Das Ende der "Rot-Grünen Epoche"
--button_text--
interessant
|
witzig
|
gut analysiert
|
informativ
|
0
anarch, das stimmt nicht. Die größte Leistung war vielleicht die ruhige Hand. Stell dir vor, was der sonst noch alles hätte anstellen können. Immerhin ist es vermutlich die Regierung, die die meisten Richtungsentscheidungen im Laufe ihrer Regierungszeit wieder korrigieren mußte.
R.
Optionen
0
URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,238781,00.html
Kanzler-Plan
Langzeitarbeitslose kommen in die Sozialhilfe-Kaste
Die Zeit der Kompromisse ist vorbei, Bundeskanzler Gerhard Schröder will den Reformstau jetzt im Alleingang auflösen. Eine erste Maßnahme rührt gleich an einem Tabu der Gewerkschaften: Empfänger von Arbeitslosenhilfe sollen künftig nur noch ein Sozialgeld in Höhe der Sozialhilfe erhalten.
DDP
Nur vermittelbare Arbeitslose erhalten künftig noch mehr Geld als den Sozialhilfesatz: Arbeitsamt Stralsund
Berlin - Eine "Angleichung der Leistungen" müsse sein, sagte SPD-Generalsekretär Olaf Scholz im ZDF-Morgenmagazin und bestätigte damit indirekt einen Bericht des "Handelsblatts". Die Wirtschaftszeitung hatte unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, dass künftig ein großer Teil der Langzeitarbeitslosen, die bisher Arbeitslosenhilfe bezögen, nur noch Leistungen in Höhe der Sozialhilfe oder knapp darüber erhalten sollten.
Nach den Plänen von Bundeswirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) sollen diejenigen, die von den Arbeitsämtern noch als erwerbsfähig und erwerbsbereit eingestuft werden, das so genannte Arbeitslosengeld II erhalten, das rund zehn Prozent über dem Sozialhilfesatz liegt. Die Übrigen, deren letzter Job in der Regel bereits Jahre zurückliegt und die als nicht vermittelbar gelten, bekämen Unterstützung nur noch in Höhe der Sozialhilfe.
Die Regierung rechne damit, dass durch diese Aufteilung etwa ein Drittel der 1,66 Millionen Langzeitarbeitslosen aus dem Kreis der Arbeitslosenhilfeempfänger herausfallen würde, berichtet das "Handelsblatt" weiter. Werden die inder AL-Statistik eigentlich mitgezählt? ;-) Insgesamt, so die Kalkulation, ließen sich durch die Maßnahme bis zu drei Milliarden Euro einsparen.
Wirksam werden die Einsparungen allerdings erst zwei Jahre nach Inkrafttreten der neuen Regelung am 1. Januar 2004. Denn für die Betroffenen soll eine Übergangsregelung geschaffen werden, um soziale Härten abzumildern.
Für die Bundesanstalt für Arbeit könnte die neue Regelung eine spürbare Entlastung mit sich bringen. Denn das neue Arbeitslosengeld II soll aus Steuermitteln des Bundes finanziert werden und nicht, wie bislang, aus den Kassen der Bundesanstalt.
Die Gewerkschaften haben bereits heftigen Widerstand gegen die Pläne angekündigt. Ver.di-Chef Frank Bsirske warnte vor einem Großkonflikt. Doch nach dem Scheitern der Verhandlungen über ein neues Bündnis für Arbeit will Schröder von Kompromissen vorerst nichts mehr wissen. Scholz jedenfalls erteilte im ZDF-"Morgenmagazin" weiteren Wünschen nach Konzessionen der Regierung eine Absage. "Bundeskanzler Schröder wird sich bei seinen angekündigten Reformplänen nicht nach den Wünschen der Gewerkschaften richten", sagte der Generalsekretär.
Zwar gehe es SPD und Gewerkschaften gemeinsam darum, dafür zu sorgen, dass Menschen, die von ihrer Arbeit leben müssten, dafür angemessene Bedingungen vorfänden. "Aber das führt nicht dazu, dass die einen sagen, was die anderen machen sollen. Die Gewerkschaften werden sich nicht nach unseren Wünschen richten und umgekehrt auch nicht."
In anderen Punkten steht die Regierung jedoch noch im Einklang mit den Gewerkschaften. So sprach sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering nochmals für die Beibehaltung von Kündigungsschutz und Flächentarifvertrag aus. "Ich glaube, dass die Grundfesten des Kündigungsschutzes und des Flächentarifes richtig sind und richtig bleiben", sagte Müntefering am Mittwoch im Deutschlandradio Berlin.
Innerhalb dieses Systems hätten die Gewerkschaften im vergangenen und in diesem Jahr entscheidend dazu beigetragen, dass es Veränderungen bei befristeter Beschäftigung, Leiharbeit und Mini-Jobs gebe. Die Thematisierung des Kündigungsschutzes stelle den Versuch dar, den Gewerkschaften die Beine wegzuschlagen.
Optionen
0
SPD mit neuem Rekordtief
Die SPD ist im Ansehen der Wähler erneut auf ein Rekordtief gesackt. Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, würde sie nur noch auf 27 % der Stimmen kommen. Das ist ein Prozentpunkt weniger als Ende Februar.
HB/dpa BERLIN. Nach der am Freitag veröffentlichten Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der ARD- Sendung ?Bericht aus Berlin? wäre das der tiefste Wert seit Antritt der rot-grünen Regierung im Jahr 1998. Mitte Februar war die SPD schon einmal so tief gesunken.
Deutlich stärkste Fraktion würden der jüngsten Umfrage zufolge CDU/CSU, die mit unverändert 49 % die absolute Mehrheit im Bundestag hätten. Die Grünen könnten sich von elf auf 12 % steigern. Die FDP bleibt bei 6, die PDS bei 3 %.
Nach einer Emnid-Umfrage im Auftrag des Nachrichtensenders n-tv gab es keine Veränderungen im Vergleich zur Vorwoche. Demnach würden sich bei der so genannten Sonntagsfrage erneut 28 % für die SPD und elf Prozent für die Grünen entscheiden. Dem stünden 47 % für die Union und sieben Prozent für die FDP gegenüber. Die PDS bliebe bei vier Prozent. Befragt wurden am 3. März 2984 Menschen.
Der Umfrage von Infratest dimap zufolge erleiden alle führenden Politiker im Vergleich zum Vormonat deutliche Ansehensverluste. Mit der Arbeit von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sind nur noch 26 % zufrieden, das sind drei Prozentpunkte weniger als im Februar. Noch deutlicher verliert CDU-Chefin Angela Merkel, und zwar um zwölf Punkte auf 51 %. Auf dem Spitzenplatz behauptet sich trotz eines Verlusts von vier Punkten Außenminister Joschka Fischer mit 79 %. Auch CSU-Chef Edmund Stoiber (43 %, minus sechs Punkte) und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (35 %, minus neun) müssen kräftige Einbußen hinnehmen.
Infratest dimap hatte am 4. und 5. März 1300 Menschen befragt.
HANDELSBLATT, Freitag, 07. März 2003, 17:37 Uhr
Optionen
0
Minister will Sozialauswahl einschränken - Betriebe sollen entlastet werden - Widerstand aus der SPD-Fraktion
von Peter Hahne
Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
Foto: AP
Berlin - Die Debatte um die Aufweichung des Kündigungsschutzes entzweit Deutschland. Die Pläne von Wirtschaftsminister Clement sind in der SPD umstritten. Der DGB signalisiert Gesprächsbereitschaft. In Europa gelten unterschiedliche Gesetze. Schweden und Dänen haben mit einer Reform gute Erfahrungen gemacht
Wolfgang Clement (SPD) bleibt hart. Trotz zahlreicher Proteste in den vergangenen Wochen bekräftigte der Wirtschaftsminister am Freitag, das Kündigungsschutzrecht lockern zu wollen. Clement schwebt dabei insbesondere eine Einschränkung der Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen und eine Flexibilisierung der Schwellenwerte für Mitarbeiter beim Kündigungsschutz vor.
Damit kehrt der Minister wieder zu einer Position zurück, die er in den vergangenen Wochen wegen des heftigen Widerstands aus den eigenen Reihen teilweise relativiert hatte. In dieser Woche war bekannt geworden, dass im Clement-Ministerium bereits konkrete Vorschläge für eine Reform des Kündigungsschutzrechts erarbeitet wurden. Bis zum Sommer könnten die Pläne Gesetz werden. Im Kern geht es um eine Einschränkung der Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen. 1997 hatte die Kohl-Regierung das aus dem Jahr 1959 stammende Gesetz gelockert, Rot-Grün stellte Ende 1998 nach der Wahl den alten Rechtszustand wieder her.
Künftig soll sich die Sozialauswahl, die heute zahlreiche Kriterien zu beachten hat, wieder allein an Alter, Betriebszugehörigkeit und am Familienstand orientieren. Das heißt: Arbeitgeber müssen nicht wie bisher automatisch die jungen, unverheirateten und womöglich produktivsten Mitarbeiter zuerst entlassen.
Eine weitere geplante Regelung betrifft die Schließung einzelner Betriebsteile. Hier sollen künftig Betriebsrat und Unternehmensleitung einvernehmlich Namenslisten der Kündigungskandidaten erstellen, mit der die Sozialauswahl umgangen werden kann. Entlassene könnten dann nur noch in Ausnahmefällen klagen, womit der Prozessflut vor den Arbeitsgerichten Einhalt geboten werden soll.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Anzahl der Prozesse mit heute rund 600 000 pro Jahr in etwa verdoppelt. Gekoppelt werden sollen die Änderungen mit einem Wahlrecht für die Arbeitnehmer für eine gesetzlich fixierte Abfindung anstelle des Kündigungsschutzes. Gegenwärtig ist eine Abfindungsleistung von 0,4 Monatgehältern pro Beschäftigungsjahr im Gespräch. Auch damit soll die ausufernde Prozessflut eingedämmt werden.
