'...Da aber Ideologiekritik, die ja selbst der Ideologie zugerechnet werden muß, Ideologie im Grunde immer nur dann kritisieren kann, wenn dieser ihre Notwendigkeit abhanden gekommen ist, wenn also sie, die Ideologiekritik, sich bereits aus anderen ideologischen Quellen speist, das heißt von einer anderen Notwendigkeit zehrt, gibt es für die landläufige Ansicht, Ideologiekritik löse falsche Vorstellungen auf, geradezu chronischen Anlaß.
Gleichwohl hat das eine, die kritische Erarbeitung der Notwendigkeit des falschen Bewußtseins, mit dem anderen, der Auflösung falscher Vorstellungen, nichts bzw. nur in umgekehrter Richtung zu tun: Dadurch daß die kritisierte Vorstellung, anstatt von der ihr nachgewiesenen Notwendigkeit in irgendeiner Weise zu profitieren, sich pflichtschuldigst auflöst, entlarvt sie die Kritik als Nachfolgeideologie, mit allen Konnotationen und Konsequenzen eines notwendig falschen Bewußtseins.
Indem die Ideologiekritik aber in jeder ihrer kritischen Aktionen ihren Gegenstand, falsches Bewußtsein, nur nach der Seite seiner Freiheit oder Willkür auflöst, nach der Seite seiner Notwendigkeit aber affirmiert, zerstört sie ihren ureigenen Geschäftsbereich, nämlich Ideologie. Sie sägt den Ast ab, auf dem sie als Ideologiekritik sitzt, und verwandelt sich in materialistische Theorie.
Das ist sozusagen der Trost oder die Belohnung dafür, daß sie den Bereich, für den sie sich kompetent fühlt ? kein Wunder, ist sie doch selbst Ideologie ? und in dem sie erfolgreich zu wüten gewohnt ist, im Moment ihres Tätigwerdens bereits verlassen und sich auf ein Terrain begeben muß, wo der Schein, es trete in ideologiekritischen Debatten richtiges gegen falsches Bewußtsein an, verfliegt....'
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