Die Frage ist letztlich, was die Erfolgskriterien für ein Unternehmen sind:
Geschäftsmodell: Sehr wichtig. Da könnte auch bei Cegedim etwas gehen. Das Unternehmen wird auch kaum beschadet durch die Coronakrise kommen. Ich denke, da gibt es keine zwei Meinungen.
Markt: Hier sehe ich einen limitierenden Faktor, weil in den Stammmärkten bereits ein hoher Marktanteil erreicht wurde und die Produkte nicht so einfach auf andere Kundengruppen umgestaltet werden können. Zuletzt hieß es, man wolle das Outsourcing Modell in Rumänien etablieren, was ich skeptisch sehe. Das Wachstum war zuletzt aber befriedigend, das Unternehmen hat also einiges gut gemacht die letzte Zeit.
Liquidität: Kritisch. Ende 2019 überstiegen die kurzfristigen Verbindlichkeiten die kurzfristigen Forderungen. Die meisten CFOs werden bei so einer Bilanzstruktur ausgetauscht. Cash sehr schwach. Das engt Spielräume für künftige Entscheidungen ein.
Stabile Bilanz: Eher nicht. Neben dem o. g. Problem der negativen (kurzfristigen) Liquidität besteht ein (immaterieller) Goodwill nahezu in Höhe des Eigenkapitals. In 2018 wurde dieser gar nicht abgeschrieben und in 2019 in Höhe von ca. 1%. Banken geben offenbar keinen Kredit, die Finanzierung erfolgt über den Hauptaktionär Labrune.
Professionalität/Management: Der für mich kritische Punkt. Auf mich wirkt es so, dass das Unternehmen in erster Linie der Selbstverwirklichung des Hauptaktionärs dient. In diesem Klima werden häufig die Gehorsamen und nicht die Besten rekrutiert und gefördert. Damit entsteht dann z. B. Chaos in den Bilanzen, was teilweise nur mit Mühe von Fälschung getrennt werden kann. Die Anleger können gottfroh sein, dass die Bilanzpraktiken nicht ähnlich im Fokus stehen wie bei Wirecard, ansonsten könnte der Kurs hier auch einstellig sein (erhaltene Anzahlungen wurden z. B. dem Cash Flow zugerechnet).
In 2019 stiegen die Revenues um 7,7%, die Personalkosten um fast 9%. Trotz gestiegener Revenues verschlechterte sich das Ergebnis. Mit dem zusätzlichen Umsatz wurde zuletzt ein völlig unbefriedigendes Ergebnis erzielt.
Risiken: Prima durch Corona gekommen, da mache ich mir auch die nächsten Monate keine Sorgen. Aber was ist der Benchmark? TUI? Eher nicht. Und wenn ich mir gut geführte Unternehmen der Branche ansehe (Bechtle, Salesforce, Microsoft) kann auch aus der Kursentwicklung abgelesen werden, dass hier etwas fehlt.
Das Risiko bei Cegedim steckt in der Goodwill-Abschreibung. Da dürfte es in 2020 harte Kämpfe mit den Wirtschaftsprüfern geben, denn nicht jede der vielen Akquisitionen wird den Erlös beisteuern, der beabsichtigt war.
Fazit für Dienstag: Die Revenues sind bei Cegedim eine, aber nicht die entscheidende Größe. Wichtiger ist, dass Cash hängen bleibt und die finanziellen Spielräume nicht weiter eingeengt werden. Und diese Info wird es (noch) nicht geben.
Aktionäre sollten hoffen, dass der alte Labrune die Führung abgibt. Dann gäbe es hier ein ordentliches Kurspotenzial. Bis dahin gehe ich weiterhin von einer müden Seitwärtsbewegung aus.
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