Clement plant zudem gleitende Schwellenwerte. Heute gilt für alle Betriebe ab fünf Mitarbeitern der volle Kündigungsschutz. Künftig könnte gelten, dass bei der Einstellung eines sechsten Mitarbeiters nur der Dienstälteste geschützt wird, bei zwei zusätzlichen Mitarbeitern der Kündigungsschutz auf zwei erweitert wird und so fort.
Der Arbeitsmarktexperte Hans-Peter Klös vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln ist der Auffassung, dass vor allem ein Durchforsten aller Verfahrensvorschriften beim Kündigungsschutz Besserung verspricht.
Die Pläne des Bundeswrtschaftsministers befinden sich noch im Anfangsstadium und haben wenig Chancen ohne Abstriche umgesetzt zu werden. Mit zähem Widerstand ist vor allem aus der SPD-Fraktion zu rechnen. Während der DGB-Chef Michael Sommer mehrfach Gesprächsbereitschaft signalisiert hat, wiederholt SPD-Fraktionschef Franz Müntefering stets die besondere Bedeutung des Kündigungsschutzes für die Sozialdemokraten.
Artikel erschienen am 8. Mär 2003
##################################################
was ist an dieser kreatur noch sozial?
gruß
proxi
Optionen
0
SCHRÖDERS REFORMEN
"Sicher im Wandel" - Der Kanzler braucht den Blankoscheck
Von Holger Kulick und Severin Weiland
Bundeskanzler Schröder hat ein Problem. Er benötigt für seine Reformpläne, die er am Freitag im Bundestag vorstellen will, unbedingt die Unterstützung der Regierungsparteien. Doch denen kann er vorab nicht alles verraten, was er sagen wird.
Berlin - Der Kanzler hat noch kein einziges Wort gesagt, da hagelt es hinter den Kulissen bereits Kritik. Wie konnte er nur einen so riskanten Auftritt versprechen - eine Alles oder Nichts-Rede, fragen sich verzweifelte SPD-Abgeordnete und das eine oder andere Kabinettsmitglied. Warum nur dieser angekündigte Zaubervortrag, der den Erwartungsdruck ins Unermessliche schraubt?
Am Freitag soll sie gehalten werden, die große Rede, sofern der Irak-Konflikt nicht alle Planung über den Haufen wirft. Schon jetzt verständigten sich alle Fraktionen im Bundestag darauf, die vorgesehene zweistündige Debattenzeit extra zu verlängern.
Was bloß führt Schröder im Schilde, um wieder Licht ans Ende des Tunnels für die Nation und Rot-Grün zu bringen? In den letzten Wochen hatte er Vorlagen von allen Parteiflügeln erbeten, Gespräche mit zahlreichen Interessengruppen geführt, jede Menge Einzelpunkte durch einen seiner Redenschreiber bündeln lassen. Am Wochenende dann griff er zur Feder und rückte dem Entwurf zu Leibe. Gebannt verfolgt die Nation jeden Entwicklungsschritt dieses großen Werkes. Fertig ist es immer noch nicht. Aber heute wollte der Kanzler den Fraktionen von SPD und anschließend den Grünen zumindest einen Vorgeschmack bieten, bevor in den nächsten Tagen die rot-grüne Koalitionsrunde Einzelheiten erfährt.
Immer mal wieder kamen einzelne Abgeordnete kurz aus der Sitzung heraus, meist, um die Erwartungen zu dämpfen. Mehr als eine "Eckpunkterede" könne dies gar nicht werden, relativierte der Vize-Fraktionsvorsitzende Michael Müller. Fraktionschef Franz Müntefering mühte sich, den Begriff "Ruckrede" zu beerdigen. "Wir rucken hier nicht, sondern sitzen zusammen, es hat auch niemand gezuckt", gab er zum Besten. Wenn Müntefering spaßt, muss die Lage Ernst sein.
Das neue Leitmotiv: "Sicher im Wandel" ;O)))
"Mut zum Frieden und zur Veränderung" lautete der Arbeitstitel von Schröders Rede. Der wurde nun zum griffigen Slogan umgemodelt. Die neue Kanzler-Formel lautet: "Sicher im Wandel". Unter diesem Leitmotiv will er all die nötigen Reformen, Initiativen, Gesetzesänderungen und Einschnitte vorstellen, die Wachstum bewirken sollen, ohne soziale Verunsicherung auszulösen.
Eine Maxime gebe es dabei, betont Fraktionsvize Müller: Die Bundesrepublik sei qua Artikel 20 des Grundgesetzes ein "sozialer Bundesstaat und kein Sozialhilfestaat", deshalb dürften Einschnitte ins soziale Netz nicht kategorisch erfolgen, etwa bei der angedachten Kürzung des Arbeitslosengelds. Daher gelte es besonders, dem Drängen von Arbeitgebern und aus der Union nicht nachzugeben, grundlegende Arbeitnehmerrechte zu beschneiden. "Die schlagen die Gewerkschaften, weil sie den Sozialstaat meinen", heißt es aus dem Kabinett.
Dementsprechend deutlich wetterte Müntefering heute: "Was die Merzens, Westerwelles und Rogowskis fordern, wird es mit den Sozialdemokraten nicht geben." Zumindest diese Linie sei klar, denn Betriebsräte und Mitbestimmung infrage zu stellen, sei "eine ungeheuerliche Frechheit".
Bislang eher Grundsätzliches und nur wenige Details
Viel jedoch erfuhren die Genossen nicht von ihrem Chef. Der sprach vor allem an, was bereits am Vorabend bekannt geworden war: Das 15 Milliarden-Euro-Billigkreditprogramm für private Bauherren zur Ankurbelung der Binnenwirtschaft. Oder die Stabilisierung der Gewerbesteuer für die Kommunen, wodurch in diesem Jahr 300 Millionen Euro in die Gemeindekassen kommen sollen. Wachstum, Arbeitsmarkt und Arbeitsrecht seien die Schwerpunktthemen bis zum Sommer, außerdem die Gemeindefinanzreform und die Gesundheitsreform. Doch was genau soll da passieren? Da hielt sich Schröder erwartungsgemäß bedeckt.
"Würden Sie, wenn Sie eine Regierungserklärung halten, sie jetzt schon hier halten", fragte der Abgeordnete Hermann Scheer die vor dem Saal lauernden Journalisten. "Ein paar Überraschungen" werde er am Freitag noch verkünden, hatte Schröder hinter den geschlossenen Türen der Fraktion versprochen. Ähnlich hatte er schon in der vergangenen Woche die Parteibasis bei einer Aschermittwochsrede vertröstet: "Einzelheiten werde ich überraschend mitteilen - am 14. März."
Für Vizefraktionschef Gernot Erler war schon vorab klar, dass der Kanzler relativ allgemein bleiben würde. Schließlich müsse der sich auch noch mit dem Koalitionspartner abstimmen. Als Schröder nach seinem Auftritt vor den Genossen in der 3. Etage des Reichstagsgebäudes hinüber zum Fraktionssaal der Bündnisgrünen eilte, kommentierte Fraktionsvize Ludwig Stiegler die Rede kurz und knapp: Der Teil zum Irak sei "euphorisch, der andere freundlich-gefasst" von den Abgeordneten aufgenommen worden.
"Einschnitte sind nicht gleich Einschnitte"
In der Not übt sich die Partei in Geduld. "Jetzt warten wir alle gespannt, ob er am Freitag konkreter wird", meinte Hermann Scheer. Zugleich versuchte der Parteilinke, Einigkeit mit dem Kanzler zu demonstrieren. Einschnitte seien ja nicht gleich Einschnitte. So sei wahrlich nicht einsehbar, warum Haushaltshilfen aus dem Gesundheitstopf zu zahlen sind, dieses Beispiel hatte der Kanzler angeführt. "Dies alles maßstabsgerecht zu durchforsten, war doch schon lange überfällig", meinte Scheer.
Auch der rechte Flügel der Fraktion, im "Seeheimer Kreis" organisiert, stützte die generelle Richtung des Regierungschefs. "Gerhard Schröder als Bundeskanzler steht vor der außergewöhnlich schwierigen Aufgabe, viele Dinge zu tun, die in der Vergangenheit versäumt oder nicht richtig erkannt wurden", umriss Sprecher Reinhold Robbe die Aufgabe. Auch er räumte ein, Schröder habe vor der Fraktion "Ansätze zu einem Gesamtkonzept gezeigt, aber noch nicht das Gesamtkonzept". Schröder muss, um seine Fraktion zu überzeugen, noch zulegen.
Eine "stimmige Linie" müsse herauskommen, wünschte sich Fraktionsvize Müller. Ob es schon so weit sei? "Nö", war seine schlichte Antwort. Auch Stiegler wies vorsichtig auf noch bestehende Diskrepanzen hin - und darauf, dass in der kurzen Debattenzeit nach Schröders Rede das letzte Wort aus der Fraktion noch nicht gefallen ist. Zu viele sozialdemokratische Herzblutthemen sind noch offen, etwa, ob das geplante Arbeitslosengeld II möglicherweise nur zehn Prozent über dem Sozialhilfesatz liegen werde. "Da gibt es bei der Regierung einen Trend nach unten, bei der Fraktion einen nach oben. Man wird sehen, was am Ende dabei herauskommt. Denn der Gesetzgeber", so Stiegler selbstbewusst, "sind noch immer wir".
