Es ist nicht die Aufgabe der FDA wirtschaftliche Auswirkungen eines Wirkstoffkandidaten oder Tests zu beurteilen. Es geht bei Zulassungen vielmehr um die Beurteilung von Gesundheitsrisiken und Wirksamkeit (Efficacy). Aufgrund der schlechteren Specificity von EpiProColon ggü. FIT kam die FDA in 2014 zu dem Urteil, dass eine ausreichende Wirksamkeit des Tests nicht gegeben sei. Die Rate der falsch positiven Testergebnissen beträgt ca. 20%. Die bei FIT nur 2,5%. D.h. obwohl kein Darmkrebs vorliegt, müßten sich 20% der mit EpiProColon getesteten einer nachfolgenden Darmspiegelung unterziehen. Dennoch werden aus dieser Gruppe wiederum 30-50% mit Polypen, Adenomen oder andere Krebsvorstufen entdeckt, die dann auch bei diesem Vorgang operativ entfernt werden. Zusätzlich soll nach den US Vorsorgerichtlinien ohnehin jeder US Amerikaner einmal in 10 Jahren zur Darmspiegelung. Es soll bis 2018 eine Adherence Rate zur Darmkrebsvorsorge von 80% erreicht werden (ACS Goal). Wir befinden uns in einem Gesundheitssystem, dass unabhängig von den Kosten für jeden US Amerikaner eine Darmspiegelung vorsieht.
Wenn also nur die gesundheitlichen Risiken durch die FDA beurteilt werden, können nur zwei Aspekte dazu geführt haben, die Zulassung für EpiProColon nicht zu gewähren:
1.§Psychologische Aspekte: Zu viele Patienten werden durch ein falsch positives Ergebnis in Angst und Schrecken versetzt, Darmkrebs zu haben, obwohl sie nicht krank sind. Eine Klärung bringt dann erst die Darmspieglung. Ganz umsonst wäre diese aber nicht, siehe oben.
2.§Bei den durch Darmspiegelung unnötig untersuchten Menschen kommt es bei einem geringen Anteil zu Folgeschäden (adverse events). Das können Entzündungen, Blutungen oder Perforation des Darmes sein. Das Risiko hierfür beträgt aber lediglich 0,68% der untersuchten Fälle.
Die FDA hatte 2014 die Zulassung nicht abgelehnt, sondern weitere Daten eingefordert, da sie ja offensichtlich einen Mehrwert in einem blutbasierten Test erkennt. Für die FDA stand die Frage (trotz schlechtere Efficacy ggü. FIT), ob die in ihren Augen bestehenden Risiken überkompensiert werden können durch eine höhere Netto-Teilnehmerrate bei Angebot eines blutbasierten Tests und zwar ohne, dass es zu einer Substitution der FIT Nutzer kommt? Wie bekannt ist, wurden die Ergebnisse der letzten Adherence-Studie nicht anerkannt, da die Teilnehmerarte für FIT über 80% betrug, normalerweise ist sie weit unter 20%. Damit wird wohl auch die hohe Teilnehmerrate von fast 100% für EpiProColon angezweifelt. Epigenomics müßte eine neue, anders konzipierte Studie beibringen, die Zeit (1,5 Jahre) und Geld (1 Mio.) kostet. Da das Design der Studie jedoch gemeinsam mit der FDA abgestimmt wurde, rechnet sich Epigenomics Erfolg durch einen Einspruch aus. Nach dem Willen von Epigenomics sollen erst nach der Zulassung von EpiProColon Daten über die Teilnehmerrate erhoben werden.
Wenn es tatsächlich um den volkswirtschaftlichen Nutzen von EpiProColon ginge, müßte der Test zugelassen werden.
Meine Argumentation stützt sich auf die Präsentation von Epigenomics vor dem FDA Panel und die FDA Executive Summary von 03.2014:
http://www.fda.gov/downloads/advisorycommittees/...anel/ucm391098.pdf
http://www.fda.gov/downloads/AdvisoryCommittees/...anel/UCM390221.pdf
Nach der Präsentation von Epigenomics lassen sich 1/3 der 50-75 jährigen US Amerikaner, das sind 23 Mio, nicht auf Darmkrebs testen. D.h. die Grundgesamtheit beträgt 69 Mio. und ist damit der relevante US Darmkrebs-Markt in dieser Altersgruppe. Die Teilnehmerrate für Darmkrebsvorsorge beträgt in den USA ca. 65%. Das wären dann 44,8 Mio der Zielgruppe. Das Ziel für die Darmkrebsvorsorge nach US Richtlinie 2018 beträgt 80% Teilnehmerrate. Das wären 55,2 Mio. Amerikaner. Also beträgt die Differenz zwischen 65% und 80% 10,4 Mio. US Amerikaner. Das sind Menschen, die sich bisher keiner Vorsorgemaßnahme unterzogen haben und stellen damit den relevanten Markt für EpiProColon dar. Das ist die Lücke, die Epigenomics schließen will (closing the gap).
