Ein offenes WortKarlsruhes Elite logiert im Steinbruch | Es herrscht Schönwetter im Ehrenhof der Universität (Foto: pr) |
| Ein Kommentar von Stefan Jehle und Holger Keller
Die älteste Technische Hochschule Deutschlands, die 1825 gegründete Fridericiana, hat am vergangenen Freitag höchste Lorbeeren in die Fächerstadt geholt. "Wir sind Elite", titeln inzwischen die Gazetten. Rund 18.000 Studierende machen künftig ihr Diplom, ihren Bachelor oder Master nicht mehr nur an einer schlichten TH - sondern an einer der ersten drei bundesdeutschen "Elite-Unis". Doch bei aller Euphorie gibt es auch einige Wermutstropfen, sind da doch noch einige Hausaufgaben zu machen.Es war beeindruckend, in welcher Einhelligkeit sich die Politiker am Freitagnachmittag und selbst noch am Abend mit öffentlichen Stellungnahmen die Klinke in die Hand gaben. Eben diese Politiker müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass Karlsruhes Elite derzeit eher in einem Steinbruch logiert. Die Studierenden aus aller Herren Länder, und mit ihnen rund 3.000 Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter arbeiten seit Jahren in einer der Zahl nach überwiegend arg heruntergekommenen Gebäuden. Da ist manches wirklich nicht vorzeigbar, gleiches gilt übrigens für das Forschungszentrum, das mittelfristig mit der Uni fusioniert werden soll. Gebäudeversicherung zahlt für die Sanierung Zwar bekam auch die Karlsruher Universität kurz nach der Jahrtausendwende erstmals ein so genanntes "Audimax", ein "Auditorium Maximum" - einen Veranstaltungssaal, der zugleich für Vorlesungen genutzt werden kann, und wie er schlichtweg zu jeder modernen Universität gehört. Und jetzt zum Jahreswechsel bekam die Fridericiana zudem eine standesgemäße Bibliothek, wie es einer "Forschungsuniversität" gebührt. Bei der bis dahin genutzten Magazinbibliothek konnte man sich schon manches Mal die Frage stellen, wie die Studierenden - trotz der widrigen Umstände - überhaupt ihren Abschluss schaffen konnten. Audimax und 24-Stunden-Bibliothek, und auch das "International Departement": das sind lange überfällige Investitionen, die den Sanierungsstau in anderen Gebäuden nicht vergessen machen können. | Fassade des Chemie-Gebäudes: Der Zahn der Zeit nagt (Foto: ka-news) |
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Salopp formuliert: eigentlich müssten die in den nächsten Jahren jährlich fließenden 20 Millionen Euro zuallererst dafür verwendet werden, einige wichtige Gebäude der Uni "winterfest" zu machen. Da gibt es bröckelnde Fassaden, und gar nicht so wenige Fenster, die anmuten, als wären sie Bestandteil von osteuropäischen Plattenbauten der siebziger Jahre. Niemand will ernsthaft neuerliche Unfälle wie jüngst in einem Chemiebau heraufbeschwören, auf dass die Gebäudeversicherung für die notwendigen Sanierungskosten aufkommen möge. Rettung der Geisteswissenschaftler in letzter Sekunde Während das moderne Audimax wirklich repräsentativ war für den Besuch des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) im Jahr 2002, war es der Hörsaal, in dem - neben der Übertragung auf Außenleinwände - Ende der neunziger Jahre Microsoft-Milliardär Bill Gates seine Anspache hielt, mitnichten. Da gibt es also, bei aller berechtigten Euphorie, doch noch viel zu tun. Und noch ein Wermutstropfen sei vergossen: eine der kleinsten, aber vielleicht dennoch auch feinsten Fakultäten stand in den neunziger Jahren kurz vor dem Aus. Im Rahmen des Solidarpaktes dachte das damals von Klaus von Trotha (CDU) geführte Wissenschaftsministerium in Stuttgart doch ernsthaft daran, die Geistes- und Sozialwissenschaften aufzulösen. Die nach Studierendenzahl kleine, aber doch mit renommierten Lehrstühlen bestückte Fakultät konnte erst durch vehementen Einsatz des damaligen Rektors Sigmar Wittig, von Haus aus Strömungstechniker und heute Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrttechnik (wie das Forschungszentrum Karlsruhe Teil der Helmholtz-Gesellschaft), und anderer Mitstreiter gerettet werden. Ein gutes Händchen ist gefragt | Lichtblick 24-Stunden-Bibliothek (Foto: ka-news) |
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Die in den fünfziger Jahren eingerichtete Fakultät für Germanisten und Geschichtswissenschaftler, Philosophen und Soziologen erlaubt es der Fridericiana überhaupt erst, den ubiquitären, zum Allgemeingut gewordenen Titel "Universität" zu führen. Sigmar Wittig erkannte die Universität als Ort der Wissensvermittlung, und die Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften seinerzeit "als anerkannten Hort zur Bildung von Sozialkompetenz und eines breiten, nicht nur auf Naturwissenschaften beschränkten Bildungshorizonts". Dem rührigen Machertyp Horst Hippler, derzeit Rektor und gleichzeitig Lehrstuhlinhaber für Molekulare Physikalische Chemie, der schon bei der Entscheidung um die Stadt der Wissenschaft vor zwei Jahren seine Kompetenz in der Profilbildung für die Technische Hochschule im Herzen der Fächerstadt bewies, ist ein glückliches Händchen zu wünschen, damit solche Tabularasa-Pläne wie 1997 nicht noch einmal auf den Tisch kommen. 293 Millionen Euro versus 21 Millionen Euro Vor allen Jubelarien um die Karlsruher Forschungselite darf nicht vergessen werden, dass die Fridericiana auch einen Lehrauftrag hat. Im Schlaglicht angekündigter Millionen für die Forschung gerät dieser Umstand schnell in den Hintergrund. Folgerichtig bemerkt Boris Bartenstein, Vorsitzender des unabhängigen Studierendenausschusses, auch, dass neben der Forschung an Lichtwellenleitern und Nanomaschinchen die Lehre eine der Kernkompetenzen der TH sein sollte. Nur, von den Exzellenz-Millionen, sehen die meisten Studenten erst einmal keinen Cent. Die nun fließenden Gelder würden auch gar nicht reichen, um die vielerorts auf dem Campus zu kleinen Vorlesungs- und Seminarräumen zu sanieren. Ende 2004 errechnete der Landesrechnungshof in Karlsruhe einen Bedarf von 293 Millionen Euro für die Instandsetzung der Gebäude auf dem Karlsruher Campus. Da erscheint es ja doch ganz vernünftig, dass die 21 Millionen Euro jährlich in die Forschung fließen. Würde man sich mit diesem Geld an die Sanierung wagen, müsste man wohl die Handwerker nach dem Anstrich der Fassaden schon wieder nach Hause schicken. |