So wird der Kanzler noch einige Überzeugungsarbeit leisten müssen, um seine Partei gänzlich hinter sich zu bringen. Weil er nicht alles sagen kann, was er sagen will, braucht er den Vertrauensvorschuss seiner Mitstreiter - eine Art Blankoscheck auf die Zukunft Deutschlands. Denn nichts wäre schlimmer für ihn, als ein erneuter Kakophonieausbruch nach seiner Rede.
*g*
Optionen
0
?Glatter Bruch von Wahlversprechen?
Der Kanzler muss sich bei der Verwirklichung seiner Reformpläne auf massiven Widerstand der Gewerkschaften und des linken SPD-Flügels einstellen. DGB-Chef Michael Sommer bezeichnete Gerhard Schröders Reformkonzepte als ?glatten Bruch von Wahlversprechen?. So treffe die Ankündigung, das Krankengeld aus den Pflichtleistungen der gesetzlichen Krankenkassen auszuschließen, vor allem Menschen, die mitten im Berufsleben stehen und schwer erkranken. ?Das halte ich für unmoralisch?, sagte Sommer der ?Berliner Zeitung? vom Samstag.
Auch der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, warf Schröder Verrat vor. Die Regierung verteile Zumutungen ?ungerecht auf die Schultern der Schwächsten im Lande?, sagte Bsirske den ?Lübecker Nachrichten?.
Der Chef der IG Bergbau, Chemie und Energie, Hubertus Schmoldt, kritisierte in der ?Westfälischen Rundschau? die Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau als ?nicht akzeptabel?. Auch über die Senkung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld ?wollen wir mit der Regierung reden?.
Der Chef der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Ottmar Schreiner, sagte der ?Berliner Zeitung?, die vorgesehene Kürzung der Leistungen für Arbeitslose sei ebenso wenig akzeptabel wie gesetzliche Eingriffe in die Flächentarifverträge. Die Absenkung der Arbeitslosenhilfe ergebe wirtschaftlich auch keinen Sinn.
Optionen
0
Lafontaine wiegelt SPD auf
?Die SPD darf nicht tatenlos zusehen, wie Schröder ihr Haus einreißt und orientierungslos von Wortbruch zu Wortbruch stolpert?
Wegen der Reformpläne des Kanzlers brodelt es gewaltig bei den Sozialdemokraten ? der frühere Parteivorsitzende rief öffentlich zum Widerstand auf. ?Die SPD darf nicht tatenlos zusehen, wie Schröder ihr Haus einreißt und orientierungslos von Wortbruch zu Wortbruch stolpert?, schrieb Oskar Lafontaine in einem Beitrag für die ?Bild? vom Montag.
Der frühere Bundesfinanzminister warf Schröder vor, die Wähler getäuscht zu haben. ?In vielen Wahlkämpfen versicherten Sozialdemokraten, sie würden die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitnehmer nicht kürzen, weil man Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, nicht aufs Sozialamt schicken dürfen.?
Auch diese Zusage werde nun gebrochen, schrieb Lafontaine, der Anfang 1999 im Streit mit Schröder als Finanzminister zurückgetreten war. Seit Anfang des Jahres strebt er wieder zurück auf die politische Bühne. Wer vor der Wahl sage, es sei ?unanständig, die Rente zu kürzen, darf das nach der Wahl nicht tun.? Ferner habe Schröder ?den Rest an Glaubwürdigkeit? verspielt, den er noch habe, in dem er die Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfe-Niveau kürze.
Schröder will Nägel mit Köpfen
Heute will Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) seine Reformpläne vom Parteipräsidium absegnen lassen. In der SPD war zuvor ein Richtungsstreit über die geplanten Maßnahmen ausgebrochen. Die Auffassungen von Anhänger der Schröder-Reform und traditionsorientierten Sozialpolitikern prallten dabei heftig aufeinander.
SPD-Generalsekretär Olaf Scholz versuchte, die Diskussion zu beruhigen. Auch die Stammwähler würden das Reformpaket insgesamt akzeptieren, sagte er in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Vertreter des ?Netzwerks? junger SPD-Bundestagsabgeordneter kritisierten heftig das Forum Demokratische Linke, das wesentliche Elemente des Schröder-Programmes abgelehnt hatte. ?Wer jetzt den Reformkurs des Kanzlers nicht unterstützt, gefährdet die Politik der Koalition?, sagte Christian Lange als einer der ?Netzwerk"-Sprecher der Tageszeitung ?Die Welt?.
Er warnte die Parteilinke vor zu viel Strukturkonservatismus. Der ?Netzwerker? Hans-Peter Bartels, meinte, für die SPD als Partei der Arbeit sei es ?vernünftig, den Faktor Arbeit von Sozialabgaben und Steuern zu entlasten?.
Die Vorsitzende der Demokratischen Linken, Andrea Nahles, hatte Schröders Pläne am Samstag als sozial unausgewogen kritisiert und Widerstand angekündigt. Sie forderte Schröder auf, Unternehmen und Vermögende stärker in die Pflicht zu nehmen. Nach den jetzigen Plänen müssten vor allem Arbeitslose, Kranke und Rentner die Lasten tragen. Nahles forderte eine Mindestbesteuerung für Unternehmen und die Wiedereinführung der Vermögensteuer.
Schröder warnte am Sonntag davor, sein Reformkonzept zu zerreden. ?Es muss endlich auch einmal möglich sein, in Deutschland so etwas anzufangen, durchzusetzen?, sagte er im ZDF.
Aufschrei des Entsetzens
Die von Schröder verkündeten Reformpläne hatten auch bei Gewerkschaftlern heftigen Widerstand hervorgerufen. DGB-Chef Michael Sommer bezeichnete Schröders Reformkonzepte als ?glatten Bruch von Wahlversprechen?. So treffe die Ankündigung, das Krankengeld aus den Pflichtleistungen der gesetzlichen Krankenkassen auszuschließen, vor allem Menschen, die mitten im Berufsleben stehen und schwer erkranken. ?Das halte ich für unmoralisch?, sagte Sommer der ?Berliner Zeitung? vom Samstag.
Auch der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, warf Schröder Verrat vor. Die Regierung verteile Zumutungen ?ungerecht auf die Schultern der Schwächsten im Lande?, sagte Bsirske den ?Lübecker Nachrichten?.
Schröder stimmt auf harte Zeiten ein
Mit milliardenschweren Einschnitten ins soziale Netz sowie Reformen auf dem Arbeitsmarkt und im Gesundheitssystem will Schröder Deutschland aus der Krise führen. In einer Regierungserklärung vor dem Bundestag hatte er am Freitag drastische Kürzungen bei staatlichen Leistungen angekündigt, insbesondere für Arbeitslose. Der Kanzler rief die Bevölkerung auf, die Veränderungen zu akzeptieren. Niemand könne sich dem Reformdruck entziehen.
Der Regierungschef präsentierte seine Ideen, wie den Kommunen aus der Finanzkrise geholfen und die Konjunktur belebt werden soll. Angesichts der dramatischen Lage des Landes verlangte Schröder mehr Eigenverantwortung der Bürger im Sozialsystem. Der Umbau des Sozialstaates sei notwendig, um ihn in der Substanz zu erhalten, betonte er in seiner mit Spannung erwarteten Reformrede ?Mut zum Frieden und Mut zur Veränderung?.
Aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenkassen sollen mehrere versicherungsfremde Leistungen ausgekoppelt werden. Beispielsweise soll das Mutterschaftsgeld künftig aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden.
Die unter 55-Jährigen sollen künftig maximal zwölf und die über 55-Jährigen höchstens 18 Monate Arbeitslosengeld beziehen können. Zurzeit liegt die maximale Bezugsdauer bei 32 Monaten. Zu der für 2004 geplanten Zusammenlegung von Arbeitlosen- und Sozialhilfe sagte Schröder, das neue Arbeitslosengeld II solle ?in der Regel dem Niveau der Sozialhilfe? entsprechen.
Druck auf Arbeitslose
Der Druck auf Arbeitslose, einen Job anzunehmen, soll erhöht werden. Wer eine zumutbare Arbeit ablehnt, muss mit Sanktionen rechnen. Niemandem werde künftig gestattet sein, ?sich zu Lasten der Gemeinschaft zurückzulehnen?, sagte Schröder.
Der Kündigungsschutz soll laut Schröder weit reichend gelockert werden. Betriebe mit bis zu fünf Beschäftigten sollen künftig unbegrenzt Leih- und Zeitarbeiter einstellen können, ohne dass damit für alle Beschäftigten der Kündigungsschutz gilt. Die Rechte der Arbeitnehmer würden nicht in ihrer Substanz beschnitten.
Der Wirtschaft drohte Schröder damit, sie gesetzlich zur Ausbildung zu zwingen. Falls die Unternehmen ihre Zusage nicht einhielten, jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu geben, der einen will, ?werden wir im nächsten Jahr zu einer gesetzlichen Regelung kommen müssen?. Zugleich appellierte Schröder an die Tarifpartner, sich bei Bedarf auf betriebliche Bündnisse für Arbeit zu einigen. ?Geschieht das nicht, wird der Gesetzgeber handeln.? Die Sondervereinbarungen sollen untertarifliche Bezahlung ermöglichen, um Arbeitsplätze zu sichern oder zu schaffen.
Die Sozialauswahl bei betrieblichen Kündigungen soll nach den Worten Schröders so umgestaltet werden, dass Leistungsträger im Unternehmen gehalten werden könnten. Statt nach starren Kriterien wie Alter oder Dauer der Betriebszugehörigkeit sollten die Prioritäten direkt zwischen den Tarifpartnern erarbeitet werden.
