Rainer Rupp Die Spur führt direkt ins Pentagon Neokonservative Kreise in den USA besorgten sich »alarmierende Informationen« aus Irak In den letzten Tagen machten insbesondere in britischen Medien Berichte über einen irakischen Offizier die Runde, der die Quelle für die »Information« des britischen Geheimdienstes gewesen sein soll, wonach Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen in 45 Minuten einsatzbereit gewesen wären. Diese Behauptung war später ungeprüft von der Blair-Regierung gegenüber dem Parlament als wichtigster Kriegsgrund angegeben worden. »Ich bin es gewesen«, brüstete sich der 40jährige ehemalige Oberstleutnant der irakischen Streitkräfte Al Dabbagh in einem Interview mit dem Sunday Telegraph. Nach Aussage des Direktors der britischen Aufklärung, MI6-Chef Richard Dearlove, stammte die 45 -Minuten-Behauptung nur aus einer einzigen, aber »glaubwürdigen« Quelle innerhalb der irakischen Truppen. Inoffiziell hatten britische Geheimdienstler seither behauptet, der Informant sei während des Krieges getötet worden. Da im Irak bisher keine Massenvernichtungswaffen gefunden wurden, die Blair-Regierung aber immer noch auf deren Existenz dort beharrt, ist sie zunehmend in Erklärungsnot geraten. Statt der 45-Minuten-Waffen hat sie nun den 45-Minuten-Mann der Öffentlichkeit präsentiert, der zweckmäßigerweise ebenfalls behauptet, daß immer noch irakische Massenvernichtungswaffen einsatzbereit in Verstecken lägen.
Derweil meldet das US-Nachrichtenmagazin Newsweek unter Berufung auf ein ihm vorliegendes internes Memorandum aus dem Büro des US-Vizepräsidenten Dick Cheney, daß die prowestliche Gruppierung »Irakischer Nationalkongreß« (INC) an den US-Geheimdiensten CIA und DIA vorbei »Informationen« über Saddam Husseins angebliche Massenvernichtungswaffen auf direktem Weg an hochrangige Mitarbeiter von Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld lieferte. In dem Memo werden die Namen von John Hannah im Büro des Vizepräsidenten und William Luti im Stab von Rumsfeld als Kontaktpersonen für die »nachrichtendienstlichen« Berichte des INC angegeben. Dies läßt tief blicken, denn Hannah arbeitet dem Stabschef Cheneys, Lewis (Scooter) Libby, zu, der neben Richard Perle und Paul Wolfowitz einer der neokonservativen Chefarchitekten des Irak-Krieges ist. Luti, der im Pentagon das »Office of Special Plans«, die Geheimabteilung zur Planung des Irak-Kriegs leitete, arbeitet für den stellvertretenden Verteidigungsminister Wolfowitz. So lieferten ? nicht ohne Eigennutz ? die Vertreter des INC an den etablierten Regierungsstellen vorbei die von den Neokonservativen gewünschten Nachrichten.
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