Irakische Rebellen übernehmen Kontrolle zweier Städte Donnerstag 8 April, 2004 16:15 CET - Von Alistair Long - Bagdad (Reuters) - Erstmals seit dem Sturz Saddam Husseins vor einem Jahr haben im Irak Aufständische wieder die Kontrolle über zwei Städte erlangt. Der US-Oberbefehlshaber im Irak, Ricardo Sanchez, sagte am Donnerstag, Rebellen des radikalen schiitischen Geistlichen Moktada el Sadr hätten die Städte Nadschaf und Kut in ihre Hand gebracht. Er kündigte an, dass die Besatzungstruppen die Städte im Süden des Landes zurückerobern und die Mehdi-Miliz El Sadrs zerschlagen wollten. Bislang unbekannte irakische Gruppen nahmen mehrere Japaner und Südkoreaner als Geiseln. Der Fernsehsender El Dschasira berichtete, eine Gruppe drohe, zwei Männer und eine Frau aus Japan zu töten, falls die Regierung in Tokio nicht innerhalb von drei Tagen ihre Truppen aus dem Irak zurückziehe. Mehrere deutsche Hilfsorganisationen erwägen wegen der schweren Kämpfe ihre Kräfte aus dem Land abzuziehen. In Nadschaf sind unter anderem spanische und ukrainische Soldaten stationiert. El Sadr hatte sich nach Beginn des Aufstands am Sonntag in der rund 250.000 Einwohner zählenden Stadt mit seinen Kämpfern verschanzt. Der 30-Jährige hat angekündigt, seine Rebellen würden ihren Widerstand gegen die Besatzungstruppen fortsetzen, bis diese das Land verlassen. US-OBERBEFEHLSHABER LEHNT VERGLEICH MIT VIETNAM AB Auf die Frage, ob US-Truppen nach Nadschaf und Kut entsandt würden, sagte Sanchez: "Wir werden alles Notwendige tun, um die Mehdi-Miliz zu besiegen, egal wo sie sich auf dem Schlachtfeld befindet." Sanchez wies zugleich den von Kritikern von US-Präsident George W. Bush ins Spiel gebrachten Vergleich mit dem Vietnam-Krieg zurück. "Es sind zwei völlig verschiedene Schlachtfelder, und ich würde nicht einmal damit beginnen, dies als ein Vietnam für die amerikanischen Truppen zu bezeichnen." Nach dem Tod zehntausender Soldaten hatten die USA Anfang der siebziger Jahre ihre Truppen aus Vietnam abzogen. Die Niederlage gegen die militärisch weit unterlegenen Guerilla-Kämpfer des Vietcong gilt bis heute als schweres Trauma für das US-Militär. Die japanische Regierung erklärte, sie plane keinen Abzug ihrer rund 550 Soldaten und forderte die sofortige Freilassung der japanischen Geiseln. El Dschasira hatte zuvor ein Video einer der Geiselnehmer ausgestrahlt. Darin waren drei Japaner in Zivilkleidung zu sehen, die von der Gruppe gefangen gehalten werden sollen. Mindestens eine Geisel besaß einen Presseausweis. Japan müsse sich innerhalb von drei Tagen aus dem Irak zurückziehen, sonst würden die Gefangenen umgebracht, forderten die Geiselnehmer. Nach Angaben der südkoreanische Regierung hielt eine irakische Gruppe zudem sieben südkoreanische Kirchenvertreter fest. Forderungen waren zunächst nicht bekannt. Südkorea hat zur Unterstützung der US-geführten Besatzungstruppen im Irak 600 Ingenieure und Ärzte im Irak. DEUTSCHE HILFSORGANISATIONEN ERWÄGEN RÜCKZUG Wegen der angespannten Lage erwägen deutsche Hilfsorganisationen, ihre Mitarbeiter aus dem Krisengebiet zurückzuziehen. Es sei nicht mehr auszuschließen, dass sich ein Großteil der deutschen Helfer für einige Zeit völlig aus dem Irak zurückziehe, weil die Lage für sie zu gefährlich werde, erklärte die "Aktion Deutschland Hilft" (ADH). Zur ADH gehören der Malteser Hilfsdienst, die Johanniter, der Arbeiter Samariter Bund, die Arbeiterwohlfahrt, CARE, der Paritätische Wohlfahrtsverband und World Vision. In den Außenbezirken der irakischen Hauptstadt Bagdads und in der sunnitischen Hochburg Falludscha gab es am Donnerstag heftige Gefechte. In Falludscha schlug eine Rakete in einem Wohnhaus ein. Der Direktor des größten Krankenhauses der Stadt, Rafi Hajat, berichtete von drei toten Zivilisten und 15 Verletzten. In den vergangenen Tagen seien bei Gefechten in der Stadt zwischen 280 und 300 Iraker getötet und mindestens 400 verletzt worden. Die US-Armee fahndet in Falludscha nach den Verantwortlichen für den Angriff auf vier amerikanische Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma, die in der vergangenen Woche getötet und deren Leichen geschändet worden waren. Die USA erwägen wegen der schwersten Kämpfe im Irak seit dem Sturz Saddams im April 2003 im Irak mehr Soldaten als bislang geplant einzusetzen. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagte am Mittwoch, wegen des laufenden Truppenaustausches sei die Zahl der US-Soldaten im Irak planmäßig auf 135.000 gestiegen. Es sei wahrscheinlich, dass einige erfahrene Soldaten nun länger als geplant im Irak blieben, "um die Situation zu bewältigen".
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