Mit dem, was Du danach schreibst, bestätigst Du dann aber im Gegenteil gerade meine Sorge, dass Israel hier einen direkten offenen Krieg mit Iran nicht nur in Kauf nehmen sondern u.U. sogar anstreben könnte....
..man gelangt sogar zu dem Eindruck, dass Du Dich sogar geradezu dafür aussprechen möchtest.
Die größeren Linien und Hintergründe dieses Konflikts zeichnest Du dabei sicherlich richtig, und ich kann Deine Gedanken dazu auch verstehen, kann mich dem dann in dieser Weise aber nicht anschließen.
Die Problematik mit dem Iranischen Atomprogramm besteht dabei ja sogar schon sehr viel länger als die letzten 20 Jahre, im Grunde geht das bis in die 80er Jahre zurück, und man hat es bisher auf diplomatischen Wege gut geschaft, die Sache immer wieder auszubremsen. Während der Obama-Regierung hatten sich die USA sehr intensiv mit verschiedenen Optionen beschäftigt, zu verhindern, dass Iran Atommacht würde, darunter auch militärische bis hin zu einem Krieg. Führende Professoren auf dem Gebiet der Spieltheorie hatten dabei alle möglichen Modelle mit den verschiedensten möglichen Annahmen durchgespielt und sind dabei immer zum Ergebnis, gekommen, dass sich militärische Interventionen als schlechtere Lösung herausstellten, die zwar kurzfristig wirksam sein mögen, dabei jedoch unverhältnismäßige Risiken und Kosten mit sich brächten und langfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar zum genauen Gegenteil führen dürften, dass Iran den Weg zur Atommacht nur noch entschlossener als jemals zuvor beschreiten würde.
Man hatte den diplomatischen Weg damals also nicht etwa beibehalten, weil man dem Iran etwa blauäugig vertraut hätte, oder sich nicht im Klaren darüber gewesen wäre, was sie mit ihrem Atomprogramm in Wirklichkeit bezweckten, sondern weil man nach allen gründlichen Überlegungen und Abwägungen zum Ergebnis gekommen ist, dass dies unter allen Optionen immer noch die beste sei.
Iran mag ihrem Ziel, Atommacht zu werden, dabei immer näher kommen, sie zahlen dafür aber einen hohen Preis, ihre Wirtschaft liegt aufgrund der internationalen Sanktionen am Boden und der Rückhalt in der eigenen Bevölkerung bricht immer weiter weg?
Mit solchen Aktionen, wie dem Attentat auf Soleimani 2020, oder jetzt auf die Generäle in einem Konsulat in Damaskus, zeigt man hingegen auch den letzten Kritikern am iranischen Atomprogramm im Iran, wie dringend sie eine Atombombe brauchen...
Werfen wir doch mal einen Blick auf die Atommächte dieser Welt, und jene die es nicht sind. um manchen Zusammenhänge etwas bewusster zu werden
Europäische Länder haben nun keinen zwingenden Bedarf nach eigenen Atomwaffen, da sie über Frankreich, England und ihrem Natoverbündeten USA mit unter einem nuklearen Schutzschirm stehen. Die Großmächte Russland und China haben ebenfalls Atomwaffen und könnten es sich rationaler Weise aber auch nicht leisten keine zu haben, für Indien gilt letztlich das gleiche.
Israel hat ebenfalls Atomwaffen, die sie - umgeben von Feinden - ebenfalls dringend zur Abschreckung brauchen.
Pakistan und Nordkorea haben leider ebenfalls Atomwaffen, was einem nicht gefallen kann, wobei man sich auch hier die Frage stellen muss, ob es wirklich einen Krieg wert gewesen wäre, zu versuchen dieses zu verhindern? Man hatte sich auch hier jedenfalls - vermutlich aus guten Gründen - damals dagegen entschieden.
Was auffällt, weder Afrika noch Südamerika zeigen hingegen einen großen Ehrgeiz Atommacht zu werden. Warum mag das so sein? Die Kriegsgefahr in Afrika geht dabei in erster Linie von afrikanischen Ländern untereinander aus, da keines dieser Länder über Atomwaffen verfügt, befindet sich dort also auch keines der Länder in einem existenziellen Hintertreffen, it's not worth the trouble , scheint dort die allgemeine Haltung dazu zu sein. In Südamerika sieht es wohl ähnlich aus. Wenn es um kriegerische Auseinandersetzungen geht erscheinen Bürgerkriege die weitaus größere Gefahr zu sein, als von anderen Ländern überfallen zu werden. Man sieht sich dort vom Ausland her wohl nicht als so militärisch bedroht an.
