"Die eine [Virus-Variante] lässt der anderen keinen Platz. Aber ist das so?"
Überall in der Natur und in der freien FDP-Wirtschaft ist das so. Guck dir die Dominanz von Google bei Smartphones und von Facebook bei Sozialen Medien an :-)
Aber im Ernst: Es fällt den Leuten schwer (auch meiner Partnerin) zu begreifen, dass so etwas wie das Corona-Virus, das kein Gehirn und keinen Verstand hat, in der Lage sein soll, eigennützige "Feldzüge" zu unternehmen und "Konkurrenten" auszuschalten.
Selektionsdruck ist jedoch keine rationale Leistung, sondern eine - eher zufällig - perfekte Anpassung an sich veränderte Umwelten. Es überleben immer diejenigen Spezies, die am besten an ihre Umwelt angepasst sind. Darwin hatte das einst bei Studien am Galapagos-Finken herausgefunden.
Kriterium bei Finken, Vögeln, Schlangen und Würmern ist nicht etwa eine wie auch immer geartete Intelligenz, die diese Wesen zu strategischem Handeln befähigte. Kriterium ist vielmehr, wie viele Individuen es jeweils schaffen, aufzuwachsen, die Geschlechtreife zu erlangen und Nachwuchs zu produzieren. Schafft es eine gut angepasste Finkenart (nach Mutationen), eine ganze Insel zu bevölkern, so haben schlechter angepasste Arten, die z. b. kürzere Schnäbel zum Würmerpicken haben, keine Chance mehr. Sie verhungern und sterben aus. Dies ist ein langsamer Prozess, weil zunächst weniger Individuen überhaupt noch die Geschlechtreife erreichen und brüten.
Viren sind RNA-Ketten (teils auch DNA-Ketten), also eine Abfolge von Basen, den Grundbausteinen des Lebens. Dass sie überhaupt für den Menschen relevant sind, liegt daran, dass diese Grundbausteine bei praktisch allen Tieren und Pflanzen auf unserem Planeten dieselben sind. (Darauf basiert auch die menschliche Ernährung - egal ob Steak oder vegan.)
Diese Grundbaustein-Gemeinsamkeit befähigt die Viren, den menschlichen Körper zu okkupieren und Körperzellen für ihre eigene Vermehrung zu missbrauchen. Viren sind klassische Parasiten.
"Wichtig" für das Virus ist, dass es (noch) genügend befallbare Menschen gibt, die für sie als Parasiten zur Verfügung stehen. Ein Virus, dass die Menschen schnell tötet, "arbeitet" daher gegen seine eigenen "Interessen". Es ist zwar sehr effektiv hinsichtlich der Tötung, aber nicht sehr effektiv hinsichtlich der eigenen Verbreitung. Tötung des Wirts ist ein eher kontraproduktives Selektions-Kriterium.
Und wie bei den Galapagos-Finken herrscht bei den Viren ein Wettbewerb um begrenzte Ressourcen. Auf den Inseln sind es eine begrenzte Anzahl Würmer und Fische, für die Viren - als Parasiten - gibt es nur eine begrenzte Anzahl "befallbarer" Menschen. Bei Geimpften sinken die Chancen der Viren, noch Fuss zu fassen.
Ob eine Virus in diesem Wettbewerb gute Chancen hat, hängt auch von den Eigenheiten des menschlichen Immunsystems ab. Es sieht so aus, als gäbe es bei Corona-Viren eine Kreuzimmunität. Das gilt sogar teilsweise für Schnupfen-Viren. Menschen, die gerade Schnupfen haben, sind kurzzeitig vor Corona geschützt, weil deren Körper bereits Abwehrstoffe gegen eine ähnliche Viren-Klasse entwickelt hat, die anderen Viren dieser Klasse gar nicht erst die Chance für einen Befall geben.
Kreuzimmunität gibt es freilich nicht bei genetisch sehr unterschiedlichen Organismen wie Bakterien, die sich in einem von einer Virusinfektion geschwächten Körper sehr wohl - und sogar sehr gut - ausbreiten können. Sie sind den Viren zu unähnlich, als dass es zu einer Kreuzimmunität kommen könnte. Deshalb gibt es bei schweren Corona-Fällen, vor allem wenn die Patienten mit immunsuppressivem Cortison behandelt werden, oft auch zugleich bakterielle Lungenentzündungen.
