Jagd auf die »Block Buster« Europas Pharmakonzerne setzen auf das Prinzip: Groß ist gut Von Andreas Knudsen (Neues Deutschland 2.10.06) In der europäischen Pharmaindustrie reiht sich derzeit eine milliardenschwere Fusion an die andere. Ein Ende ist nicht absehbar.
-------------------------------------------------- Der Übernahmevirus grassiert in Europas Pharmaindustrie. Vor wenigen Tagen kaufte der belgische UCB-Konzern das Familienunternehmen Schwarz-Pharma aus Monheim, und die dänische Firma Nycomed die vier Mal größere Pharmasparte des Wettbewerbers Altana. Merck, vor einigen Monaten erst von Bayer im Kampf um Schering überboten, schluckt das Schweizer Biotech-Unternehmen Serono. Ein Ende der Fusionswelle in der Pharmabranche ist aber noch nicht abzusehen. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Studie des Wirtschaftsprüfers Pricewaterhouse Cooper. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass PR- und Consultingfirmen von den hohen Kosten für Beratung und Durchführung der Fusionen profitieren. Allein im Falle Bayer-Schering beliefen sie sich auf 125 Millionen Euro. Branchenkenner und Aktienanalysten sind sich indes in ihrer Bewertung nicht immer einig. So gab es im Falle des Serono-Kaufes durch Merck nicht nur Zustimmung, sondern auch Kritik an der Höhe des Kaufpreises von 10,6 Milliarden Euro sowie Zweifel an der Möglichkeit, »Synergieeffekte« in Form von Kostensenkung tatsächhlich zu erzielen. Alle Firmen hatten bei der Bekanntmachung der Fusionen klargemacht, dass es bei der Reduzierung von Doppelfunktionen Stellenabbau geben werde. Allein im Falle Bayer-Schering soll es um ungefähr 6000 Arbeitsplätze gehen. Bleibt die Frage, warum die Vorstände die finanziellen Reserven ihrer Konzerne für Übernahmen einsetzen oder gar Schulden machen? Die deutsche Pharmaindustrie genießt doch traditionell den Ruf, Medikamente der Weltklasse herzustellen. Sieht man aber auf die globale Top-Ten-Liste, findet sich hier lediglich Bayer, und das auch erst seit dem Schering-Kauf. Den Konzernlenkern scheint derzeit groß ein Synonym für gut zu sein. Ziel ist die Schaffung starker Konzerne, die die finanziellen Muskeln haben, global zu operieren. Dies heißt, neben dem europäischen Markt auch auf den wertmäßig größten Märkten vertreten zu sein: USA und Japan. Das geht aber nur, wenn man eine schlagkräftige und vor allem hinreichend große Verkaufsorganisation in diesen Ländern besitzt. Eine weitere wesentliche Voraussetzung für üppige Gewinne sind umsatzstarke Pharmaerzeugnisse, die noch viele Jahre Patentschutz vor sich haben. Nur so können Maximalpreise gesichert werden, die die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten wieder einspielen. Nach dem Patentablauf gehen in der Regel hohe Marktanteile an preisgünstige Nachahmerprodukte verloren. Selbst bei Großunternehmen wie Merck oder Bayer hapert es aber an solchen »Block Bustern«. Wenn die umsatzstärksten Präparate nur zwei bis drei Jahre patentgeschützt sind und kein Nachfolger vor der Zulassung steht, breitet sich Unruhe aus. Durch Fusionen werden entweder »Block Buster« oder aber Forschungskapazitäten dazugekauft, die sichern sollen, dass in mehrere Richtungen gleichzeitig geforscht werden und so das Risiko minimiert werden kann. Diese Tendenz hat sich inzwischen von den ganz großen Spielern auf die zweite und dritte Reihe ausgedehnt, die beispielsweise die deutsche Pharmaindustrie dominieren. Deshalb sieht Pricewaterhouse Coopers gerade in Deutschland ein großes Potenzial für weitere Fusionen. Es gibt aber auch Unternehmen, die Abstand nehmen vom Fusionswettlauf. Der drittgrößte dänische Arzneimittelproduzent, Leo Pharma, der sich im Besitz einer Stiftung befindet, setzt auf Unabhängigkeit. Das Unternehmen mit 3300 Beschäftigten zieht punktuelle Kooperationen mit den Großen der Branche vor. Anstatt etwa eine Tochtergesellschaft in den USA zu gründen, arbeitet man mit amerikanischen Partnern bei Vertrieb und Marketing zusammen und begnügt sich mit einem kleineren Gewinn. Leo-Chef Ernst Lunding begründet seine Strategie damit, dass ab einer bestimmten Größe Überblick und Effizienz leiden. Klein aber fein lautet Leos Gegen-Botschaft.
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