Plötzlich findet die Börse Bezahldienste sexy
Das digitale Geld wird immer beliebter. Nun kommen die größten Börsengänge des Jahres aus einer verborgenen Ecke des Bankenviertels. Auch aus Deutschland mischt ein innovativer Bezahldienst mit.
Menschen zahlen immer mehr mit Kreditkarte - gut für die Bezahldienste.
Am vergangenen Dienstag kannte David Cameron kein Halten mehr. Der britische Premierminister schaffte es, in seine kurze Twitterbotschaft über den Börsengang des Zahlungsverkehrabwicklers Worldpay lauter Superlative zu packen. Er pries ?den größten Börsengang überhaupt? eines britischen Unternehmens aus der Finanztechnologie (Fintech), er lobte das Vertrauen in die einheimische Wirtschaft und rühmte das Vereinigte Königreich als ?führenden Standort in der Welt?. Doch kaum war Camerons Jubelarie auf den größten Börsengang des Jahres in London verhallt, folgten schon die nächsten aufregenden Meldungen. Diesmal allerdings aus Amerika, dem anderen führenden Standort in der Fintech-Welt. Auch die dortigen Bezahldienste machen mobil.
Am Donnerstag sorgte erst First Data als viertgrößter Zahlungsabwickler der Welt für den bislang größten New Yorker Börsengang in diesem Jahr, dann verkündete das Start-up-Unternehmen Square, dass es demnächst aufs Parkett strebt. Während die Platzhirsche eifrig Geld einsammelten - Worldpay 2,2 Milliarden Pfund, First Data 2,6 Milliarden Dollar -, peilt Herausforderer Square 275 Millionen Dollar an. ?Es ist gerade eine Menge los auf dem Transaktionsmarkt?, sagt Lars Dannenberg, Analyst bei der Hamburger Privatbank Hauck & Aufhäuser.
Verluste ausgleichen oder Schulden abbauen
Was die drei Bezahldienste über den vollzogenen oder geplanten Börsengang hinaus gemein haben: Sie wollen mit den Einnahmen vor allem Verluste ausgleichen oder Schulden abbauen. Den größten Schuldenberg hat First Data mit 21 Milliarden Dollar angehäuft, was offensichtlich auf viele potentielle Investoren abschreckend wirkte. Die 160 Millionen ausgegebenen Anteilsscheine kamen zu jeweils 16 Dollar an die Börse - und damit unterhalb der erhofften Preisspanne von 18 bis 20 Dollar. Immerhin konnte das Unternehmen als positiv verbuchen, es in diesen turbulenten Börsenzeiten überhaupt aufs Parkett geschafft zu haben. Das Gleiche gilt für Worldpay, das sich über eine mangelnde Nachfrage der Anleger nicht beklagen konnte, die Aktien für jeweils 240 Pence auf den Markt brachte und damit in der Mitte der Preisspanne blieb. Die Börsengänge der beiden Bezahldienste sollten andere Unternehmen ermutigen, ihre Börsenpläne ebenfalls umzusetzen, sagen Marktbeobachter.
Normalerweise gehören Zahlungsabwickler nicht zu jenen Fintechs, um die ein großer Bohei gemacht wird. Schließlich sind sie keine jungen, forschen Herausforderer, die Schwächen der Banken ausfindig machen, ausnutzen und technische Lösungen entwickeln und somit die Geschäftsmodelle der Geldinstitute gefährden. Bezahldienste agieren eher im Verborgenen. Einige gibt es schon, seit die Kreditkarte ihren Siegeszug antrat: First Data wurde 1971 gegründet und gehörte viele Jahre zu American Express, Worldpay war stets Teil der Royal Bank of Scotland, ehe der Zahlungsabwickler im Zuge der Finanzkrise und der Verstaatlichung der Bank 2010 an Finanzinvestoren verkauft wurde. Seit ihrem Bestehen stellen diese Bezahldienste Händlern jeglicher Art und Größe die Technologie zur Verfügung, damit elektronische Zahlungen reibungslos vonstattengehen und das Geld des Käufers auch sicher ankommt. Darüber hinaus bereiten sie Geschäftsdaten für die Händler auf. Ein Kunde merkt von alldem nichts, wenn er ein Buch oder ein paar Schuhe bei einem Online-Händler erwirbt.