Das Kreditprogramm zur Ankurbelung der Konjunktur in Städten und Gemeinden wird wie schon angekündigt 15 Milliarden Euro umfassen. Finanziert werden soll es über die Kreditanstalt für Wiederaufbau. ?Wir werden dafür weder neue Schulden aufnehmen noch die Steuern erhöhen?, betonte Schröder. Das von der Opposition gewünschte Vorziehen der letzten Entlastungsstufe der Steuerreform von 2005 auf 2004 lehnte Schröder als unfinanzierbar ab.
Optionen
0
0
Schröders Roadshow - Placebos für die Genossen
Von Markus Deggerich
Um einen Sonderparteitag zu verhindern, begibt sich der Kanzler auf Überzeugungstour. Der Vorsitzende wird in den kommenden Wochen auf Roadshow durch Deutschland ziehen, um den in der SPD wachsenden Missmut über das Sozialkürzungs-Programm einzudämmen. Der Erfolg ist ungewiss.
Berlin - Die so genannten "Regionalkonferenzen" sind in den vergangenen Jahren bei SPD und CDU sehr in Mode gekommen. Sie sollen Basisnähe demonstrieren und den Mitgliedern das Gefühl geben, dass sie doch noch irgendwie teilhaben an dem, was ihre Vordermänner in Berlin so treiben.
Organisator dieses Parteibefriedungsprogramms ist SPD-Generalsekretär Olaf Scholz. Der wollte vor kurzem noch die Lufthoheit über den Kinderbetten für die Genossen erobern, pflegt aber offensichtlich ein seltsames Verhältnis zur innerparteilichen Demokratie: Laut dem Statut der SPD ist ein Parteitag das "oberste Organ" der Sozialdemokraten. Und obwohl die Rufe angesichts der von Schröder angedrohten "Agenda 2010" nach einem Sonderparteitag immer lauter werden, wollen sich die SPD-Führer sicherheitshalber mit ein paar Gesprächsrunden durchmogeln: Feigheit vor dem Parteifreund.
Parteitage, so befindet Scholz kurzerhand, seien nur sehr begrenzt in der Lage, effektiv Einfluss auf Entscheidungen einer Partei zu nehmen. Das sagte er einen Tag, nachdem er eine peinliche Niederlage kassiert hatte. Sein eigener Landesverband in Hamburg kündigte ihm die Gefolgschaft auf und fordert als zweiter SPD-Landesverband die Einberufung eines Sonderparteitages zu den von Schröder vorgeschlagenen Sozialreformen.
Geschwächt fühlt sich Scholz durch den Basis-Tritt ans Führungsschienbein nach eigenem Bekunden weder als Generalsekretär noch als Landesvorsitzender. Stattdessen beharrt er auf der Parole "Nur kein Sonderparteitag" und bietet als Ersatz jenes Instrument für den innerparteilichen Gesprächsbedarf, das die Partei-Satzung gar nicht kennt: Regionalkonferenzen.
In den Augen von Scholz sind sie "das Demokratischste", was die SPD-Führung der Basis anbieten könne. Wenn man sich dann anschaut, wie diese Konferenzen geplant sind, muss man sich Sorgen machen um das Demokratieverständnis der ältesten deutschen Partei.
"Einzelmaßnahmen umstritten"
In diesen "plebiszitären Veranstaltungen", wie Scholz sie nennt, gibt es keine Bewegung von unten nach oben, nur umgekehrt. Was nach einer ergebnisoffenen Veranstaltung aussieht, demaskiert sich im Anhang eines Schreibens des Generalsekretärs bereits als reine Good-Will-Diskussion.
"Wir sind uns bewusst, dass Einzelmaßnahmen in unserer Partei nicht unumstritten sind. Aus diesem Grund wollen wir gemeinsam über die Agenda 2010 diskutieren", heißt es in der Einladung des Generalsekretärs an die rund 15.000 Bezirks- und Kreisvorsitzende der SPD. Die Mitglieder, heißt es dort sollten doch bitte regen Gebrauch machen von den Materialien der SPD-Zentrale, um die Menschen vor Ort zu informieren und zu überzeugen: "Ein Set von Argumentationskarten zu den wichtigsten Vorhaben der Agenda 2010" ist da zu haben, die "Flugblätter der Woche" und natürlich "eine VHS-Kassette mit dem Video-Mitschnitt der (Kanzler-) Rede vom 14. März." So werden die Regionalkonferenzen zu einer Bewegung von oben nach unten: Die Pläne und Argumente der SPD-Führung sind bereits druckreif, die Basis soll sie übernehmen und verbreiten.
Mit Kongressen und (Einzel-)Gesprächen versucht der Kanzler-Flügel, die aufbegehrende Basis, zweifelnde Bundestagsabgeordnete und die hoffnungslosen Gewerkschaften davon zu überzeugen, dass die sozialen Einschnitte "notwendig sind, um den Sozialstaat auch künftig zu erhalten", wie Schröders Lieblingsparole lautet.
Den Auftakt zur roten Überzeugungstournee machte in dieser Woche Wolfgang Clement. Der Wirtschaftsminister stattete der SPD-Fraktion einen Besuch ab, um die beabsichtigten Änderungen im Kündigungsschutzrecht, bei den Lohnersatzleistungen und im Handwerksbereich erläutern.
Roadshow im Lande
Bereits am Mittwoch trat dann in Berlin der Koalitionsausschuss zusammen, um weiter an Details der "Agenda 2010" zu feilen. Am nächsten Wochenende besucht Schröder auf der Seeheimer Frühjahrstagung die SPD-Rechten, bei denen er noch mit der stärksten Unterstützung rechnen kann.
Das erste Basistreffen findet nach der Osterpause am 28. April in Bonn statt, zusammen mit Sitzungen von Vorstand und Präsidium der SPD. "In Bonn werden dann die letzten Punkte festgelegt", behauptet Scholz. Nach diesem Termin sind weitere Regionalkonferenzen geplant - am 5. Mai in Nürnberg, am 7. Mai in Hamburg und am 20. Mai in Potsdam. Zwischendurch tagt am 6. Mai wieder der SPD-Gewerkschaftsrat und am 8. Mai der rot-grüne Koalitionsausschuss. Außerdem findet am 30. April ein SPD-Kongress zur Mittelstandsfinanzierung in Berlin statt und am 28. Mai eine Konferenz zur Makroökonomie. Zwischendurch wird sich die SPD am Tag der Arbeit wieder als führende Kraft des sozialen Ausgleichs präsentieren und auf jeder dieser Veranstaltungen ihren 140. Geburtstag feiern.
Sämtliche Veranstaltungen sind auf Präsentation und Überzeugung angelegt, quälende Diskussionen und Änderungsvorschläge sind nicht erwünscht. "Wir haben uns auf die Agenda 2010 festgelegt", gibt Scholz zu, "und wir müssen den Mut haben, die Sache zu Ende zu bringen."
Doch wie dieses dicke Ende aussieht, wissen viele Genossen eben noch gar nicht. Wohin die Sozialsysteme ohne Reform dümpeln würden, was mit Reform konkret gerettet wird und wo dabei der erkennbare Unterschied zur Opposition bleibt: All das hat Gerhard Schröder für seine Partei nicht präzise formuliert.
Misstrauen im Lande
An der Basis regt sich Misstrauen. Vieles von dem, was Schröder heute sagt, hat man früher selbst an der CDU moniert. Da der Kanzler weiß, dass er kaum auf die Unterstützung der Gewerkschaften bauen kann und die Union ohnehin im Bundesrat die Mehrheit besitzt, fürchten viele Genossen, dass sie den Konservativen weit entgegenkommen und letztlich Unions-Politik im SPD-Gewand verkaufen müssen.
Schröder wird nun im Windschatten der zurück gewonnenen Popularität durch seinen Friedenskurs aufs innenpolitische Tempo drücken. Er weiß, dass sich sein politisches Schicksal nicht an der Irak-Frage entscheidet, sondern auf der Baustelle Deutschland.
SPD-Generalsekretär Olaf Scholz erinnert seine Sozialdemokraten jetzt ausgerechnet wieder an ein geflügeltes Wort von Oskar Lafontaine. "Nur wenn wir selbst überzeugt sind, können wir auch andere überzeugen," hatte der Saarländer einst auf der berühmten Mannheimer Parteitagsrede gerufen. Die Basis nahm das wörtlich, und da sie nicht überzeugt war vom damaligen Parteichef Rudolf Scharping, stürzte sie ihn. Aber so was geht eben nur auf Parteitagen - nicht auf "plebiszitären Veranstaltungen".
Optionen
0
SPD-BASIS GEGEN REFORMKURS
"Unglaublich, wie der Hans Eichel sich verändert hat"
Von Sophie Debus
Wenn der Bundestagsabgeordnete Sören Bartol seinen Wahlkreis besucht, sieht er Fäuste drohen. Für die Marburger SPD sind die Reformen der Bundesregierung ein glatter Verrat sozialdemokratischer Ideale. Sie fordert die Trennung des Amts des Kanzlers von dem des Parteivorsitzenden - um die SPD wieder zu einer unabhängigen Stimme jenseits von Schröder zu machen.
Marburg - Die Marburger SPD ist stolz auf sich. "Wir sind jung, frech und weiblich", verkündet die Vorsitzende Kerstin Weinbach auf dem Parteitag der nordhessischen Genossen. "Da gehört es einfach dazu, dass man deutlich sagt, was einem stinkt." Die Sozialdemokraten in der Studentenstadt haben, genau wie die Universität, eine linke Tradition. Und die wird hochgehalten. Auch, wenn die Marburger damit gegen den offiziellen Kurs der Partei anecken.
Die Pläne zur Reform der sozialen Sicherungssysteme, die der Parteivorsitzende Gerhard Schröder am 14. März vorgestellt hat, stoßen bei seinen Marburger Genossen auf heftige Ablehnung. Der Parteitag, der eigentlich der Nominierung eines Bürgermeister-Kandidaten und der Vorstandswahl dienen sollte, wurde für die rund 150 Deligierten zum Ventil für ihren Wutstau. Im Bürgerhaus Marburg machten sie ihrem Ärger über den Schröderschen Reformkurs Luft.
