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Unglaublich aber wahr!!!!
Moderation Fritz Frey:
Eine Zahl lastet schwer auf Deutschland. 4,6 Millionen Arbeitslose. Diese Zahl zu senken, ist Aufgabe unter anderem der Bundesagentur für Arbeit. Die war viel in den Schlagzeilen in den letzten Jahren. Leider nicht wegen erfolgreicher Arbeit, sondern der Chef ging verloren.
Jetzt gibt es mit Frank-Jürgen Weise einen neuen. Und auf den kommt ? wie sollte es anders sein ? viel Arbeit zu.
Adrian Peter und Sascha Becker sind auf ein Thema gestoßen, das, so finden wir, auf die Tagesordnung von Herrn Weise gehört.
Bericht:
Claudia Schuchardt ist arbeitslos. Die gelernte Hotelkauffrau bemüht sich seit Jahren um eine Stelle, würde so ziemlich jeden Job annehmen. Das Arbeitsamt konnte ihr nichts vermitteln. Stattdessen sollte sie an einer Trainingsmaßnahme teilnehmen.
Claudia Schuchardt:
Sehr subtile, zum Beispiel sehr kurzfristige Einladungen. Einladungen zu Tagen, an denen man vermutet, dass einige Leute sich vielleicht erlauben ein bisschen Urlaub zu machen, heißt, nach Fronleichnam oder nach dem ersten Mai, der auf einen Donnerstag fiel, dann zum zweiten Mai einzuladen. Heißt, damit Säumniszeiten zu erreichen, Geld zu sparen.«
Frage: Ist also die Motivation für diese Einladungen gar nicht die, dass man den Leuten helfen will?
Arbeitsvermittler:
»Das ist mittlerweile meine Überzeugung. Es ist Praxis, es ist Schikane.«
Systematische Schikane also? REPORT Mainz liegt die interne Dienstanweisung des Arbeitsamtes in Bochum vor. Danach sollen Arbeitslose wiederholt zu Informationsveranstaltungen eingeladen werden. Bereits einkalkuliert wird, dass etliche den Termin versäumen und ihnen deshalb das Arbeitslosengeld gesperrt werden kann. Die Einsparung zählt als Erfolg. Günstiger Nebeneffekt: Die Reduzierung der Arbeitslosigkeit, leider nur auf dem Papier.
»Ich hatte Donnerstag ein Schreiben vom Arbeitsamt bekommen, dass ich am Freitag zu einem Informationsgespräch mich beim Arbeitsamt einfinden möchte. Was ich auch tat, und bei diesem Gespräch kam heraus, dass ich am Montag an einem sechswöchigen Seminar teilnehmen muss.«
Claudia Schuchardt sieht sich vor eine unlösbare Aufgabe gestellt. Gerade einmal 48 Stunden bleiben der Alleinerziehenden bis zum Beginn der Maßnahme. Praktisch übers Wochenende soll sie eine Vollzeitbetreuung für ihre zwei Söhne organisieren.
Claudia Schuchardt:
»Die Kinder unterzubringen, alles zu organisieren, das ist einfach unmöglich, das schafft niemand. Und das ging nicht nur mir so, das ging auch etlichen anderen alleinerziehenden Müttern so.«
Claudia Schuchardt versucht dennoch teilzunehmen, doch sie muss mittags die Kinder abholen. Reaktion des Arbeitsamtes: Sie stehe der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Das bedeutet, statt Arbeitslosenhilfe bekommt sie jetzt nur noch Sozialhilfe. Außerdem zählt sie nicht mehr als arbeitslos.
Ein Einzelfall? Wir treffen einen Arbeitsvermittler, er will anonym bleiben. Er erzählt uns von den Methoden, wie Arbeitsämter gezielt versuchen, Arbeitslose um ihre Leistungen zu bringen.
Arbeitsvermittler:
»Das ist keine Statistikfälscherei, sondern schlichtweg die Umsetzung der Gesetzeslage. Arbeitslos ist derjenige, der bestimmte Kriterien erfüllt. Und wenn das Personengruppen sind, die bestimmte Kriterien nicht erfüllen, gelten sie dann auch für uns nicht als arbeitslos.«
Eine Frage der Kriterien also. Stefan Sell war früher selbst Arbeitsamtsdirektor. Dienstanweisungen wie in Bochum hält er für skandalös.