Worldpay, First Data, Square und andere Bezahldienste werden hoch bewertet, weil sie von einem schier unaufhaltsamen Trend profitieren. Immer mehr Menschen kaufen im Internet, bezahlen also nicht bar, sondern per Karte, über einen Computer oder ein Smartphone. First Data wickelt schon jetzt 2300 Zahlungen je Sekunde ab, bei Worldpay sind es 360. Zu den 400.000 Kunden des britischen Anbieters gehören nicht nur eine Reihe von Konzernen, sondern viele mittlere und kleinere Betriebe: darunter 16.000 Friseursalons, 24.000 Restaurants und 900 Kneipen.
Mobile Payment nimmt stetig zu
Square, das seinen Geschäftspartnern ein Kreditkartenlesegerät zur Verfügung stellt, das an ein Mobilgerät angeschlossen wird, verdient in Amerika vor allem an kleineren Unternehmen und Selbständigen wie Taxifahrern oder professionellen Hundesittern. Schlecht läuft die Kooperation mit der Kaffeehauskette Starbucks, die vor drei Jahren als toller Deal gefeiert wurde. Sie bringt Square täglich Verluste ein und verweist auf ein Grundproblem dieses Bezahldienstes: Je stärker die Zahlungen wachsen, desto größer werden die Transaktionskosten. Gleichwohl preist Jack Dorsey, Chef von Twitter und Square in Personalunion, sein Start-up als ?einen der gerechtesten und wirkungsvollsten Bezahldienste der Welt?. Im Vergleich mit First Data, das im vergangenen Jahr Zahlungen im Wert von 1,9 Billionen Dollar abwickelte, erscheint Dorseys Fintech mit seinen 24 Milliarden Dollar eher als Zwerg.
Fraglich ist, wie sich Square mit seinen engen Margen auf dem immer umkämpfteren Markt behauptet. Auch Unternehmen wie Amazon und Paypal bemühen sich mittlerweile verstärkt um kleinere und mittelständische Händler. Zudem setzt sich die technische Entwicklung rasant fort. Mobile Payment nimmt stetig zu, in den Geschäften der realen Welt setzt sich kontaktloses Bezahlen (?Near Field Communication?) durch, in wenigen Jahren kommt noch die Gesichtserkennung hinzu. Bei einer Kartenzahlung an der Kasse wird das Gesicht des Kunden erfasst, gespeichert und beim nächsten Einkauf mit den verfügbaren biometrischen Daten abgeglichen. Dies soll dabei helfen, Kartenmissbrauch zu verhindern. Worldpay experimentiert, wie einige andere Zahlungsabwickler, bereits mit einer entsprechenden Software.
?Wirecard hat ein viel stärkeres Wachstum und viel stärkere Margen?
Einer der erfolgreichsten und zugleich innovativsten Bezahldienste kommt aus Deutschland. Wirecard aus dem bayerischen Aschheim ist der Konkurrenz in einiger Hinsicht voraus. Das Tec-Dax-Unternehmen ist seit 2006 an der Börse notiert, ist in den vergangenen Jahren stark nach Asien expandiert und bietet ständig neue Innovationen wie beispielsweise ein Armband als digitale Geldbörse. Zudem kann Wirecard seinen großen und kleineren Kunden einen umfassenden Service bieten, weil es über eine Banklizenz verfügt. Die Bayern sind zuletzt um rund 23 Prozent gewachsen und damit viel schneller als beispielsweise der europäische Konkurrent Worldpay mit rund zehn Prozent. Der Grund: Wirecard wickelt Zahlungen ausschließlich im Internet ab und profitiert damit vollends von den zweistelligen Zuwächsen im E-Commerce. Der britische Börsenneuling dagegen ist im Online-Handel weit weniger aktiv als im stationären Handel, der jährlich nur um knapp zwei Prozent zulegt. ?Wirecard hat ein viel stärkeres Wachstum und viel stärkere Margen?, sagt Analyst Dannenberg, ?und das wird mittelfristig so bleiben.?
Der Börsenwert beider Unternehmen liegt jeweils bei rund fünf Milliarden Euro; bei den Transaktionsvolumen spielt Worldpay in einer anderen Liga. Wirecard kommt auf 34 Milliarden Euro, Worldpay auf das Zehnfache. Marktbeobachter weisen allerdings darauf hin, dass die Briten vor allem auf den heimischen Markt ausgerichtet und hochverschuldet sind. ?Worldpay ist durch den Börsengang nur bedingt schlagkräftiger geworden?, sagt Commerzbank-Analystin Heike Pauls. Das Debüt auf dem Parkett kann als durchaus gelungen bezeichnet werden: Die Worldpay-Aktie legte am Freitag um 1,8 Prozent zu. David Camerons Überschwang wurde also von vielen Anlegern geteilt.
Quelle: FAZ
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