Anmerkung: Jährlich gibt es in den USA 142.600 neue Darmkrebsfälle und 51.400 Todesfälle durch Darmkrebs. Die geschätzten direkten Behandlungskosten für Darmkrebs in den USA betragen ca. 9 Mrd. pro Jahr. Die Behandlungskosten bei einer frühen Diagnose betragen ca. 30.000 US$ pro Patient - bei einer fortgeschrittenen Darmkrebserkrankung betragen die Kosten hingegen 120.000 US$ pro Patient.
Da sich im Gesundheitssystem der USA nicht jeder einen blutbasierten Darmkrebstest leisten kann (Kosten 150€ pro Test), wird Epigenomics von diesem Markt nur einen gewissen Teil erreichen. Wenn man im Durchschnitt 10% dieses Marktes zugrunde legen würde, könnten möglicherweise 1 Mio. gut situierter US Amerikaner pro Jahr erreicht werden (der Test wird sicher im Turnus von 2-3 Jahren wiederholt). Da die Specificity von EpiProColon nur 80% beträgt, würde jeder 5. falsch positiv getestet und müßte zur Darmspiegelung. Dies wären 200.000. Eine Darmspiegelung kostet ca. 1.000US$. Die zusätzlichen Kosten für das US Gesundheitssystem wären also 200 Mio US$ pro Jahr. Mit Hinblick auf die so genannten adverse events (Entzündungen, Blutungen, Perforation des Darms) im Zuge einer „unnötigen“ Darmspiegelung, deren Wahrscheinlichkeit 0,68% beträgt, kann es bei Unterstellung der hier vorliegenden Zahlen zu 1.360 solcher Fälle kommen. D.h. hier würde es noch einmal zu Nachbehandlungen kommen. Unterstellte man ca. 15.000 US$ pro Fall, wären das noch einmal zusätzlich 20 Mio. US$ pro Jahr.
Nach der Präsentation von Epigenomics kann der Test aus 100.000 Teilnehmern 505 von 700 Krebsfällen finden. Da sich die für Epigenomics relevante Grundgesamtheit bisher ja nie einer Darmkrebsvorsorge unterzogen hat, würden 0,5% von 1 Mio. an Darmkrebs erkranken. Da bei vielen der Krebs möglicherweise erst in Phase III-IV festgestellt werden würde, würde ein Großteil dieser Menschen früher sterben. 0,5% wären ca. 5.000 Personen. Da es sich bei der Personengruppe um gutsituierte Amerikaner handelt, ist zu unterstellen, dass sie gemessen an Ihrem Einkommen einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen pro Jahr stiften. Diese Ingenieure, Ärzte, Professoren und Firmeninhaber könnten möglicherweise einen Mehrwert pro Jahr von 200.000US$ (und mehr) im Durchschnitt schaffen. Wenn diese Personen sterben, schaffen sie keinen Wert mehr. Also sprechen wir über ca. 1 Mrd. US$ pro Jahr Mehrwertvernichtung, Steuerausfälle, etc. Hinzu kommen die Kosteneinsparungen aus früher Darmkrebsdiagnose, s.w.o. Dem gegenüber stehen 220 Mio. US$ höherer finanzieller Belastung pro Jahr aus falschen Positiven für die Krankenkassen. Unterm Strich wäre die volkswirtschaftliche Rechnung demnach positiv.
Fazit: Da die FDA eigentlich nur die gesundheitlichen und nicht wirtschaftliche Aspekte dieses Tests zu beurteilen hat, steht die Frage, ob den 20% der „unnötig“ Verschreckten, eine zusätzliche psychische Belastung und eine anschließende Darmspiegelung zugemutet werden kann mit dem Zusatz dass bei 30-50% dieser Personengruppe Krebsvorstufen, wie Adenome und Polypen erkannt und entfernt werden können. Weiter ist zu fragen ob die 0,68% dieser 20%-Gruppe eine Verletzung des Darms zugemutet werden kann?
Wenn meine Rechnung stimmt dann könnten theoretisch 5.000 Menschen pro Jahr von den aktuell 51.400 Darmkrebstodesfällen gerettet werden. Das sind immerhin 9,7%.
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