNOSE: Die hohen Zinsen werden der US-Wirtschaft schaden und - teils beachsichtigt - die Luft aus den Aktien- und Immobilienblasen ablassen. Der Preis für den irrationalen Überschwang der 1990-er-Jahre wird nun nachträglich bezahlt ("gestundet" ist halt nicht "erlassen"). Der Dollar wird kurz- bis mittelfristig fallen, weil das Vertrauen ausländischer Anleger schwindet. Wenn die US-Märkte einen Boden gefunden haben - ein Prozess, der evtl. bis 2007 dauert - , werden die hohen Dollar-Zinsen den Greenback langfristig wieder stärken. Er wird sich in den nächsten fünf Jahren wieder der Kaufpreisparität von 1,10 annähern und - wie üblich - auch wieder darüber hinausschießen.
Wer also bei 1,30+ Dollars kauft, wird langfristig doppelt profitieren: Zum einen von den immer höheren Zinsen, zum anderen von der zu erwartenden langfristigen Kurserholung zum Euro.
Und wenn der Markt tatsächlich zu seiner alten Logik zurückfinden sollte - d. h. die erwartete Dollar-Schwäche mit einer Aktien-Schwäche zusammenfällt - , ließen sich die bei 1,30+ gewechselten Dollars auch wieder gewinnbringend in US-Aktien anlegen.
Bis dahin warte ich in Cash (Euros) und vertreibe mir die Zeit mit ein paar kurzfristigen Trades, teils auch short.
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