"Die Schwächsten werden abgestraft"
"Ich sehe dunkle Wolken in diesem Land aufziehen", wettert Ortsvorsteher Heinz Wahlers, und seine Genossen klatschen laut Beifall - ungeachtet dessen, dass die Sonne durch die Panoramafenster den Saal durchflutet. "Die Schwächsten auf dem Arbeitsmarkt werden von dieser Regierung abgestraft", legt er nach, und wieder klatschen alle Beifall. Sofern sie nicht gerade ihre Bockwurst in den Senf auf dem Pappteller stippen.
Nach Heinz Wahlers tritt der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Marburg-Biedenkopf, Detlef Ruffert, an das Rednerpult neben dem Vorstandstisch. "Lasst uns an unseren Grundwerten festhalten", ruft er und reckt dabei den Arm mit geballter Faust in die Höhe, "wir müssen deutliche Signale nach oben setzen!"
Und das tun die Marburger dann auch. Mit überwältigender Mehrheit verabschieden die Genossen einen Leitantrag mit einer kuriosen Forderung: Das Amt des Parteivorsitzenden soll vom Amt des Bundeskanzlers getrennt werden. "Die Partei braucht wieder eine eigene Stimme, um sich neben der Regierung zu positionieren", begründet Kerstin Weinbach den Leitantrag. Und Detlef Ruffert meint: "Der Parteivorsitzende kann dann ja konstruktive Kritik am Regierungskurs üben."
Marburger SPD-Abgeordneter Sören Bartol: schmerzhafter Spagat zwischen Wahlkreis und Fraktion
Ob die Marburger allerdings Erfolg haben werden, ist mehr als fraglich. Schließlich müsste die Forderung mehrere Partei-Ebenen durchlaufen, bis es auf dem Bundesparteitag zu einer Satzungsänderung kommen könnte. Aber immerhin geht der Leitantrag auch an die Bundestagsfraktion. Dort vertritt Sören Bartol die nordhessischen Genossen.
"Der Leitantrag ist in erster Linie ein Ventil, um Dampf abzulassen", meint der smarte 28-Jährige, "die Marburger wollen deutlich machen, dass die Partei wieder eine eigenständige Rolle spielen muss - und nicht bloß zum Kanzlerwahlverein verkommt." Ob der Antrag durchkommt? Bartol hebt fragend die Arme und lächelt gequält. "Die Probleme der Basis würden sich doch nicht verbessern, wenn sich die Struktur der Parteispitze ändern würde."
Alt-Juso Hans Eichel ist stark mutiert
Bartol, der erst zum Studium nach Marburg kam, setzt eher auf Gespräche, um den Unmut seiner Wahlkämpfer zu lindern. Das ist nicht immer ganz einfach bei Genossinnen wie Käte Dinnebier. Die 72-Jährige war die erste Gewerkschafts-Sekretärin Hessens und verkauft auf dem Parteitag eifrig Anstecker für den ersten Mai. Wer keinen kauft, wird persönlich darauf angesprochen - auch die anwesenden Presse-Vertreter. Die kleine Dame mit den grauen Beton-Locken im lila Kostüm redet sich über die Parteiführung in Rage. "Die Vorschläge sind einfach verheerend", wettert sie, "es macht mich rasend zu sehen, dass Teile des Sozialstaats einfach über die Wupper gehen."
Ihre Genossen nicken dazu pflichtschuldig, viel mehr bleibt ihnen auch nicht übrig. "Die Marburger SPD ist ja in Ordnung, aber mit der Bundespartei kann ich mich überhaupt nicht mehr identifizieren", klagt Dinnebier. "Den Hans Eichel kenn ich ja noch aus Juso-Zeiten, aber wie der sich verändert hat - unglaublich."
Klar, dass eine wie Käte Dinnebier auch vor ihrem Bundestagsabgeordneten kein Blatt vor den Mund nimmt. "Als Mitglied der Regierungsfraktion bin ich für den Reformkurs mitverantwortlich, schließlich habe ich ja die Hand gehoben", sagt Bartol, "dafür werde ich auch angegriffen. Aber als Schnittstelle zwischen Basis und Fraktion bin ich dazu da, dass die Leute bei mir Dampf ablassen können." Der junge Abgeordnete steht zum Reformkurs des Kanzlers. Und für die Unbelehrbaren hat er das bewährte Totschlag-Argument parat: "Mit den Anderen wäre es noch viel schlimmer."
Optionen
0
SONDERPARTEITAG AM 1. JUNI
Schröder stellt der SPD die Vertrauensfrage
SPD-Chef Gerhard Schröder hat für den 1. Juni einen Sonderparteitag nach Berlin einberufen. Mit der Abstimmung über seine Reformagenda 2010 will der Kanzler auch sein eigenes politisches Schicksal verbinden. Teile der SPD-Linken bestehen jedoch nach wie vor auf einer Mitgliederbefragung.
Berlin - Auf dem Parteitag werde Schröders Reformkonzept als Ganzes zur Abstimmung gestellt, kündigte SPD-Generalsekretär Olaf Scholz an. "Das ist mit der Zuspitzung verbunden, ob die Unterstützung für die Politik des Bundeskanzlers und der Parteiführung vorhanden ist oder nicht", betonte Scholz. "Es geht dabei auch um die Regierungsfähigkeit der SPD. Das ist das, worüber abgestimmt wird in dieser Situation."
Scholz zeigte sich davon überzeugt, dass das Reformkonzept des Kanzlers eine klare Mehrheit finden werde. "Spätestens nach dem Parteitag wird niemand mehr in Zweifel ziehen können, dass die Politik des Bundeskanzlers breite Unterstützung durch seine Partei hat", sagte der Generalsekretär. Schließlich gehe es um das "Gesamtkonzept der Reformagenda 2010 und nicht um Teppichhandel".
Der SPD-Linken ist der Sonderparteitag offenbar nicht genug. Sie will einen Mitgliederentscheid. Der Vize-Sprecher der Demokratischen Linken 21, Detlef von Larcher, sagte der Chemnitzer "Freien Presse": "Wir halten an der Befragung der Parteibasis zu den Reformplänen fest." Andere SPD-Linke und auch Landesverbände begrüßten den Sonderparteitag, verlangten aber Nachbesserungen am Reformkonzept. Das Begehren wäre einmalig in der SPD-Geschichte. Dabei müssten zehn Prozent der Unterschriften der rund 700.000 Mitglieder der Partei gesammelt werden. Gelänge dies, müsste ein Mitgliederentscheid über die Reformpläne angesetzt werden.
Von Larcher kritisierte, die SPD-Spitze wolle mit ihrer "Agenda 2010" einen Sozialabbau betreiben, der "Kohlsches Ausmaß" habe. Es könnten nicht Leistungen gekürzt werden und die sozial Schwachen immer weiter belastet werden. Von Larcher ist überzeugt, dass die Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfe-Niveau sowie die Kürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld in der SPD nicht durchsetzbar seien.
Ähnlich kritisch äußerte sich der saarländische SPD-Chef Heiko Maas. "Schröder bestraft ältere Arbeitslose mit einer Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf 18 Monate", sagte er der "Saarbrücker Zeitung". Er habe den Eindruck, dass das Gespür für soziale Gerechtigkeit völlig verloren gegangen ist. Maas warnte Schröder davor, nicht auf die Partei zu hören: "Wenn die SPD nur noch Wurmfortsatz der Regierung ist, hat nicht nur die Partei ein Problem, sondern auch der Kanzler. Ohne sie ist er ein Kaiser ohne Kleider."
Das Mitgliederbegehren hält Maas jedoch mittlerweile für überflüssig. "Man sollte sich auf den Sonderparteitag konzentrieren. Dort werden jetzt die notwendigen Entscheidungen getroffen werden müssen", sagte Maas heute im ZDF. Auf dem Sonderparteitag werde man über die unterschiedlichen Positionen in der SPD reden müssen, etwa bei der Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der Sozialhilfe oder der Verkürzung des Bezugs von Arbeitslosengeld für ältere Arbeitnehmer. "Da kann man auch nicht ewig weiter streiten. Da muss es eine Entscheidung geben."
Generalsekretär Scholz zeigte sich optimistisch, dass das Interesse für die umstrittene Mitgliederbefragung nun deutlich schwinden werde. "Das wird sich auf sehr wenige beschränken, die das interessant finden", meinte der Generalsekretär. Im übrigen handele es sich bei den Initiatoren um einen kleinen Kreis. Namhafte Vertreter der Linken seien in diese Aktion überhaupt nicht eingebunden.
Optionen
0
MACHTKAMPF UM REFORMPROGRAMM
L'état c'est moi - Ich oder Wer?
Von Markus Deggerich
Der Kanzler stellt seiner Partei die Vertrauensfrage. Mit einem Sonderparteitag hofft Schröder die Kritiker seiner "Agenda 2010" noch auszubremsen und sich selbst an die Spitze der Bewegung zu stellen. Die Idee ist alt, ihr Erfolg ungewiss. Eine reformfeindliche Entscheidung der Parteibasis, so warnen SPD-Strategen, könnte das Ende der rot-grünen Regierung bedeuten.
