AUSBLICK 2012: Fünftes Jahr Bankenkrise - Geschäftsmodelle wackeln
13:05 07.01.12
FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Krise der Banken geht ins fünfte Jahr. Die Situation bleibt angespannt, obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) zuletzt so viel Geld wie nie in die europäischen Geldhäuser pumpte. Gleich im Januar wird es wieder ernst: Dann müssen die Sorgenkinder des jüngsten Stresstests erklären, wie sie ihre teils riesigen Kapitallücken schließen wollen. Ist das geschafft, stellt sich eine viel tiefergehende Frage: Wie wollen Banken angesichts der strengeren Kapitalvorschriften künftig Geld verdienen?
Einen Brandherd hat die EZB zumindest vorerst wohl gelöscht. Mit der unglaublichen Summe von fast einer halben Billion Euro, die sie den Geschäftsbanken unter den Weihnachtsbaum legte, dürften deren Refinanzierungssorgen erstmal vom Tisch sein. Insgesamt müssen die europäischen Institute nach Expertenschätzungen im kommenden Jahr rund 725 Milliarden Euro Schulden zurückzahlen. Angesichts des großen Misstrauens der Banken untereinander wäre dies ohne die EZB ein schwieriges Unterfangen.
Mit der frischen Liquidität ist aber das nächste Problem der Geldhäuser nicht gelöst. Ihre Kapitalstruktur hat sich dadurch nämlich überhaupt nicht verändert. Um auf die von der europäischen Bankaufsicht EBA geforderte harte Kernkapitalquote von neun Prozent zu kommen, brauchen Europas Banken rund 115 Milliarden Euro - allein sechs deutschen Großbanken fehlen insgesamt 13,1 Milliarden Euro.
Notfalls muss der Steuerzahler wieder einspringen. Die Bundesregierung hat den Bankenrettungsfonds Soffin bereits wieder reaktiviert. Als Kandidat gilt vor allem die ohnehin noch zu gut einem Viertel im Staatsbesitz befindliche Commerzbank (Commerzbank Aktie), die eine Lücke von 5,3 Milliarden Euro füllen muss. Neuerliche Staatshilfe will Konzernchef Martin Blessing aber unbedingt vermeiden. Er hat sein persönliches Schicksal bei der Bank damit verknüpft, dass er den Kapitalbedarf aus eigener Kraft stemmt.
Unter Europas Großbanken hat bisher nur die italienische Unicredit (Profil) eine Kapitalerhöhung angekündigt, um ihr Eigenkapital zu stärken. Die am Mittwoch veröffentlichten Details der 7,5 Milliarden Euro schweren Maßnahme zeigt wie schwer es für die Banken derzeit ist, am Kapitalmarkt Geld zu beschaffen. Das Papier brach seitdem deutlich ein und zog auch die anderen Bank-Aktien nach unten.
Allein durch die Nichtverlängerung von Krediten dürften es viele Banken nach Expertenansicht nicht wie gefordert bis Ende Juni 2012 schaffen, ihre Bilanzen im erforderlichen Maße zu verkleinern. Und so wird erwartet, dass etliche Institute große Kreditpakete auf den Markt werfen könnten. Die Folge: Die Preise würden fallen und Banken müssten neuerliche Verluste hinnehmen.
Nutznießer könnten neben Versicherungen vor allem Hedgefonds sein. Damit würden viele Kredite in ein kaum reguliertes Schattenreich abwandern. Dadurch hätte die Allgemeinheit nichts gewonnen, die Banken aber hätten viel verloren, warnen Bankvertreter. Inzwischen wird dem Vernehmen nach auch darüber gesprochen, den Banken etwas Zeitdruck bei der Stärkung ihrer Bilanz zu nehmen.
Die Dauerkrise geht bei vielen Häusern längst ans Eingemachte. Vor allem das schwankungsanfälligen Investmentbanking - jahrelang Garant von Mega-Gewinnen - wird vielerorts zusammengestrichen, zehntausende von Bonuszahlungen verwöhnte Mitarbeiter müssen gehen.
Der scheidende Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann prophezeit der Branche ein "unruhiges Jahrzehnt". Wer immer noch glaube, die Branche könne zu ihrem Geschäftsgebaren von vor der Finanzkrise zurückkehren, "sollte sich schleunigst eines Besseren besinnen". Die Zeiten einfacher Gewinne sind seiner Ansicht nach vorbei. Das zwingt die Institute zu einer Neuausrichtung ihrer Geschäftsmodelle. Vor allem die lange vernachlässigten Privatkunden gelten dabei als begehrte Klientel. Das wäre dann keine schlechte Folge der Dauerkrise./enl/ben/zb --- Von Erik Nebel, dpa-AFX ---
Quelle: dpa-AFX
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