diskreditieren."
Stohler-Interview mit dem Spiegel http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,778410,00.html
Er hat schon vieles erlebt in der Eisenbahn-Welt - aber keinen Streit wie um Stuttgart 21. Im Interview erzählt SMA-Chef Werner Stohler, warum sein Unternehmen gemeinsam mit Schlichter Geißler einen Kompromissvorschlag präsentiert hat und wundert sich über das Niveau der Kritiker.
SPIEGEL ONLINE: Im Moment steht Heiner Geißler massiv wegen eines Goebbels-Zitats in der Kritik - wie sehr schadet das Ihrem gemeinsamen Kompromissvorschlag im S-21-Streit?
Werner Stohler: Das kann ich nicht einschätzen. Aber es ist schon möglich, dass es manchem S-21-Fan gelegen kommt, Geißler zu diskreditieren - und damit unseren gemeinsamen Vorschlag. Das würde einmal mehr zeigen, dass es in dem Streit weniger um die Fakten geht, als um andere Dinge.
SPIEGEL ONLINE: Die Kritiker der Kombi-Variante tun so, als ob sie nicht das Papier wert sei, auf dem sie steht.
Stohler: Da bin ich ganz gelassen - und frage nach den Kriterien, die unsere Kritiker zu diesem Urteil bringen.
SPIEGEL ONLINE: Vor allem sagen sie: Das ist ein alter Hut - der bereits vor 15 Jahren zu den Akten gelegt wurde.
Stohler: Aber was waren damals die Kriterien, Mitte der neunziger Jahre? Und inwiefern hat sich der Bewertungskontext inzwischen geändert? Eines ist doch klar: Die Kombi-Variante erfüllt die zentrale Forderung an den Bahnhof - nämlich die Kapazitätssteigerung.
SPIEGEL ONLINE: Inwiefern?'
Stohler: Indem schneller und langsamer Verkehr getrennt wird. Dadurch gibt es viel weniger Durcheinander und einen deutlich stabileren Verkehr. Konkret würde man die beiden ICE-Strecken - die existierende von Mannheim und die geplante nach Ulm - über einen neuen Tiefbahnhof miteinander verbinden. Und gleichzeitig könnte man die noch freien Kapazitäten für schnellen Nahverkehr auf diesen Strecken nutzen. Dadurch ergäben sich ganz neue Perspektiven für ein landesweites, schnelles Nahverkehrsnetz. Und: Alle diese Züge fahren am Flughafen vorbei.
SPIEGEL ONLINE: Was ist mit den Kosten?
Stohler: Die Investitionskosten sind deutlich kleiner - dem ist gegenüber zu stellen, was für die Erhaltungs-Investitionen im alten Kopfbahnhof aufzuwenden wäre. Und dann ist da natürlich noch die Frage nach den Unterhaltungskosten des kombinierten Bahnhofs. Insgesamt wäre die Anlage wohl größer als der S-21-Bahnhof. Das muss man jetzt genau durchrechnen.
SPIEGEL ONLINE: Was spricht gegen Ihr Konzept?
Stohler: Stuttgart 21 ist ja nicht nur ein Bahn-Projekt. Ich habe bloß über die eisenbahnerische Dimension gesprochen - und noch gar nicht alle Vorteile aufgezählt. Was die städtebauliche Seite angeht, ist klar: Mit S21 würde man sämtliche Gleisanlagen aus dem Stuttgarter Zentrum entfernen, weil man alles unterirdisch legt. Das könnte unser Konzept nicht leisten, sondern nur teilweise. Denn es würde mit der Kombivariante auch weniger Kopfgleise geben.
SPIEGEL ONLINE: Die Gegner bemängeln auch, dass die Kombi-Variante neue Planfeststellungsverfahren nötig machen würde, die nochmals viele Jahre dauern
Stohler: Was zu beweisen wäre. Das Konzept baut ja in hohem Maße auf bereits bewilligten Vorhaben auf, doch kann man auf Teile davon verzichten. Was neue Verfahren angeht: Die wären natürlich davon abhängig, wie sehr sich die Partner um den Kompromiss scharen würden. Solche Verfahren dauern ja nur dann lange, wenn es viele Einsprüche gibt. Im Übrigen: Selbst bei S21 gibt es Teilelemente, die immer noch nicht bewilligt sind.
SPIEGEL ONLINE: Mit anderen Worten: Der Widerstand gegen den Kombi-Vorschlag ist aus Ihrer Sicht rein politisch motiviert - und nicht fachlich?
Stohler: War das in der Auseinandersetzung um S21 je anders? Ich habe bisher nicht sehr viele qualifizierte Debatten miterlebt bei diesem Thema.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben S21 für die Bahn auditiert - und gleichzeitig einen neuen Vorschlag erarbeitet. Die Bahn dürfte darüber nicht begeistert gewesen sein.
Stohler: Bis in mein Büro ist noch nichts vorgedrungen. Aber ich habe volles Verständnis, wenn die Bahn jetzt nichts aus dem hohlen Bauch heraus sagt. Die müssen ja auch erst mal prüfen, und das ist ziemlich komplex.
SPIEGEL ONLINE: Die S-21-Gegner sehen Ihre Gutachter-Aufgabe für die Bahn kritisch. Hat SMA den Kompromiss aus schlechtem Gewissen erarbeitet, weil man zuvor zu sehr mit der Bahn gekuschelt hat?
Stohler: Da kann ich nur lachen. Wir arbeiten mit Fakten und sind so unabhängig, wie eine Unternehmung sein kann. Darauf sind wir stolz. Nein, das ist Quatsch.
SPIEGEL ONLINE: Woher stammt also Ihre Motivation, Arbeit in einen Kompromissvorschlag zu stecken?
Stohler: Das hat viel mit Herrn Geißler zu tun und seinem Wunsch, das Schlichterverfahren nicht in einem Zustand zu hinterlassen, wie es sich am Freitagabend darstellte. Es ließ sich ja erahnen, wie festgefahren die Fronten sein würden. Unser Vorschlag enthält ein Angebot für beide Seiten. Aber wir wissen bisher nicht einmal, wer und ob uns dafür jemand bezahlen wird.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind seit Monaten mittendrin im S-21-Streit. Wagen Sie eine Prognose, wie die Sachen ausgehen wird?
Stohler: Nein. Weil das abhängig von der Haltung aller sein wird, die an dem Prozess teilgenommen haben. Der Berater kann Ideen liefern - aber irgendwann ist seine Aufgabe beendet, dann entscheidet die Politik. Und ich habe viele Fälle erlebt: Manchmal wurde unser Rat befolgt, manchmal nicht.
SPIEGEL ONLINE: Ganz ehrlich: So was wie in Stuttgart haben Sie bisher noch nicht erlebt, oder?
Stohler: Nein, in dieser Unerbittlichkeit nicht .
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