Wenn es darum geht, ob ein Land anstrebt Atommacht zu werden oder nicht, dürfte es letztlich primär um eine Einschätzung der eigenen Bedrohungs- und Gefährdungslage gehen, die dann zu den mutmaßlichen Kosten, sowie natürlich auch der Belastung für internationale Beziehungen und absehbarer harter und fortdauernder Sanktionen ins Verhältnis gesetzt werden.
Und wenn ein Land sich als so bedroht ansieht, dass es zu der Einschätzung gelangt, dass es unbedingt eigene Atomwaffen benötigt, dann würde ein Krieg ihnen dafür am Ende ja den letzten ultimativen Beweise bringen, Recht mit dieser Einschätzung zu haben, und dazu führen, dass dieses Projekt langfristig wohl nur noch umso entschiedener verfolgt werden würde.
Man zögerte es also zu hohen Kosten, Risiken und Opfern hinaus, ohne dabei am Ende wirklich etwas gewinnen zu können.
Des Weiteren sollte man auch einmal den derzeitigen Zustand des Mullah-Regimes etwas näher betrachten. Khamenei ist mittlerweile 84 Jahre alt, wie viele Jahre mag er noch haben? ?und was mag danach kommen? Die gesamte Führungselite, die aus der Revolution hervorgegangen ist, ist mittlerweile alt geworden, und findet so langsam auf natürlichem Wege ihr Ende.
Was danach kommt ist unsicher und die Zukunft ist da sicher alles andere als in Stein gemeißelt. Wenn das Land sich dann jedoch gerade in einem Krieg mit Israel befände, dann würde das natürlich den Hardlinern und Tod-Israel/Tod-Amerika-Rufern in die Hände spielen und nicht jenen Reformern, die sich für eine Annäherung an den Westen und eine stärkere Trennung von Staat und Religion einsetzen.
...und wenn die Macht erstmal an den nächsten Steinzeitmullah übergeben wurde, dann bliebe sie dort vermutlich auch wieder bis zu dessen ableben.
...einen Krieg mit dem Iran anzufangen, würde für die immer weiter zunehmenden Freiheitsbewegungen der Jüngeren - gerade auch der jungen Bildungseliten - einen herben Rückschlag bedeuten, es wäre m.E. sehr viel besser, diese dadurch zu unterstützen, eben nicht als äußerer Feind aufzutreten! ..und den Hardlinern damit am Ende nur innenpolitisch die Bälle zuzuspielen.
Von den Kosten, Risiken und all den Opfern eines solchen Krieges haben wir dabei noch gar nicht gesprochen!
Das sind schon schwerwiegende Gesichtspunkte.
Am Ende würde man damit in der derzeitigen Situation auch noch Putin in die Hände spielen, wenn wir dann an einer weiteren Front unterstützen und helfen müssten, China scheint sich indessen - zumindest dem Wortlaut ihrer Rethorik nach - darauf vorzubereiten sich Taiwan einzuverleiben.
Es gibt hier eine Vielzahl von Gründen, weshalb es eine große Scheixxe wäre, jetzt Krieg gegen Iran zu führen - so sehr ich Deine Emotionen dabei auch verstehen kann.
Mein Eindruck ist leider, dass Israel da gerade möglicherweise etwas zu wenig über den Tellerrand ihrer eigenen Interessen hinausschauen könnte...
Wenn ich heute dann z.B. folgendes lese:
"Die iranischen Drohungen gegen Israel kamen am Donnerstag auch in einem Telefonat zwischen US-Präsident Joe Biden und Netanjahu zur Sprache. Biden machte dabei nach Angaben des Weißen Hauses deutlich, dass die USA Israel angesichts dieser Drohungen zur Seite stehen. Die Unterstützung der USA für Israel, sich gegen eine Reihe von Bedrohungen zu verteidigen, bleibe ?unumstößlich?, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/...765648.bild.html
...dann kommt mir irgendwo der Gedanke, dass es beim Schlag auf das Konsulat in Damaskus auch nicht zuletzt darum gegangen sein könnte, über die darauf absehbar folgenden Drohungen Irans, Biden dahin zu treiben, seinen kürzlich etwas eingeschränkteren Support für Israel wieder vergrößern zu müssen.
Diese Kalkül wäre zumindest soweit aufgegangen, dies wäre dabei ein Vorgehen, das ich zwar ebenfalls verstehen, im Hinblick auf die darin zum Ausdruck kommende Rücksichtlosigkeit uns u.U. in einen kontraproduktiven Krieg hineinzutreiben - den wir gerade dringend vermeiden möchten - aber nicht gutheißen kann.
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