Erste Festnahmen, Bekenner-Video gefunden
Neue Spuren auf der Jagd nach den Attentätern von Madrid: Die Behörden fanden ein Video, auf dem sich die Terror-Organisation al-Qaida zu den Anschlägen bekennt und mit weiteren verheerenden Attacken droht. Zuvor hatte die spanische Polizei drei Marokkaner und zwei Inder im Zusammenhang mit der Bluttat festgenommen.
AP Demonstranten in Madrid: "Wer war es?" Madrid - Die Hinweise auf einen fundamentalistischen Hintergrund für die Bluttat von Madrid verdichten sich dramatisch: Der spanische Innenminister Angel Acebes bestätigte in der Nacht zum Sonntag den Fund eines Video-Bandes. Darauf soll sich die Terrororganisation al-Qaida zu den Anschlägen von Madrid bekannt haben. Acebes mahnte allerdings zur Vorsicht: Die Echtheit des Bandes werde noch untersucht.
In dem Video übernehme ein angeblicher "Militärsprecher" al-Qaidas in arabischer Sprache und mit marokkanischem Akzent im Namen des Terrornetzwerks die Verantwortung für die Attentate: Sie seien eine Vergeltungsaktion für die Teilnahme der Spanier am Irak-Krieg gewesen.
"Das ist die Antwort auf Eure Zusammenarbeit mit dem Verbrecher Bush und seinen Alliierten. Es ist die Antwort auf die Verbrechen, die ihr in der Welt begangen habt, vor allem im Irak und in Afghanistan, und wenn Gott will, wird es mehr (Anschläge) geben", laute die Botschaft weiter.
Das zweiminütige Video sei in der Nähe einer Moschee in Madrid entdeckt worden, sagte Acebes. Ein arabisch sprechender Mann habe einen TV-Sender angerufen und mitgeteilt, wo das Band zu finden sei.
Marokkaner und Inder verhaftet
Wenige Stunden zuvor hatte der Minister erste Fahndungserfolge bekannt gegeben: Die Polizei habe drei Marokkaner und zwei Inder verhaftet. Zwei weitere Verdächtige würden verhört, seien aber nicht festgenommen worden. Laut Acebes handelt es sich um Spanier indischer Abstammung.
Die fünf Verhafteten seien in Zusammenhang mit dem Mobiltelefon festgenommen worden, das in einem mit Sprengstoff gefüllten Rucksack gefunden wurde. Die Verdächtigen sollen an der Fälschung der Handykarte beteiligt gewesen sein. Die Festnahmen seien in Madrid erfolgt. Es habe mehrere Hausdurchsuchungen gegeben.
Die Weckfunktion des Handys sollte den Sprengsatz zünden. Nach gleichem Muster waren auch die Bomben gezündet worden, die am Donnerstag 200 Menschen in den Tod gerissen und fast 1500 verletzt hatten.
Gereizte Stimmung in Madrid
Die Bekanntgabe der Verhaftungen geschah am Abend, als sich 5000 Demonstranten vor dem Hauptquartier der regierenden Volkspartei von Premierminister Jose Maria Aznar versammelt hatten. Einen Tag vor der morgigen Parlamentswahl skandierten sie: "Wer war es?" und "Vor der Wahl wollen wir die Wahrheit!"
Die Stimmung in der spanischen Hauptstadt war tagsüber zunehmend gereizter geworden. Während des Tages hatte sich der Verdacht erhärtet, die Regierung würde die Ermittlungsergebnisse in einer für sie vorteilhaften Richtung verkaufen. Auch durch andere spanische Städte zogen am Abend Demonstranten.
Die Tageszeitung "El Pais" hatte gemeldet, dass Spaniens Botschafter direkt nach den Anschlägen die Anweisung bekommen hätten, die Eta-These zu stützen. Eine Urheberschaft der Eta würde die Zustimmung der Spanier zu ihrer Regierung eher stärken, während ein muslimischer Hintergrund viele Wähler an den im ganzen Land vehement abgelehnten Irak-Krieg erinnern würde.
Die Verdächtigen hätten möglicherweise Verbindungen zu einer marokkanischen Extremistengruppe, sagte Acebes. Noch stehe nicht fest, ob oder wieweit die Männer in die Attentate verwickelt waren. Es werde weiter in alle Richtungen ermittelt, auch gegen die Eta. In einer ungewöhnlichen Stellungnahme hat die ETA allerdings eine Verantwortung für die Anschläge zurückgewiesen.
"Zu 99 Prozent fundamentalistischer Hintergrund"
AP Ermittler an einem Zugwrack: Spuren in viele Richtungen Der spanische Rundfunksender Cadena Ser, der den oppositionellen Sozialisten nahe steht, zitierte am Samstag Quellen des Geheimdienstes CNI mit der Aussage, die Ermittler seien sich "zu 99 Prozent sicher", dass muslimische Extremisten hinter den Anschlägen stünden. Eine zehn bis 15 Mitglieder starke Zelle sei nach Ansicht von Agenten für das Blutbad verantwortlich und habe nach den Anschlägen möglicherweise das Land verlassen. CNI-Chef Jorge Dezcallar wies den Bericht jedoch zurück und sagte der Nachrichtenagentur Efe, derzeit werde kein Ermittlungsstrang favorisiert.
Bereits am Donnerstag hatten die Behörden nahe Madrid einen Lieferwagen entdeckt, in dem Zünder und ein Tonband mit Koranversen gefunden wurden. Wie ein ranghoher Polizeibeamter mitteilte, legt ein Augenzeugenbericht nahe, dass die bei den Anschlägen verwendeten Sprengsätze in dem Fahrzeug transportiert worden sein könnten. Der Zeuge habe beobachtet, wie drei mit Skimützen vermummte junge Männer aus dem Lieferwagen ausstiegen und Rucksäcke zum Bahnhof des Vororts Alcala de Henares trugen, sagte der Beamte der Nachrichtenagentur AP. An diesem Bahnhof hatten alle Züge, in denen am Donnerstag Bomben explodierten, gehalten.
Terror-Hinweise aus Norwegen
Spekulationen über eine Verwicklung islamischer Terrorgruppen erhielten auch Auftrieb durch einen Bericht der norwegischen Tageszeitung "VG". Das Blatt berichtete am Samstag von einer arabischen Web-Site, auf der Spanien wegen der Parlamentswahl am Sonntag schon vor einem Jahr als geeignetes Ziel für Anschläge genannt worden war. "VG" zitierte aus einem Dokument, das norwegische Terrorexperten im Internet entdeckt hatten: `Wir müssen den größten Nutzen aus der Nähe des Wahltermins in Spanien im kommenden März ziehen", heißt es in dem Text. "Spanien hält maximal zwei oder drei Anschläge aus, bevor es sich aus Irak zurückzieht."
|