Unter Corona-, Grippe- und Schnupfen-Viren gilt wegen der Kreuzimmunität jedoch: "Wer zuerst kommt, malt zuerst". Das ergibt einen Selektionsvorteil für besonders ansteckende Varianten, wie es zunächst Delta war und nun Omikron ist.
Das Virus, das am stärksten ansteckt, verbreitet sich somit am effektivsten (häufigsten) in den Körpern, ähnlich wie der durch Selektion am besten angepasste Galapagos-Fink.
Um ansteckender zu sein als andere Viren, müssen Veränderungen her, die diese Eigenschaft hervorrufen. Bei Omikron sind es die 30 mutierten Basen im Stachelprotein. Dadurch ist Omikron auch in der Lage, nach der "wer zuerst kommt, malt zuerst"-Tour Delta zu verdrängen.
Diese Veränderungen (Mutationen) erfolgen rein zufällig. Nur ca. 1 % aller Mutationen bringen einem Individuum Vorteile. Unter Menschen gibt es z. B. viele Behinderte, die in der Mutations-Lotterie das falsche Los gezogen haben. Gäbe es indes diese Mutationen nicht, hätte sich der Mensch aber auch nie aus dem Schimpansen weiter entwickeln können.
Ob eine Corona-Virus durch die Mutionen Vorteile hat, ist ebenfalls eine Lotteriespiel. Auch unter den Viren gibt es viele "Behinderte", die schnell wieder von der Bildfläche verschwinden.
Wenn eine neue Virus-Variante ansteckender ist als andere, ist es in der Lage, die anderen Varianten verdrängen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass ein Virus, das hinsichtlich Ansteckungsgefahr optimiert ist, durch diese Mutationen auch eine größere Gefährlichkeit (für schwere Verläufe) erhält, wie Malko meint.
Bei Delta war es reiner Zufall, dass die höhere Infektiosität zugleich mit hoher oder zumindest gleicher Gefährlichkeit (schwere Krankheitsverläufe) einherging.
Statistisch wesentlich wahrscheinlicher ist, dass eine Virus-Mutation, die hinsichtlich Ansteckung besonders erfolgreich sind, nicht gleichzeitig auch auf Gefährlichkeit (schwere Krankheitsverläufe) optimiert ist.
Denn das Selektionskriterium für Viren ist eine möglichst effektive Verbreitung, nicht aber ein möglichst schwerer Krankheitsverlauf. Letzterer kann sich sogar "evolutionär" nachteilig für das Virus auswirken, weil die befallenen Menschen zu früh sterben und diese das Virus somit an nicht an viele andere Menschen weitergeben können.
GENAU DAS scheint bei Omikron nun der Fall zu sein. Dieses Virus ist ansteckender, aber die Krankheitsverläufe sind vergleichsweise mild. Omikron hat auffallend viele Mutationen, nicht nur die 30 im Stachelprotein, die es ansteckender machen. Es hat auch Mutationen in anderen Bereichen, die für den Schweregrad des Krankheitsverlauf "zuständig" sind - und im Fall von Omikron die Krankheit offenbar (zufällig) milder verlaufen lassen. Der Schwergrad des Krankheitsverlaufs ist kein besonders effektives Selektionskriterium für Viren.
So sorgt die Natur dafür, dass die Menschheit am Ende von der Geißel "tödliche Corona-Viren" erlöst wird. Die Viren veschwinden zwar nicht von der Bildfläche, aber sie mutieren sozusagen zu mittelschweren Grippe-Viren.
Das ganze aktionistische Geruder der Menschheit mit eher nutzlosem Hände-Sterilisieren, eher nützlichem Masken-Tragen und eher nützlichem Impfen war im Grunde nicht wirklich zielführend. Es brachte nur den dringend erforderlichen zeitlichen Aufschub. Die Menschen wollte mit der Impfung dafür sorgen, dass die Intensivstationen nicht überlastet werden, was ja auch teils geklappt hat. Vor allem aber war der Faktor Zeit in dem Sinne wichtig, dass sich Mutationen wie Omikron entwickeln konnten, die dem Spuk auf natürliche Weise ein Ende bereiten.
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