Die EU-Staaten haben sich nach zweitägigen, harten Verhandlungen über die künftige Finanzierung der Europäischen Union (EU) geeinigt.
Alle 25 Staats- und Regierungschefs hätten dem von Großbritannien präsentierten Kompromissvorschlag zugestimmt, sagte die britische Ratspräsidentschaft Samstagfrüh in Brüssel.
"Briten-Rabatt" nachhaltig gekürzt
Großbritannien hatte zuvor einen letzten Kompromissvorschlag präsentiert, bei dem es auch größere Kürzungen bei seinem umstrittenen Rabatt auf den EU-Beitrag akzeptierte, um sich stärker an den Kosten für die EU-Erweiterung zu beteiligen.
Der britische Rabatt wird über die gesamten sieben Jahre um insgesamt 10,5 Milliarden Euro zu Gunsten der EU-Erweiterung gekürzt. Das sind 2,5 Milliarden Euro mehr als zunächst von Blair angeboten. Zudem wird die Rabattkürzung dauerhaft - wie von Deutschland und Frankreich gefordert.
Ab 2013 sind Briten "voll dabei"
Von 2013 an muss sich Großbritannien vollständig an der Finanzierung der EU-Erweiterungen beteiligen. Der Rabatt bleibt auch dann allerdings für Agrarausgaben auch aus neuen EU-Staaten bestehen.
1,045 Prozent vom BIP
Insgesamt beträgt das Budget der EU von 2007 bis 2013 nun 862,363 Milliarden Euro und damit 1,045 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung. Das EU-Parlament muss im kommenden Jahr noch zustimmen.
Merkel verschaffte Durchbruch
Die Staats- und Regierungschefs hatten seit Donnerstag in zahlreichen Einzelgesprächen hart um Ausgaben und Zuschüsse gerungen. Ein Scheitern des Gipfels hätte die Krise der EU über die vom Scheitern bedrohte Verfassung noch verschärft.
Dem Vernehmen nach hatte die neue deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zwischen den Blöcken Frankreich und Großbritannien vermittelt.
Letztlich ermöglichte sie eine Einigung, indem sie für Deutschland auf 100 Mio. Euro an EU-Strukturhilfen zu Gunsten Polens verzichtete. Merkel lobte den Kompromiss als "Signal der Hoffnung für Europa", insbesondere für die Menschen in Osteuropa.
Blair: "Europa kann nach vorne marschieren"
Der britische Premierminister Tony Blair äußerte sich zufrieden über den Finanzkompromiss. Die Vereinbarung "erlaubt Europa, nach vorn zu marschieren", sagte er.
Sie demonstriere zugleich "Solidarität mit den neuen EU-Mitgliedern", so Blair. Großbritannien sei "zum ersten Mal mit den anderen Staaten gleichgestellt". Im Juni war eine Einigung im Streit um die Finanzen vor allem am Widerstand Blairs gescheitert.
Barroso: "Bedeutendes Signal"
Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manual Barroso würdigte den nach Stunden langen komplizierten Verhandlungen erreichten Kompromiss. Es sei "ein sehr bedeutendes Signal" für die Zukunft Europas. "Europa bewegt sich", sagte Barroso.
Zufriedene Reaktionen
Von einem "guten Abschluss für Europa" sprach Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac. "Das ist das beste Ergebnis, das wir erzielen konnten", so der ungarische Regierungschef Ferenc Gyurcsany. "Das ist ein gutes und solidarisches Ergebnis", sagte auch sein tschechischer Premier Jiri Paroubek.
Der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen lobte den "politischen Mut", den Blair durch den Verzicht beim Briten-Rabatt bewiesen habe. Der niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende zeigte sich äußerst erfreut über die Einigung, die sein Land um eine Milliarde Euro zusätzlich entlastet.
Österreich erreichte Verbesserungen
Für Österreich brachte der erst nach Mitternacht vorgelegte letzte Kompromissvorschlag der britischen Ratspräsidentschaft deutliche Verbesserungen. Bei den nach Brüssel abzuliefernden Mehrwertsteuereinnahmen wurde Österreich um 600 Millionen Euro entlastet.
Üblicherweise müssen alle EU-Staaten 0,30 Prozent ihrer Mehrwertsteuereinnahmen (sie machen etwa ein Siebentel des Gemeinschaftsbudgets aus) an die Union abführen.
Die großen Nettozahler Deutschland, Niederlande und Schweden sowie Österreich erhalten darauf nun eine Ermäßigung. Österreich wird nur 0,225 Prozent der Mehrwertsteuereinnahmen abführen müssen.
Mindestsumme bei ländlicher Entwicklung
Bei den Geldern für die ländliche Entwicklung sollte Österreich eine Mindestsumme von 1,35 Mrd. Euro zugesichert bekommen, insgesamt 3,2 Mrd. Euro. Die Briten hatten bisher nur 450 Mio. Euro als Mindestförderung für die Jahre 2007-2013 aus diesem Topf garantieren und einen neuen Verteilungsschlüssel einführen wollen.
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) sprach von "einem durchaus herzeigbaren Ergebnis". Dennoch werde sich Österreichs Nettobeitrag auf 860 Millionen Euro im Jahr erhöhen.
Mazedonien erhält Kandidatenstatus
Der EU-Gipfel beschloss außerdem, Mazedonien den Status eines Beitrittskandidatenlandes zu gewähren. Der Beginn konkreter Verhandlungen ist mit der Entscheidung aber nicht verbunden.
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