Berlin - Der ehemalige Wahlkampfleiter Matthias Machnig hat keinen guten Ruf an der SPD-Basis. Zu viel Selbstherrlichkeit und ein zu artifizielles Verständnis von Politik warfen sie ihm vor. Vielleicht verdanken sie aber ausgerechnet ihm nun, dass es doch noch zum Sonderparteitag am 1. Juni kommt. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE hatte Machnig Gerhard Schröder bereits kurz nach der Bundestagswahl geraten, angesichts der anstehenden Umwälzungen in Deutschland einen Sonderparteitag einzuberufen. In der Erleichterung über den knappen Wahlsieg, den Schröder mit seiner Person verbindet, hätte er leichteres Spiel gehabt, die Reformagenda mit der Vertrauensfrage zu verbinden und so die Partei auf seine Seite zu ziehen.
"70 Prozent Zustimmung hätte er damals immer bekommen", sagt ein SPD-Vorstandsmitglied. Nachdem er Stoiber mit der Frage "Ich oder Der" vom Kanzleramt fern hielt, hätte er mit der Frage "Ich oder Wer?" seiner Partei mal schnell vor Augen geführt, dass es keine Alternative zu ihm und seinen Reformplänen geben würde.
Ob diese Rechnung jetzt auch noch aufgeht, ist ungewiss. Zu offensichtlich ist es, dass Schröder lange mit schierer Macht die Basis aussperren wollte von seinen Entscheidungen. Erst jetzt, als der Druck von unten zu groß wurde, schwenkt er um und verkauft die Idee mit dem Sonderparteitag als seine eigene: Wieder mal setzt sich der Stimmungspolitiker Gerhard Schröder schnell noch an die Spitze der Bewegung.
Die Inszenierung des Sonderparteitages folgt nun genau dem ehemaligen Machnig-Plan: "Es geht dabei auch um die Regierungsfähigkeit der SPD," sagte Generalsekretär Olaf Scholz am Montag: "Das ist das, worüber abgestimmt wird in dieser Situation."
Mit der Einberufung des Sonderparteitages kommt die SPD-Spitze den Kritikern des Reformkonzepts angeblich entgegen, die sich in den vergangenen Tagen immer lauter zu Wort gemeldet hatten. Scholz zeigte sich davon überzeugt, dass Schröder klare Rückendeckung für seinen Kurs bekommen werde. Nach dem Parteitag werde niemand mehr daran zweifeln können, dass der Kanzler breiten Rückhalt in der Partei habe. So lautet das Ziel.
Doch vorsichtshalber sollen die Mitglieder nur an ein paar Ecken schrauben dürfen. Der Sonderparteitag ändere nichts an der Haltung des Kanzlers, die "Agenda 2010" nur noch in Details, nicht aber grundsätzlich zu ändern, heißt es aus dem Kanzleramt.
Gegner nicht zufrieden
Die Gegner des Reformkonzepts wollen sich damit jedoch nicht zufrieden geben. Die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti kündigte für den Sonderparteitag bereits zahlreiche Anträge an, in denen eine Aufweichung des Kündigungsschutzes und die Senkung der Arbeitslosenhilfe abgelehnt wird.
Außerdem will der Landesverband schrittweise die Beseitigung der Beitragsbemessungsgrenze, die Wiederbelebung der Vermögenssteuer sowie eine Erhöhung der Erbschaftssteuer durchsetzen. "Wir erwarten einen Parteitag der konstruktiven Diskussion und nicht der Akklamation", sagte Ypsilanti. Das sieht Schröder anders.
Allerdings hat er mit seinem Schachzug die Kritiker wieder in die Defensive gedrängt. Die versuchen, sich neu zu koordinieren. Auf dem linken Parteiflügel brach eine Kontroverse über die Mitgliederbefragung zur Reformagenda aus. Während sich namhafte Vertreter der Parteilinken wie Michael Müller oder Heiko Maas gegen eine solche Aktion aussprachen, kündigten die Initiatoren an, sie wollten daran festhalten. Die Parteiführung beabsichtige mit der "Agenda 2010" einen Sozialabbau von "Kohlschem Ausmaß", kritisiert der Abgeordnete Detlev von Larcher, ein führender Linker.
Das SPD-Vorstandsmitglied Sigrid Skarpelis-Sperk warf der SPD-Spitze vor, die Verärgerung der Parteibasis zu unterschätzen. "Ein Sonderparteitag wird nicht ausreichen, um den Unmut der Mitglieder zu dämpfen", sagte sie der "Bild"-Zeitung. "Viele altgediente Mitglieder werfen uns ihre Parteibücher vor die Füße." Scholz zeigte sich dagegen davon überzeugt, dass das Interesse an der Mitgliederbefragung nun schwinden werde.
Was wird aus der Befragung?
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, sagte: "Ich persönlich glaube nicht, dass es zu dieser Mitgliederbefragung kommen wird, weil wir bessere Möglichkeiten haben, miteinander zu reden." Ebenso wie Maas bezeichnete er den Sonderparteitag als "Sieg der Vernunft". Damit trage Schröder dem erheblichen Erörterungsbedarf in der Partei Rechnung.
Das Mitgliederbegehren, die erste bundesweite Aktion dieser Art in der 140-jährigen Geschichte der Partei, ist allerdings bereits in die Wege geleitet. Es wird getragen unter anderem von den Bundestagsabgeordneten Ottmar Schreiner, Klaus Wiesehügel, Skarpelis-Sperk und Florian Pronold.
Die SPD-Spitze gab sich zuversichtlich, dass die "Agenda 2010" eine klare Mehrheit finden werde. "Es gibt niemanden, der gesagt hat, er werde definitiv nicht zustimmen", erklärte Scholz. Er schloss sich der Kritik von Fraktionschef Franz Müntefering an den Initiatoren der Mitgliederbefragung an. "So macht man das nicht", kritisierte er. Man könne nicht warten, mit niemandem reden und dann einfach zur Osterpause eine Presseerklärung herausgeben.
Doch dagegen wehren sich die Initiatoren. Sie fühlten sich ignoriert und von dem knappen Zeitplan Schröders unter Druck gesetzt. Er wollte bis zum 28. April die Arbeit an der Agenda abgeschlossen haben. Auch fühlten sich viele Linke missachtet. Schröder und seine Minister Wolfgang Clement und Ulla Schmidt diskutierten ihre Pläne am Wochenende zwar mit den Parteirechten des Seeheimer Kreises. Die Linken, so der verbreitete Eindruck, konnten ihre Bedenken allenfalls schriftlich einreichen.
Alte Schemata
Führende SPD-Politiker befürchten nun Flügelkämpfe. In der SPD muss das Denken in einem "Rechts-Links-Schema" nach den Worten der Landesvorsitzenden Ute Vogt ein Ende haben. Mit Blick auf den Sonderparteitag zu den geplanten einschneidenden Sozialreformen sagte Vogt am Montag: "Die SPD muss sich entscheiden, ob sie weiter regieren oder in die Opposition gehen will." Über das Für und Wider der Reformen eine Rechts-Links-Debatte zu führen sei "strukturkonservativ". Zu dem sozialpolitischen Reformpaket von Schröder sieht Vogt keine Alternative.
Dem von einigen SPD-Linken angestrebten Mitgliederbegehren zu den Reformplänen kann die Staatssekretärin im Bundesinnenministerium dagegen nichts abgewinnen. Sie sagte: "Es ist unklar, über welche Frage dabei abgestimmt werden soll. Entscheidungen von einer solchen Tragweite kann man nicht mit einer Ja-Nein-Abstimmung treffen."
Vogt sagte: "Ich habe schlicht den Eindruck, dass einigen in der SPD der Ernst der Lage noch nicht bewusst ist. Die Alternative zum Reformkonzept Agenda 2010 wäre nämlich eine schwarz-gelbe Regierung." Das war genau das disziplinierende Argument, das einst Machnig Schröder ans Herz gelegt hatte. Ob es jetzt auch noch verfängt, ist angesichts des bereits vorhandenen Unmuts und der sich anbahnenden Flügelkämpfe ungewiss. Parteitage können eine eigene Dynamik entwickeln, sie sind auch emotionsbestimmt. Oskar Lafontaine hatte das einst zu nutzen gewusst, als er auf dem Mannheimer Parteitag mit einer einzigen aufrüttelnden Rede Rudolf Scharping als Vorsitzenden stürzte. Für Schröder gilt, was Joschka Fischer sonst gerne über grüne Basistreffen sagt: "Auf hoher See und Parteitagen bist Du in Gottes Hand." Was macht Lafontaine eigentlich am 1. Juni?
Optionen
0
Krisengespräch
Eigentherapie - SPD-Dissidenten geben nicht nach / Müntefering: Vetrauensbruch
15. April 2003 Das Gespräch des SPD-Fraktionsvorsitzenden Müntefering mit Abgeordneten seiner Fraktion, die den arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Reformkurs von Bundeskanzler Schröder mittels eines Mitgliederbegehrens in der Partei bekämpfen wollen, ist am Dienstag ohne Ergebnis geblieben.
Die sechs Abgeordneten, darunter Veit, Pronold, Schreiner und Frau Skarpelis-Sperk, blieben bei ihrer Ankündigung, es solle das Mitgliederbegehren ausgeführt werden. Sie legten sich in dem Gespräch mit Müntefering auch nicht darauf fest, wie sie sich im Bundestag verhalten wollten, falls der SPD-Parteitag am 1. Juni den Kurs Schröders unterstützte.
In jedem Falle wollen sie das Mitgliederbegehren zu Ende bringen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, verglich die Lage der Partei mit der Endphase der Regierung Schmidt 1982 und versuchte, damit den Druck auf die Partei-Linke zu erhöhen. "Auch damals ging das so ähnlich los", sagte er.