Prof. Stefan Sell, Arbeitsmarktexperte, FH Remagen:
»Was wir derzeit erleben durch diese einseitige Vorgabe, auf Teufel komm raus Geld einzusparen, ist, dass es nur noch darum geht, die Arbeitslosen irgendwie aus dem Leistungsbezug herauszudrängen. Und das auch in Teilbereichen mit nicht sauberen Methoden.«
So soll möglichst vielen zeitweise das Geld gestrichen werden. In Bochum wird sogar eine Verdoppelung dieser Sperrzeiten in einigen Bereichen angeordnet. Zahlungen sollen möglichst sofort vorläufig eingestellt werden.
Frage: Besteht da nicht das Risiko, dass Sie auf Verdacht erst einmal Sperrzeiten verhängen?
Detlef Hesse, Direktor Arbeitsamt Bochum:
»Man kann nicht ausschließen, dass der eine oder andere Mitarbeiter mitunter bei der Zielerreichung auch in solche Konsequenzen hineindenkt. Das ist bei 90.000 Mitarbeitern auch gar nicht zu vermeiden.«
Wir reden von Bochum!
Detlef Hesse, Direktor Arbeitsamt Bochum:
»Und das gilt natürlich dann genau so für Bochum.«
Übereifer mit Folgen. Viele Arbeitslose können überhaupt nicht nachvollziehen, was sie eigentlich falsch gemacht haben.
»Mir wird also vorgeworfen, dass ich mich auf eine Stelle nicht beworben hätte, wo ich mich beworben habe, und auf Grund der Aussage vom Arbeitsamt, ich hätte mich dort nicht beworben, wurde jetzt dann eine Sperrfrist mir angedroht, und bevor ich überhaupt mich dazu äußern konnte, wurde dann das Geld einbehalten.«
Detlef Hesse, Direktor Arbeitsamt Bochum:
»In allen Fällen hat der Arbeitslose ja natürlich die Möglichkeit, gegen solche Verwaltungs-akte Widerspruch oder Einspruch zu erheben. Und dann wird die Sachlage halt noch mal geprüft.«
Prof. Stefan Sell, Arbeitsmarktexperte, FH Remagen:
»Wenn sie zuerst die Leistung einmal sperren und dann dem Arbeitslosen gnädigerweise die Chance geben zu beweisen, dass er nun schuldlos den Job nicht bekommen hat, dann ist das ein Ausnutzen einer Machtstellung, die die Arbeitsagentur gegenüber dem Arbeitslosen hat.«
Bundesweit wurden im vergangenen Jahr 167% mehr Sperrzeiten als im Vorjahr verhängt. Statt Arbeitslose in Arbeit zu vermitteln, wird rausgedrängt. 24% mehr Arbeitslose als im Vorjahr sind aus der Statistik verschwunden. Arbeit haben sie dennoch nicht. Erfolg einer rigiden Geschäftspolitik der Bundesagentur, die die Arbeitsvermittler durchsetzen müssen.
Arbeitsvermittler:
»Es wird sehr genau danach geguckt, wer setzt unsere Geschäftspolitik um. Und zwar eins zu eins. Abweichler, die sich an anderem orientieren, die sagen, also ich muss mich an den Menschen orientieren und muss die Gesamtsituation sehen, die haben derzeit keine guten Karten.«
Frage: Karriere zu machen?
Arbeitsvermittler:
»Oder auch nur die bisherige Position zu behalten. Es wird im Moment auch abgesägt.«
Auf Menschen wie Claudia Schuchardt kann da keine Rücksicht genommen werden. Im Gegenteil. In Bochum zum Beispiel werden sogar gezielt Mütter reihenweise zu Trainingsmaßnahmen eingeladen. Dabei wird unverhohlen einkalkuliert:
Zitat:
»Erfahrungsgemäß steht das unterbreitete Angebot der Verfügbarkeit entgegen.«
Prof. Stefan Sell, Arbeitsmarktexperte, FH Remagen:
»Diese Anweisung ist besonders zynisch. Das Ziel dieser Maßnahme ist, das schwächste Glied hier in der Kette der Arbeitslosen dafür zu instrumentalisieren, Einsparungen beim Arbeitslosengeld zu realisieren.«
Arbeitsvermittler:
»Es geht nicht um die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit. Irgendwie haben sie da keinen Plan mehr, die Politik oder wer auch immer. Es geht darum, die Leute zu bekämpfen.«
Abmoderation Fritz Frey:
Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen: Auch wir wissen, dass es Arbeitslose gibt, die sich auf Kosten der Allgemeinheit einen lauen Lenz machen. Dennoch: Schikanen und Behördenwillkür, das hat kein Arbeitsloser verdient.
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