Zunächst: Ich bewerte alle Parteien, egal ob sie nun PDS, NPD oder wie auch immer heißen, stets aus einem demokratischen Blickwinkel.
Die Frage, ob die SED aufgelöst oder nur in PDS umbenannt wurde, ist keineswegs kleinkariert. Wäre die Existenz der PDS beendet und eine neue sozialistische Partei gegründet worden, hätte man einen klaren Schnitt vollzogen und signalisiert, mit der Vergangenheit abgeschlossen zu haben. Dann hätte man auch "neue sozialistische Alternativen" glaubwürdig in die Diskussion einbringen können. Außerdem wäre es dann möglich gewesen, die eigenen Parteimitglieder gezielt auszuwählen, während sie bei Weiterführung der SED als PDS 1:1 übernommen werden mußten. Im ersten Fall hätte man Alt-Kadern der SED einfach die Aufnahme verweigern können, was nach dem Parteiengesetz auch ohne Begründung möglich ist. Im zweiten Fall ist man gezwungen, unliebsame Mitglieder auszuschließen, was aber schwierig und langwierig ist, und von der PDS meines Wissens nach abgesehen von Einzelfällen denn auch nie gemacht worden ist. Ob der Verzicht auf eine Auflösung der SED tatsächlich nur den Grund hatte, seitens der PDS auf Vermögenswerte der alten Staatspartei Zugriff zu nehmen, ist zu bezweifeln. Lange Rede, kurzer Sinn: Die Auflösung der SED und die Neugründung von mir aus als PDS wäre die sauberere Lösung gewesen und hätte die Vermutung, daß es sich bei der PDS um eine demokratische Partei handelt, sicherlich gestützt.
Sozialistische Demokratie: Im demokratischen Sozialismus - und diese Erkenntnis läßt sich einfach aus der Begriffsdeutung ableiten, dazu muß ich gar nicht auf die Verhältnisse in der DDR abstellen - ist der Sozialismus sozusagen die Geschäftsgrundlage. Ein demokratischer Wettbewerb kann hier nur im Rahmen der vorgegebenen sozialistischen Gesellschaftsordnung stattfinden. Der Sozialismus als solcher darf deshalb nicht in Frage gestellt werden. Parteien, die andere Gesellschaftskonzepte propagieren (z.B. Liberalismus), haben in einem demokratischen Sozialismus somit keine Existenzberechtigung, werden also ausgegrenzt bzw. gelichgeschaltet.
Das Konstrukt des "demokratischen Sozialismus" erinnert stark an die Definition, die Karl Marx zum Begriff der "Kritik" gegeben hat: Nach Marx ist Kritik auch im Sozialismus erlaubt, wenn diese Kritik dazu dient, noch vorhandene Schwächen im Sozialismus aufzudecken, um die Lage ständig zu optimieren und den Übergang zum Kommunismus letztlich zu beschleunigen. In keinem Fall darf aber die Kritik den Sozialismus als solches in Frage stellen. Ausgehend von der Logik des Historischen Materialismus, also der von Marx und Engels propagierten deterministischen Geschichtslehre, ist ?demokratischer Sozialismus? nur eine raffinierte Wortklauberei, da sich dahinter nichts anderes als der Sozialismus in seiner klassischen Form verbirgt. Das Problem ist eben, daß der Marxismus ein völlig anderes Demokratieverständnis hat als es etwa vom deutschen Grundgesetz postuliert wird. Diese Form von Demokratie fand sich, wie bereits oben gepostet, auch in der Deutschen Demokratischen Republik, deren System man durchaus als ?demokratischen Sozialismus? bezeichnen kann.
Du wirst mir und anderen Diskussionsteilnehmern vor, sie gingen in ihrer Kritik immer nur vom Sozialismus des vorigen Jahrhunderts aus. Das ist richtig, denn einen anderen kenne ich nicht. Auch Du räumst selbst ein, nicht darlegen zu können, wie ein alternativer Sozialismus konkret aussehen soll. Da beißt sich die Katze ja wohl in den Schwanz. Ich kann nur zu einem Gesellschaftskonzept Aussagen treffen, das zumindest als ein Modell existent ist.