Unsozial und gefährlich
In der Fraktionsführung gibt es die Sorge, daß es den Initiatoren gelingen könnte, die erforderlichen zehn Prozent der SPD-Mitglieder für ihr Begehren zu gewinnen. In dem Aufruf werden die von Schröder und Müntefering beabsichtigten Kürzungen in der Sozialpolitik pauschal als unsozial und für die wirtschaftliche Entwicklung gefährlich abgelehnt. Auch den beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Michael Müller und Erler, die zudem Sprecher der Parlamentarischen Linken sind, gelang es nicht, die innerparteilichen Opponenten umzustimmen. Darum äußerte sich Müntefering nach dem zwei Stunden langen Gespräch "sehr enttäuscht".
In der Unterredung blieb vor allem streitig, wie die unterschiedlichen Zeitpläne angepaßt werden könnten. Müntefering, der das Verhalten der Abgeordneten offen als "Vertrauensbruch" bezeichnete, wies darauf hin, daß als Konsequenz eines Mitgliederbegehrens es einen bis zu sechs Monate langen "Stillstand" der politischen Beratungen geben könnte. Nach den Statuten der SPD haben die Initiatoren des Mitgliederbegehrens drei Monate Zeit, die erforderlichen Unterschriften zu sammeln; diese Frist liefe am 11. Juli ab.
Prozedur von bis zu drei Monaten
Falls das Quorum zustande kommt, stünde der Parteivorstand vor der Entscheidung, das Mitgliederbegehren zu akzeptieren; Müntefering und SPD-Generalsekretär Scholz hatten schon angekündigt, das werde keinesfalls geschehen. Vielmehr werde der Parteivorstand dann den Mitgliederentscheid selbst einleiten und dafür einen eigenen Antrag zur Abstimmung stellen. Auch diese Prozedur kann bis zu drei Monaten Zeit in Anspruch nehmen. Müntefering teilte verärgert mit, die Initiatoren hätten ihm dieses Dilemma nicht auflösen können. Sie hätten auch nicht dargelegt, ob sie den Gesetzentwürfen im Bundestag zustimmen würden, falls der Parteitag den Kurs von Schröder unterstützte und das Mitgliederbegehren an dem erforderlichen Quorum scheiterte.
Ziel Münteferings ist es nun, die Initiatoren nach dem Parteitag davon zu überzeugen, dessen Entscheidung biete eine ausreichende Legitimation für den Regierungskurs und deshalb solle das Mitgliederbegehren zurückgezogen werden. Doch wäre eine solche Taktik obsolet, falls es den innerparteilichen Opponenten bis dahin gelänge, die erforderlichen knapp 70 000 Unterschriften zu sammeln.
Initiator Veit
Die Befürworter des Mitgliederbegehrens hatten vor dem Treffen mit Müntefering versichert, an ihrem Vorhaben festhalten zu wollen. Sie begrüßten zwar die Einberufung eines außerordentlichen Parteitages. "Das Mitgliederbegehren läuft jedoch wie geplant weiter." Der SPD-Abgeordnete Pronold, der zu den Initiatoren gehört, kündigte an, auch der Sonderparteitag werde genutzt werden, "um für unser Anliegen zu werben".
Doch gilt in der SPD-Fraktionsführung der Abgeordnete Veit als der eigentliche Initiator des Mitgliederbegehrens. Die SPD-Abgeordnete Sigrid Skarpelis-Sperk wies den Vorwurf Münteferings zurück, das Mitgliederbegehren sei vorbereitet worden, ohne ihn zu informieren. Vor allem die Äußerung von Wirtschaftsminister Clement, die Beratungen über Schröders Vorhaben kämen einem zweiten "Godesberg" gleich, hatte in der Partei-Linken für Empörung gesorgt. Der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Schreiner, sagte im Radio, wenn ein "grundlegender Kurswechsel" geplant sei, müßten die Mitglieder der SPD befragt werden.
Schreiner wies auch die Äußerungen von SPD-Generalsekretär Scholz zurück, der angekündigt hatte, die Parteiführung werde auf dem Parteitag keine Kompromisse eingehen; überdies gehe es um die Regierungsfähigkeit Schröders und der SPD insgesamt. Schreiner sagte: "Ich glaube, der Kanzler muß da auch ein Stück weit auf die Befindlichkeiten, auf die Stimmungen, auf die Überzeugungen der eigenen Partei zugehen."
Müntefering sagte zu den Vergleichen mit der Endphase der Regierung Schmidt: "Geschichte wiederholt sich nicht." Zugleich suchte er auf Unterschiede zur damaligen Zeit hinzuweisen und sagte, 1982 habe die FDP die Koalition mit der SPD gebrochen. Müntefering äußerte im Fernsehen: "Ich bin sicher, daß die SPD zusammen mit den Grünen diese Koalition weiterführt."
Optionen
0
0
prinzip der Solidarität.
da wird der liebe Gerd dran appellieren und
grossen erfolg haben. Inzwischen sitzen an
den meisten schaltstellen von politik und
wirtschaft alles genossen, z.B. auch Herr Kopper
ehemals deutsche bank mit frau brandt liiert.
in welcher welt lebt Ihr?
wartet lieber auf
godot
Optionen
0
REFORM-DEBATTE
Weltfinanzminister Lafontaine unterstützt Rebellion gegen Schröder
Im Streit über die Reformpläne von Gerhard Schröder hat sich jetzt auch der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine auf die Seite der Parteilinken gestellt. Der Kanzler will sich angeblich nächste Woche mit seinen Kritikern treffen, um einen Kompromiss zu finden.
Hamburg - Er unterstütze das Mitgliederbegehren der zwölf SPD- Bundestagsabgeordneten gegen die Reformvorschläge von Schröder, ließ Lafontaine über die "Bild"-Zeitung mitteilen. "Der SPD laufen die Wähler und Mitglieder davon, daher ist ein Kurswechsel dringend erforderlich", sagte der frühere saarländische Ministerpräsident. "Ich unterstütze deshalb alle Initiativen in diese Richtung. Das Mitgliederbegehren, das ich gutheiße, und der Sonderparteitag am 1. Juni stehen in direktem Zusammenhang." Der Parteitag könne allerdings nur durch eine "grundlegende Kurskorrektur" das Mitgliederbegehren ersetzen, sagte der ehemalige Bundesfinanzminister.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel, einer der Initiatoren des Mitgliederbegehrens, kündigte an: "Wir werden jetzt versuchen, bis zum Sonderparteitag so viele Unterschriften wie möglich zu sammeln, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen."
Angesichts des massiven Drucks plant Schröder unterdessen angeblich ein Kompromisspapier. Der Kanzler wolle sich Anfang nächster Woche mit führenden Vertretern des linken SPD-Flügels treffen, berichtet die "Rheinische Post". Rund 60 Abgeordnete unter Führung von Vize-Fraktionschef Michael Müller hätten ein neunseitiges Kompromisspapier verfasst und Schröder vorgelegt.
Die Autoren bestritten nicht, dass Reformen notwendig sind, forderten aber längere Übergangsfristen etwa bei der Kürzung der Arbeitslosenhilfe, berichtet die Zeitung. Die sozialen Einschnitte sollten stärker mit wirtschaftlichen Innovations-Konzepten verbunden werden. Statt Kürzungen beim Krankengeld sollten die Beitragsgrenzen der Kassen erweitert werden.
Uneinigkeit bei den Gewerkschaften
Die Haltung der Gewerkschaften in dem parteiinternen Streit ist dagegen gespalten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) will nach Angaben der "Financial Times Deutschland" seine SPD-Mitglieder nicht zur Teilnahme an dem umstrittenen Mitgliederbegehren aufrufen. "Das ist eine Angelegenheit der Partei. Der DGB fährt einen eigenständigen Kurs", zitierte das Blatt DGB-Sprecher Markus Franz. Damit stellte er sich gegen die Haltung der IG Metall. Auch der ver.di-Bundesvorstand und die IG Bergbau, Chemie, Energie hätten abgewinkt, berichtete das Blatt.
Die Gewerkschaften fürchteten, dass zunehmender Druck auf den Kanzler die Situation eskalieren lassen könnte, statt zu Korrekturen an den Reformen zu führen. Am Mittwoch hatte der ver.di-Bezirk Berlin-Brandenburg einen Appell zur Unterstützung des Begehrens gestartet.
Unterstützung erhielt Schröder unterdessen vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück sowie vom früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel. Die Partei könne es sich nicht leisten, ihren Kanzler und Parteichef in Verlegenheit zu bringen, sagte Steinbrück der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Gabriel sagte der "Berliner Zeitung", die Initiatoren des Mitgliederbegehrens negierten vollständig den Reformdruck und betrieben somit eine Oppositionsstrategie. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, sagte dem "Handelsblatt", das Frühjahrsgutachten habe gezeigt, dass der Bundeskanzler nicht locker lassen dürfe, die Agenda 2010 eins zu eins umzusetzen.
Optionen
0
Parteilinke ist über das Mitgliederbegehren zur Sozialpolitik von Kanzler Schröder uneins
Die Regierungsfähigkeit der Sozialdemokraten hängt nach Ansicht von SPD-Vizechef Wolfgang Thierse "auf Jahrzehnte", davon ab, ob das sozialpolitische Reformprogramm der Bundesregierung durchgesetzt wird. Das von einigen Bundestagsabgeordneten initiierte Mitgliederbegehren gegen den Kurs von Kanzler Gerhard Schröder führt nun auch innerhalb des linken SPD-Flügels zu Kontroversen.
me/krö/rt BERLIN/FRANKFURT A. M., 16. April. Die Vize-Vorsitzenden der IG Metall und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Jürgen Peters und Margret Mönig-Raane, kündigten am Mittwoch Unterstützung für das Mitgliederbegehren an. Peters sowie die Mehrheit des linken SPD-Flügels setzen zunächst aber darauf, dass es bis zum SPD-Sonderparteitag am 1. Juni noch zu Korrekturen am Kanzlerkonzept kommt, die das Begehren überflüssig machen. Wie groß die Chancen dazu sind, wird in Berlin unterschiedlich beurteilt. Konsenssignale aus dem Kanzleramt gibt es nach wie vor nicht. Allerdings finden immer noch Gespräche mit Sprechern des linken Flügels statt.
