Interessanterweise wurden von der FDA in der Vergangenheit Tests zugelassen, die eine durchaus schlechtere Performance als EpiProColon aufweisen. Bspw. der so genannte PAPsmear Test zur Diagnose von Cervix Cancer (Gebärmutterhalskrebs). Dies ist ein invasiver Test bei dem ein Abstrich gemacht wird. Hier ist es genau anders herum: Die Sensitivität ist schlecht und liegt bei nur 50%, d.h. es werden bei den Patienten 50% falsche Negative festgestellt. Diese Patienten rutschen also durch das Screening und werden nicht als krank erkannt, d.h. der Krebs kann sich ausbreiten. Die Spezifität ist dagegen sehr gut und liegt bei 98,5%. Es werden also wenig falsche Positive ermittelt. Dieser Test ist trotz der schlechten Sensitivität kommerziell sehr erfolgreich.
Ähnlich beim PSA Test, ein ebenfalls vor Jahren zugelassener blutbasierter Test zur Detection von Prostata Krebs. Durch die schlechte Performance, sehr umstritten, werden bspw. nach Diagnose Operationen vorgenommen, die medizinisch gesehen unnötig sind und dadurch zu Verschlechterung der Lebensqualität, psychischen Störungen, Erektionstörungen führen. Man spricht auch von Overdiagnosis. Die Sensitivität beträgt nur 34,9% und die Spezifität 63,1%
Fragwürdig auch die Zulassung des Wirkstoffs Flibanserin, addyi. Dieses Präparat, ursprünglich von Böhringer Ingelheim als Antidepressivum entwickelt, zur Steigerung der weiblichen Libido hat eher geringe Wirksamkeit und wirkt nur bei einem geringen Prozentsatz der Frauen. Der Wirkstoff kann in Kombination mit bestimmten anderen Medikamenten und Alkohol gefährlichere Nebenwirkungen haben. In den USA wird addyi deshalb mit einer Warnung versehen. Blutdruckabfälle bis zur Ohnmacht drohen, sollten Frauen die betreffenden anderen Medikamente einnehmen oder Alkohol trinken.
Im Bericht der FDA zur Zulassung ist unter anderem zu lesen: "Die Sicherheit von Flibanserin wird verbessert, wenn es zur Zubettgehzeit von Patientinnen genommen wird, die wissen, dass der Wirkstoff Schwindel, niedrigen Blutdruck und Ohnmacht auslösen kann." Von einer Einnahme am Tage wird abgeraten. Ärzte sollen geschult werden, bevor sie das Präparat verschreiben.
Dennoch, im 3. Anlauf hat die FDA addyi zugelassen.
Was ist nun das Thema bei EpiProColon und warum tut sich die FDA schwer mit der Zulassung? Es ist ein epigenetischer Test. Ohne Frage ist "liquid biopsy" der Goldstandard in der Krebsfrüherkennung der Zukunft - ein milliardenschwerer Markt. Hier sind einige Wettbewerber neben Epigenomics seit Jahren im Markt zugange. Die Tests müssen jedoch noch verbessert werden, gerade mit Hinblick auf die Spezifität. Denn es werden ethische Bedenken angemeldet. Im Bluttest wird Genmaterial festgestellt, welches auf Krebs hinweist. In einem sehr frühen Stadium stellt das ein Arzt fest. Im schlimmsten Falle muss er dem Patienten sagen, dass er wahrscheinlich an Krebs erkrankt ist, der Arzt weiß aber nicht wo er suchen soll. Damit wäre das für den Patienten eine starke psychische Belastung. In der FDA Einschätzung zur EpiProColon wurde u.a. ein Grund für die geringe Spezifität von EpiProColon aufgeführt: S. 21: http://www.fda.gov/downloads/AdvisoryCommittees/...anel/UCM390221.pdf
"Second, the false positive results could result from the presence of cancer other than CRC. In the analytical specificity study assessing cross reactivity of Epi proColon, positive test results were detected in several non-CRC cancer specimens, including hepatocellular carcinoma, as well as cancers of the stomach, kidney, lung, bladder, prostate, and breast."
Ich will damit nur sagen, dass die Zulassung epigenetischer Tests im Allgemeinen eine Art Pandora's Box sein könnte, die die FDA durch Zulassung eines Produktes öffnen würde. Davor könnte sie Angst haben. Denn eine Reihe weitere Unternehmen stehen in der Pipeline mit derartigen Tests auch für andere Krebsarten. Möglicherweise haben diese eine weitaus schlechtere Performance als EpiProColon. Dennoch, diese Entwicklung läßt sich nicht aufhalten und das Unternehmen mit einer sehr guten Test-Performance wird in Zukunft sehr viel Geld verdienen. Ich denke, dass es für Epigenomics nach wie vor sehr gute Chancen gibt. Der Einspruch bei der FDA ist richtig, gleichzeitig jedoch auch eine Entscheidung aus der Not heraus, denn die liquiden Mittel reichen nur noch bis Q2 2016. Eine neue Studie zur Adherence müsste durch eine KE oder besser durch finanzielle Mittel bestehender Ankerinvestoren gestemmt werden. Der Faktor Zeit ist aber genauso wichtig. Das Patent für Septin9 läuft m.E. seit 2005 und Wettbewerber wie VolitionRX haben einen ebenfalls blutbasierten Darmkrebstest mit berichteter besserer Spezifität (die US Zulassung ist noch weit weg). Allerdings hatte Epigenomics bei ersten Studien auch eine höhere Spezifität. Volition muss das sicher noch durch weitere Studien unterlegen. Ich glaube an einen positiven Ausgang beim FDA-Einspruch in Q1 2016. EpiProColon hat einen hohen Wert, medizinisch und auch volkswirtschaftlich. Möglicherweise erfolgt eine Zulassung mit Auflagen und ein entsprechendes Labelling.
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