Die unterschwellige These, die Du uns mit diesem Part Deines Postings verkaufen willst, ist aber eine ganz andere und altbekannt: Die Idee des Sozialismus war ja eigentlich gar nicht schlecht, nur die praktische Ausführung ließ halt zu wünschen übrig. An dieser linken Lebenslüge wird seit dem Zusammenbruch des Ostblocks unbeirrt festgehalten. Doch eine unwahre Behauptung wird eben nicht dadurch wahrer, indem man sie ständig wiederholt.
Der Sozialismus basiert auf dem Prinzip der Gleichheit. Das schließt per se schon individuelle Grund- und damit Freiheitsrechte aus. Denn wenn den Individuen im Sozialismus persönliche Freiheits- und damit Handlungsspielräume etwa im ökonomischen Bereich einräumt werden, dann werden recht schnell die naturgegebenen Unterschiede der Menschen in ihren Begabungen, Fähigkeiten und Motivationen zum Tragen kommen. Infolgedessen gibt es dann auch hier erfolgreiche, weniger erfolgreiche und erfolglose Menschen. Wird der Erfolg es einzelnen speziell im Wirtschaftsleben materiell honoriert (auch um einen Anreiz zu geben, die vorhandenen individuellen Potentiale überhaupt einzubringen), bildet sich alsbald eine gesellschaftliche Hierarchie gemessen am sozialen Status und damit Ungleichheit heraus. Das ist auch der Grund dafür, warum ein sozialistischer Staat seinen Bürgern Freiheitsrechte stets verweigern muß, da er sein eigenes Gesellschaftssystem ansonsten in Frage stellt. An dem Slogan ?Freiheit oder Sozialismus? ist einiges dran.
Indem der Sozialismus die Gleichheit zum obersten Prinzip erhebt, steht er im Widerspruch zur natürlichen Ordnung der Dinge, denn in der Natur findet sich keine Gleichheit, sondern stets Vielfalt. Auch die Menschen selbst sind nicht gleich. Vielmehr ist jeder Mensch für sich genommen einzigartig. Weil der Sozialismus diese natürliche Prinzip mißachtet, sich gleichsam gegen die Natur stellt, ist er zum Scheitern verurteilt. Und deshalb ist der Sozialismus auch nicht ?reformierbar? oder besser umsetzbar, als das in der Vergangenheit geschehen ist. Der ?Sozialismus mit menschlichem Anlitz? ist eben eine Illusion. Denn Menschlichkeit setzt Freiheit voraus. Lasse ich Freiheit zu, dann bekomme ich wegen der Verschiedenartigkeit der Menschen Ungleichheit ? und das ist das Ende des Sozialismus. Dieser Grundwiderspruch läßt sich nicht auflösen. Deshalb ist es müßig, über einen alternativen Sozialismus zu sinnieren.
Das Bekenntnis zur Nation muß nicht zwingend die Ausgrenzung anderer bedeuten. Das kommt letztlich immer darauf an, wie der Nationalbegriff definiert ist. Du scheinst ausschließlich vom völkischen Modell auszugehen, wie es von den Nationalsozialisten im extremster Form praktiziert wurde. Es gibt aber noch diverse andere Konzepte, z.B. einen Nationalbegriff, der sich auf gemeinsame, grundlegende Werteüberzeugungen innerhalb der Gesellschaft stützt. Ein gutes Beispiel hierfür sind die USA. Aus diesem Grund ist es unsinnig, diejenigen, die sich für den Erhalt des Nationalstaats aussprechen, pauschal in die rechtsextreme Ecke zu schieben. Auch viele Linke werden auf kurz oder lang erkennen müssen, daß der Nationalstaat unverzichtbar ist, sollen auch im Zeitalter der Globalisierung Demokratie, Rechtsstaat und ein Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit erhalten bleiben. Wir glaubt, der Globalisierung der Wirtschaft durch eine Internatonalisierung der Politik begegnen zu können, ist auf dem Holzweg.
Zu guter Letzt: Meiner Meinung nach ist Karl Marx tot, denn das von ihm erdachte Gesellschaftsmodell ist gescheitert. Klar ist aber auch ? und hier treffen wir uns dann wieder ?, daß auch der Kapitalismus basierend auf dem unbeschränkten Profitstreben und der Wachstumsideologie - auf Dauer nicht wird obsiegen können. Insoweit ist auch Adam Smith tot. Es bedarf deshalb bereits auf mittlere Sicht zweifellos eines neuen Gesellschaftsmodells, doch das wird sicherlich nicht in einem reformierten Sozialismus zu finden sein.
J.R.
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