Die Initiatoren der Unterschriftensammlung halten einen Rückzieher nur bei eindeutigen Zugeständnissen für denkbar. Für sie ist die Existenz des Mitgliederbegehrens jetzt das einzige tatsächliche Druckmittel gegenüber dem Kanzleramt. Auf der anderen Seite wird nun über die Landesverbände Druck auf potenzielle Abweichler im Bundestag gemacht. Die bayerische SPD-Spitze distanzierte sich von Erstunterzeichnern, die aus dem Bundesland stammen. Der hessische Abgeordnete Rüdiger Veit, einer der Initiatoren des Begehrens, schloss einen Mandatsverzicht am Mittwoch aus - es sei denn, eine Mehrheit der SPD-Mitglieder votiere für einen Weg, den er für falsch halte. Das sei aber nicht zu erwarten.
Deutliche Meinungsunterschiede über das Mitgliederbegehren zeigen sich bei den SPD-Linken unter anderem darin, dass der Bundesverband der Jungsozialisten bisher nicht ausdrücklich zur Unterschrift aufrufen will. Juso-Chef Niels Annen sagte der FR, die Forderungen seien "alle richtig", aber es bleibe "jedem selbst überlassen", zu unterschreiben. Er halte es für besser, sich auf einige "Kernforderungen" zu konzentrieren als die ganze Berliner Linie zu attackieren.
Der traditionell linke SPD-Bezirk Hessen-Süd will erst Ende kommender Woche entscheiden, ob er sich der Aktion anschließt oder nicht. Wirtschaft und FDP gaben am Mittwoch Unterstützungserklärungen für die Grundlinie des Bundeskanzlers ab.
Wolfgang Thierse sagte im FR-Interview, wenn die SPD die Notwendigkeit zur Veränderung nicht akzeptiere, erlebe sie "eine solche politische Niederlage, dass sie die nächsten 10 oder 20 Jahre weg vom Fenster ist". SPD-Abgeordnete seien gewählt worden, damit Gerhard Schröder Kanzler bleibe und "nicht für die Originalität ihrer Ansichten". Die SPD stehe vor der Frage, ob sie regieren wolle. Auch Thierse hält Änderungen an dem Reformpaket für möglich, verweist dazu aber auf das "parlamentarische Verfahren": Sie vorzunehmen sei Aufgabe der Bundestagsfraktion.
Anders als Schröder spricht sich der eher dem linken Parteiflügel zugerechnete Thierse für eine umfassende Einheits-Krankenversicherung aus, die nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Freiberufler, Unternehmer und Beamte umfasst. Der Einzelne müsse ohnehin in Zukunft einen höheren Eigenbeitrag leisten, deshalb sei er dafür, "dass in die solidarischen Kassen für Gesundheit und Alter alle gleichermaßen einzahlen". Auf "der Grundlage einer elementaren Sicherung" könne dann jeder entsprechend seiner Leistungsfähigkeit individuelle Vorsorge treffen.
Der designierte IG-Metall-Chef Jürgen Peters warf Schröder hingegen vor, seine Reformvorhaben seien unsozialer als die Politik der konservativen Regierung unter Helmut Kohl. Die Schröder-Pläne würden "die soziale Schieflage, die die Kohl-Regierung durchgesetzt hatte, verschärfen", sagte Peters im FR-Interview. Insbesondere wandte er sich dagegen, dass Arbeitnehmer künftig allein das Krankengeld zahlen sollen. Dies mache deutlich, dass ein "Systemwechsel" geplant sei.
Quelle: http://www.frankfurterrundschau.de/ressorts/...df10d116c06&cnt=196020
0
17.04.2003
Kommentar
balc
Das Herz in der Mitte
SPD-Veteran Peter Glotz als Wahrsager
Teile der SPD leiden zur Zeit offenbar unter Herzrhythmusstörungen. Daß bei Sozialdemokraten in der »Mitte« angesiedelte Herz vermeinen einige Funktionsträger und viele einfache Mitglieder, nun plötzlich wieder links schlagen zu hören. Das geht in der Regel schnell vorbei, wie man bei den inzwischen beendeten Debatten um die Abschaffung der paritätischen Rentenversicherung und die Beteiligung an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen gemerkt hat.
Doch noch rumort es, und zwar so laut, daß es selbst noch im schweizerischen St.Gallen zu vernehmen ist. Dort residiert der letzte noch nicht geistig verwirrte Vorzeige-Intellektuelle der SPD auf einem gut gepolsterten Professorensessel. Als Abgeordneter, Senator, Vorständler und Bundesgeschäftsführer hat er sein ganzes Wirken ziemlich erfolgreich darauf gerichtet, seinen Genossen den Quatsch mit der Arbeiterbewegung auszureden und die Einführung von Studiengebühren schmackhaft zu machen, bevor er 1996 aus der aktiven Politik ausstieg. Für seine zur Zeit etwas kakophonische Partei hat er Beruhigendes parat. Die Sache mit dem Umbau des Sozialstaates sei doch eh längst durch, und nach ein paar kosmetischen Korrekturen an Schröders Plänen würden auch die zeternden, aber mit gesundem Machtinstinkt ausgestatteten sogenannten Linken auf dem Parteitag brav ihre Hand für Schröder heben.
So wird es wohl sein. Dann kann Schröder in Ruhe »reformieren«, Glotz in Ruhe Kommunikationsmarketing lehren, und das sozialdemokratische Herz schlägt allerorten wieder da, wo es sich zu Hause fühlt ? in der Mitte.
Optionen
0
0
hatte, selbst zu der Zeit war die SPD schon lange nicht mehr links.
Ihre "Unschuld" in dieser Hinsicht dürfte diese Partei wohl bereits kurz nach dem Ersten Weltkrieg verloren haben.
Machen wir uns nichts vor ! Wer kennt den Unterschied zwischen SPD und CDU ? Natürlich gibt es einige Nuancen. Aber in den Grundsätzen sind diese beiden Parteien wohl gleich.
Dies gilt insbesondere für die Praxis. Lange Jahre galt: Der Karrierist, der im Ruhrpott wohnt, der ist in der SPD, der, der in Bayern wohnt, eben in der CSU.
Die einzig nennenswerten Unterschiede aus jüngster Vergangenheit sind in der Aussenpolitik zu finden - Ostverträge, Irak-Krieg.
Zu erwähnen vielleicht noch, dass unter SPD-Regierungen die Gewerkschaften nie etwas zu lachen hatten. Das war schon unter Schmidt so, unter Schröder setzt sich das fort.
Der, der das bunte Polit-Leben liebt, dem bleibt der Trost, dass wir ja auch noch zwei andere, und zwar kleine, Parteien haben. Die sind nötiger denn je.
0
... auch die Gewerkschaften nicht (deren Funktionäre mit Parteibuch aber sehr wohl).
Karrierist - da fällt mir spontan der zukünftige Europa-Außenminister Joseph Fischer ein. Die Paarung Cohn-Bendit / Joseph Fischer wird ein interessantes Diplomaten-Duo.
Böse Stimmen behaupten, die Politik wäre die einzige Karrieremöglichkeit für Joseph Fischer gewesen. Mit seinem Ausbildungsstand und seiner Biographie hätte es zu etwas anderem nicht gereicht.
Optionen
0
Berlin (Agenturen/ND). Gegen die Initiatoren des SPD-Mitgliederbegehrens zum von Bundeskanzler Gerhard Schröder geplanten massiven Sozialabbau macht die Parteiführung jetzt massiv Front.
Laut SPD-Fraktionschef Franz Müntefering zielt das Mitgliederbegehren »auf eine Alles-oder-Nichts-Entscheidung«. In einem Brief an alle Fraktionsmitglieder schrieb er, ein Erfolg des Mitgliederbegehrens bringe die SPD »an den Rand der Handlungsfähigkeit« und gefährde ihre Regierungsfähigkeit. Er fühle sich auch persönlich »hintergangen«. Die Unterzeichner des Begehrens lehnen die geplanten Kürzungen bei Arbeitslosengeld, Sozialhilfe und Krankengeld ab und verlangen unter anderem, die Vermögensteuer wieder einzuführen.
Schweres Geschütz fuhr Parteivize Wolfgang Thierse auf. SPD-Abgeordnete seien gewählt worden, damit Gerhard Schröder Kanzler bleibe und »nicht für die Originalität ihrer Ansichten«, sagte er. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit, Rainer Wend, wurde persönlich: »Die eitle Selbstverliebtheit von einigen so genannten Linken in der Partei droht unser Projekt auf Dauer zu gefährden.« SPD-Generalsekretär Olaf Scholz warf den Initiatoren des Mitgliederbegehrens vor, sie hätten »konspirativ agiert«. Der Bundeskanzler und Parteivorsitzende selbst hielt den Kritikern vor, sie wollten »an etwas festhalten, dem die reale Grundlage entzogen ist«. Es komme jetzt darauf an, »dass sich die Partei mit der Wirklichkeit auseinander setzt und nicht das Wünschbare für die Wirklichkeit hält«, so Schröder im »Spiegel«.
Unterdessen erwägt der frühere SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine, am Sonderparteitag am 1. Juni in Berlin teilzunehmen. Schröders »Agenda 2010« habe »mit sozialdemokratischer Politik nichts mehr zu tun«, sagte Lafontaine der »Saarbrücker Zeitung«. Wenn die Agenda umgesetzt werde, begehe Schröder Wortbruch.
(ND 19.04.03)