Heute in der Leipziger Volkszeitung:
Dresden. Die Krise des Dresdner Chipwerks Qimonda hat den sächsischen Landtag erreicht. Während in Hinterzimmern Krisengespräche mit Spitzenmanagern zur Rettung des akut bedrohten Unternehmens laufen, kam es im Parlament zu einem Schlagabtausch über das Engagement des Freistaats. Die Linke plädierte für mehr Einsatz vom Land, die FDP sieht selbst in einer Insolvenz ein Chance. Dagegen sprach sich die Staatsregierung für ein Rettungspaket mit Augenmaß aus, konkrete Ergebnisse präsentierte sie nicht. Noch am Mittwochabend hatte sich hoher Besuch eingefunden im sächsischen Landtag. Die Chefs von Qimonda (Kin Wah Loh) sowie Infineon (Peter Bauer), das rund 77 Prozent der Qimonda-Aktien hält, trafen sich an der Elbe mit Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD), Finanzminister Georg Unland (parteilos) und Staatskanzleichef Johannes Beermann (CDU). Das Thema war eindeutig: Sachsen will sich an der Rettung des angeschlagenen Chipwerks beteiligen ? nicht nur wegen der 3200 Arbeitsplätze, auch wegen der strategischen Bedeutung fürs gesamte Land. Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) stellte genau dies auch gestern wieder im Plenum klar, und er gab sich optimistisch. ?Sehr konstruktiv? seien die Gesprächen verlaufen, meinte er, Sachsen stehe ebenso mit der Bundesregierung und der Europäischen Union in Kontakt. Nach Aussage von Jurk hat Qimonda ?momentan die Technologieführerschaft? auf dem Markt, sei der weltweiten Konkurrenz um eineinhalb Jahre voraus. Auch gelte es die leistungsfähigen Mitarbeiter am Standort Dresden zu halten, wegen der Steuereinnahmen in Stadt und Land. Bei der Debatte um die Rettung allerdings sei nicht zuletzt Infineon gefragt. Das Mutter-Unternehmen müsse sich ebenfalls engagieren, ?denn Eigentum verpflichtet?, sagte Jurk. Dies gelte auch mit Blick auf die EU, die staatliche Rettungspakete stets mit Argwohn beobachtet, um Marktverzerrungen zu unterbinden. Intern zeichnete sich gestern erstmals Bewegung ab. Zwar seien die Gespräche noch nicht abgeschlossen, hieß es, es gehe aber derzeit vor allem noch um eines: die Höhe der Beihilfe. Gehandelt wird ein dreistelliger Millionenbetrag, etwa in der Höhe der Hilfe für die Landesbank vor einigen Jahren ? also rund 300 Millionen Euro. Hinter der Qimonda-Krise steckt ein beinharter Verdrängungswettbewerb. Weltweit leidet die Branche unter einem rapiden Preisverfall. Den Unternehmen droht das, was man Marktbereinigung nennt. Für den Freistaat ist dies ein enormes Problem. Mit Qimonda steht einer der herausragenden Leuchttürme der sächsischen Industriepolitik vor der Insolvenz ? und mit ihm der einzige bedeutende Chipstandort europaweit. Dabei gibt es auch in der Staatsregierung unterschiedliche Ansätze. Während das SPD-geführte Wirtschaftsressort dazu tendiert, Qimonda mit staatlichen Beihilfen zu retten, gibt sich das CDU-dominierte Finanzressort beim Thema zugeknöpft. Dazwischen steht die Staatskanzlei mit Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) an der Spitze. Und so war es nicht zufällig er, der erst vor kurzem öffentlich zu Protokoll gab, das Land lasse sich von Infineon nicht erpressen. Die Opposition im Landtag sah das gestern teilweise anders. Karl-Friedrich Zais (Linke) kritisierte das ?jämmerliche Agieren der Staatsregierung?, deren Konzept nicht erkennbar sei. Gleichzeitig forderte er einen Schutzschirm für die Qimonda-Beschäftigten. Karl-Heinz Gerstenberg (Grüne) plädierte ebenfalls für ein Rettungspaket, wenn auch ?nicht um jeden Preis?. Radikal wirtschaftsliberal gab sich dagegen die FDP. Nach Ansicht des Abgeordneten Sven Morlok ist ?eine Insolvenz auch eine Chance?. Damit könnten Fördermittel zurückgefordert werden und so neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen. Mitte Oktober hatte Qimonda angekündigt, knapp 1000 der etwa 3000 Stellen am Standort Dresden abzubauen. Infineon-Chef Bauer hatte vor wenigen Tagen gesagt, dass der Konzern seine Tochter gegenwärtig nicht mit eigenen Mitteln unterstützen könne. Grund: Auch Infineon steckt tief in den roten Zahlen, hatte das Geschäftsjahr 2007/08 mit einem Fehlbetrag von 3,12 Milliarden Euro abgeschlossen. Zuvor hatte der frühere Infineon-Chef Ulrich Schumacher Spekulationen um einen Einstieg seines chinesischen Arbeitgebers Grace zurückgewiesen. ?Wir werden uns nicht am Geschäft mit Standard-Speicherchips beteiligen?, sagte der Grace-Vorstandschef.
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