Handelsriese
Zerschlagung von Arcandor ist in vollem Gange (2) Von Karsten Seibel und Hagen Seidel 11. September 2009, 11:47 Uhr
Arcandor ist auf einen Schlag alle Schulden los: Die Gläubigerbanken haben nun den einzigen Gewinnbringer Thomas Cook verkauft. Dadurch dürfte ein Verkauf des angeschlagenen Konzerns wesentlich leichter fallen. Die Versandsparte Quelle kann unterdessen bis zum Jahresende weiterarbeiten.
Der Touristikanbieter Thomas Cook gehört nicht mehr zum insolventen Essener Arcandor-Konzern. Die drei Banken Royal Bank of Scotland, Commerzbank und BayernLB verkauften den an sie verpfändeten Aktienanteil von knapp 44 Prozent über die Londoner Börse. Der Stückpreis von 240 britischen Pence pro Aktie brachte den Banken einen Gesamterlös von bis zu 1,04 Mrd. Euro.
Damit dürften die Schulden von Arcandor, die zuletzt 940 Mio. Euro betragen hatten, abgelöst sein. Wahrscheinlich bleibt sogar noch ein zweistelliger Millionenbetrag übrig. Auf jeden Fall können die Institute durch den hohen Verkaufserlös nicht mehr auf die als Extra-Sicherheit verpfändeten Gesellschafterrechte für Karstadt und Quelle zugreifen. Das dürfte die Verkaufschancen für die Firmenteile durch den Insolvenzverwalter deutlich erhöhen.
Mit dem Verkauf des letzten Gewinnbringers ist allerdings der frühere Handels- und Touristikkonzern Arcandor tatsächlich zerschlagen. Die Reisesparte trug zuletzt mit 11,5 Mrd. Euro mehr als die Hälfte zum Konzernumsatz bei. Jetzt sind nur noch die Problemsparten Karstadt und Primondo/Quelle übrig. Für sie sucht Insolvenzverwalter Klaus-Hubert Görg mit Hilfe zweier Investmentbanken Käufer.
Ein größerer Anteil von ursprünglich 8,8 Prozent der Thomas-Cook-Aktien, den sich Gläubiger einer Arcandor-Anleihe als Pfand gesichert hatten, liegt noch auf einem Treuhandkonto bei der BayernLB. Ob sich die Gläubiger zu einer gemeinsamen Verwertung entschließen, ist noch unklar.
Der Kurs der Arcandor-Aktie stieg zeitweise um acht Prozent. Dieses Plus könnte auch mit den Fortschritten bei der Finanzierung von Quelle zu tun haben. Offenbar einigten sich in der Nacht zum Donnerstag die beteiligten Banken Valovis, Commerzbank und Bayern LB grundsätzlich auf eine Kreditzusage von 438 Mio. Euro. Somit könnte der insolvente Versender sein Weihnachtsgeschäft finanzieren. Die Konditionen für dieses so genannte Factoring-Geschäft sollen nach einer Erhöhung jetzt wieder denen aus der Zeit vor dem Insolvenzantrag Anfang Juni entsprechen. Unterschrieben ist die neue Vereinbarung aber offenbar immer noch nicht. Wie so oft bei Quelle ziehen sich die Gespräche hin. Jetzt soll es noch um die Risikoverteilung zwischen den drei Instituten gehen.
Die alte Vereinbarung zwischen den Banken war in der Nacht zum Donnerstag ausgelaufen. Deshalb hat Valovis abermals die Zahlungen an Quelle gestoppt. Die Bank bezahlt die Rechnungen, die Quelle an die Besteller schickt, innerhalb weniger Tage. Dafür bekommt die Bank, die das Geld dann bei den Kunden eintreibt, eine Gebühr vom Versender. Ob das Quelle-Geschäft weiterläuft, falls sich die Banken nicht einigen sollten, ist unklar. Fest steht jedoch schon jetzt der Abbau von 3700 der 10 500 Primondo-Jobs.
Die erfolgreiche Platzierung der 376 Mio. Thomas Cook-Aktien wurde von den Banken mit Erleichterung aufgenommen. "Nach wochenlanger Vorbereitung sind wir die Aktien nun doch noch zu einem guten Preis losgeworden", sagte eine mit den Verhandlungen vertraute Person. Zuvor war eine Reihe von Gesprächen mit strategischen Investoren gescheitert. Zu den Interessenten sollen neben dem Handelskonzern Rewe auch das Thomas-Cook-Management um Manny Fontenla-Novoa gehört haben.
Am Mittwochabend hatte die BayernLB, die Commerzbank und die Royal Bank of Scotland mit der breiten Platzierung des 44-Prozent-Aktienpakets bei Investoren begonnen. Das Paket war Pfand für einen 1,5 Mrd. Euro großen Kredit an den mittlerweile insolventen Handelskonzern Arcandor, von dem zwischenzeitlich rund 600 Mio. Euro zurückgezahlt worden waren.
Sprecher der BayernLB. Der Börsenkurs von Thomas Cook habe trotz der Platzierung einer so großen Anzahl von Aktien sogar zugelegt. In der Tat ist der Kurs der in London gelisteten Aktien seit Mitte August in einem allgemein freundlichen Markt um 20 Prozent gestiegen. "Warum hätten wir da mit der Platzierung noch warten sollen", sagte der BayernLB-Sprecher. Es sei schließlich um Geld gegangen, das bei den Banken ausstand.