Vielleicht habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt, aber ich denke, ihr habt mein posting leicht mißverstanden. Deswegen noch einmal zur Klarstellung.
Ich unterstelle der Bush-Regierung ein ganzes Bündel an Gründen, die sie in diesen Krieg getrieben haben. Da ist zunächst der Kampf gegen den islamischen Terrorismus. Der Irak hatte nichts mit Al Kaida und Atomwaffen zu schaffen - die gegenteiligen Behauptungen der US-regierung waren nur Show und hilflose Überzeugungsversuche - aber der Hintergedanke der amerikanischen Strategen ging m.E. noch 10 Schritte weiter. Diese Leute dachten, Demokratie und Wohlstand sind stärker als der Terrorismus. Gesetzt den Fall, daß diese Erdregion einmal halbwegs demokratisch funktionieren würde, hätte sich der Kampf gegen den Terrorismus erübrigt. Zum Zweiten liegt es auf der Hand, dass die Resource Öl in den kommenden Jahrzehnten immer größere Bedeutung bekommen wird. Dummerweise lagert die Hälfte davon in politisch instabilen Regionen, in denen zusätzlich mit den Petrodollars auch noch der islamische Terrorismus gefördert wird. Also muß irgendwie sichergestellt werden, daß der Zugang zu dem Öl nicht von wild gewordenen Diktatoren abhängt oder Islamisten mit der eingenommenen Kohle Waffen kaufen. Eine direkte Intervention in Saudiarabien verbietet sich schon alleine wegen Mekka. Aber die beiden Gedankenströme zusammengeführt bedeutet salopp formuliert: Was, wenn man sich einen zentralen Ankerstaat in der Region herausgreift, dort einen halbwegs tragbare Demokratie installiert und abschreckend militärisch präsent bleibt. Dann würde sich dieses Modell schon alleine aus Angst der benachbarten Diktatoren bzw. aus Neid der benachbarten Völker quasi von selbst verbreiten.
Der Irak bietet sich hierzu förmlich an. Er ist wohl der säkularste Staat da unten und der lokale Diktator hat der Welt und dem eigenen Volk sowieso schon genug Unheil gebracht. Angenehme und willkommenen Nebeneffekte sind: Der Irak hat selbst riesige Ölvorkommen, die effizienter genutzt werden könnten. Die Aufträge zur Ausbeutung könnten an amerikanische Firmen gehen. Die immer wieder als Stachel empfundene amerikanische Präsenz in heiligen Saudiarabien könnte aufgegeben werden. Alles paßt perfekt! So in etwa war wohl die Denke der Regierung. Alles andere sind m.E. Verschwörungstheorien.
Soviel zu meiner Einschätzung der US-Motive, die sich im wesentlichen ganz gut mit der amerikanischen Mentalität decken, und die m.E. durchaus als hehre Ziele bezeichnet werden können. Mein Kritikpunkt liegt vielmehr im Detail. Ich behaupte, daß diese Ziele so gut wie gar nicht zu erreichen sind, und das Risiko einer Verschlimmbesserung umso höher liegt. Die Gründe:
- Die Kriegsgründe wurden den Partnern demotivierend verschleiert, also stehen die USA mehr oder minder allein da, und der Brocken ist zu groß dafür. - Andere zwielichtige Staaten müssen sich durch das scheinbar willkürliche Herausgreifen eines geschwächten Staates quasi als Selbstschutz bewaffnen und das atomar, um demselben Schicksal zu entgehen (siehe Iran). Diese Spirale kann niemand kontrollieren, außer durch weitere Kriege, und dafür fehlt es irgendwann an Geld, menatler Unterstützung und Soldaten - Der Irak ist ein Vielvölkerstaat mit diametral unterschiedlichen Interessen der einzelenen Völker- und Religionsgruppen, diese Interessen können m.E. nur durch Teilung oder durch permanente Gewalt im Zaum gehalten werden. - Die Mentalität vor Ort ist eine grundlegend andere als im Westen, was für uns gut ist, muß nicht unbedingt in den Augen der Muslime/Iraker gut sein - Ein westlicher Besatzer, und die dort verhaßte USA kann da nur sehr schlecht vermitteln, geschweige denn die notwendigen Herzen der Menschen gewinnen. - Die Kriegsplanung war mehr als stümperhaft: Das erste Ziel, die Überrumpelung war der aufgrund der überlegenen Technik zu erwarten, der Mißerfolg in der nachfolgenden Besatzungs- und Befriedungszeit war aufgrund der Truppenschwäche ebenso zu erwarten. - Die amerikanischen Truppen haben keine Erfahrung in der Befriedung arabisch geprägter Kulturen, der Umgang mit der Bevölkerung war deswegen nicht gerade sympathiefördernd und auch so erwarten. - Ein Krieg ist fast immer eine Spirale der Gewalt, deswegen sind die Steigerungen Krieg, Terrorismus, Kriegsverbrechen und Folter fast zwangsläufig. Diese Steigerung wirkt zu 100% kontraproduktiv auf das Ziel, nämlich die Werbung für das westliche Modell und die anschließende Demokratisierung
Das alles mündet in das jetzige Fiasko. Und deswegen war ich und bin ich gegen diesen Krieg. Er kann ein Auslöser für den Kampf der Kulturen werden, das muß man mittlerweile klar so sehen und das muß unter allen Umständen vermieden werden.
Genauso klar muß man aber auch sehen, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen ein absolutes Chaos hinterlassen und zum gleichen Ergebnis führen würde. Die Skrupellosesten unter den Partisanen, Rebellen oder Terroristen würden sich im zwangsläufig folgenden Bürger- oder Clankrieg die Macht krallen und dann Gnade uns Gott, so es ihn denn gibt. Also hilft es nicht, auf die bösen Amerikaner zu schimpfen. Eine Lösung muß her, die die Stabilität des Iraks wiederherstellt. Und das geht nur mit einer weiteren Besatzung, wahrscheinlich über Jahre hinweg, bis der Irak eine eigene Regierung und eigene staatliche Strukturen hat, auch wenn diese religiös geprägt sind.
Und nun zu Falludja: Eine ganze Stadt in den Händen solch zweifelhafter Gesellen kann auf dem Weg zur irakischen Stabilität nicht geduldet werden, da sich dort eine Parallelmacht aufbauen könnte, die den Prozeß definitiv gefährden wird. Deshalb mußte Falludja genommen werden. Ich habe nur kritisiert, wie sie genommen wird. Das gilt auch für jeden weiteren Kampf im Irak. Er muß unter allen Umständen so geführt werden, dass das irakische Volk (und die gemäßigte arabische Welt) dahintersteht, sonst haben wir sehr bald Feuer unterm Dach. Die Bombardierung und die Opferung von Zivilisten ist deswegen unter allen Umständen weitestgehend zu vermeiden, selbst wenn es mehr amerikanischen Soldaten das Leben kostet. Das muß die amerikanische Regierung in Kauf nehmen. Will sie das nicht, gefährdet sie ihr eigenes Ziel. Wenn sie aber so konsequent vorgeht und das Leben der eigenen Soldaten für ein an sich gutes Ziel opfert, dann muß man über solche und vielleicht noch schlimmere Vorfälle wie die Hinrichtung hinwegsehen, zumal die Gegener gewiß nicht zimperlicher sind. Das ist schlicht und ergreifend Krieg!
Nicht mehr und nicht weniger habe ich gesagt.
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