Internet-Telefone für Afrika, Nano-Partikel im Wundermittel
Von Arvid Kaiser Eine verlockende Story, jubelnde Börsenbriefe, Kursrallys: Mit zweifelhaften Methoden haben ein paar Jungunternehmer ein unbekanntes Unternehmen an die Börse gebracht - und Millionen verpulvert. Das ist nur einer von mehreren Fällen. Anleger können sich nur selbst schützen.
Hamburg - Wenigstens ist die Idee originell. Internet-Telefondienste für den afrikanischen Markt, an diesem Geschäft haben sich noch nicht viele versucht. Eine interessante Wachstumsstory, das war es, was Khaled Akid, Jan Malkus und Markus Grossmann mit ihrer Amitelo AG den risikofreudigen Anlegern im Entry Standard, dem Startup-Segment der Deutschen Börse, boten.
Doch inzwischen ist die Gemeinde in Verteidiger und Kritiker zerfallen. Das Wort "Skandal" umweht die Amitelo-Aktie , einen der meistdiskutierten Titel in deutschen Börsenforen. Im April berichtete das ZDF-Magazin "Frontal 21", die Firmenzentrale in Zürich sei nicht besetzt und das Technikzentrum im spanischen Ceuta existiere gar nicht. Ein kanadisches Telekomunternehmen, das Amitelo für übernommen erklärte, habe dagegen geklagt. Nach diesen Schreckensnachrichten stürzte die Aktie um 75 Prozent ab. Als Akid die Vorwürfe ausräumen wollte, wurde es nur noch schlimmer. Nach der Pressekonferenz warteten ein Insolvenzverwalter und ein Gerichtsvollzieher auf ihn, wegen Forderungen aus einem früheren Unternehmen.
Der jüngste Schlag für den Aktienkurs kam, als die Firma die Präsentation ihrer Bilanz für 2006 in der vergangenen Woche schon zum zweiten Mal verschob - ganz kurzfristig am Vorabend des angekündigten Termins. Die Abschlussprüfer hätten Mehraufwand zu bewältigen, hieß es - wegen der "einseitigen negativen Medienberichterstattung im April" und "unberechtigten Zweifel an den bestehenden geschäftlichen Aktivitäten". Der Jahresabschluss solle aber "noch im Mai" vorgelegt werden.
Ist das Unternehmen also tatsächlich zum Teil nur erfunden? "Sie werden genug Geschäft machen, dass es den Anschein wahrt", meint Matthias Schrade, Geschäftsführer des Düsseldorfer Analysehauses GSC Research. Das erinnert an die Neuer-Markt-Firma Comroad, die 98 Prozent ihrer Umsätze fingiert hatte. Doch mit diesem Vorbild dürften die Aktionäre wenig glücklich sein.
"Genau wie am Neuen Markt"
Amitelo ist nicht der erste Titel im 2005 aufgelegten Entry Standard, der ins Zwielicht gerät. Der Nanotech-Firma Neosino wurde vorgeworfen, ihr sportmedizinisches Wundermittel enthalte entgegen den eigenen Angaben gar keine Nano-Partikel. Im März wurde das erste Insolvenzverfahren des jungen Börsensegments über die Telekomfirma Eutex eröffnet. Die Aktie gehört trotzdem noch zu den 30 meistgehandelten Werten, die den Auswahl-Index des Entry Standard bilden.
Just auf diesen Index hat HSBC Trinkaus & Burkhardt nun das erste Zertifikat aufgelegt. Das Papier sei mit Vorsicht zu genießen, meint selbst Sabrina Schmitz, Zertifikate-Expertin der Bank. "Es ist ein sehr volatiler Markt. Man muss ihn gut beobachten, bevor man da einsteigt." Immerhin könne man mit dem Zertifikat seine Anlage über die einzelnen Titel streuen. Doch auch das ist riskant, weil der Index in Neuer-Markt-Manier erst steil nach oben, dann noch steiler nach unten schoss. In den vergangenen zwölf Monaten verlor er 30 Prozent seines Werts. Zum Vergleich: Der Dax legte gleichzeitig gut 27 Prozent zu.
Der Entry Standard ist als Startplatz für junge Wachstumsunternehmen an der Börse gedacht. Das Segment ist noch weniger reguliert als seinerzeit der Neue Markt - die Deutsche Börse rät unbedarften Privatanlegern explizit davon ab, sich auf diesen Abenteuerspielplatz zu begeben. Wie ein Warnschild liest sich der Hinweis, dass hier "die europaweit vereinheitlichten hohen Transparenzanforderungen und strengen Anlegerschutzbestimmungen für organisierte Märkte nicht gelten".
"Es ist nicht Sache der Börse, die Qualität der Aktien zu prüfen", sagt auch Matthias Schrade. Sie biete ja nur den Marktplatz. Dafür müssten Emissionsbanken und Anleger stärker aufpassen. "Es ist genau wie am Neuen Markt", sagt Schrade. "Zu viele sind euphorisch, kritische Stimmen werden ausgegrenzt." Zudem sei das juristische Risiko für Betrüger in Deutschland sehr gering. "Kaum jemand muss für Kapitalmarktverbrechen ins Gefängnis."
"So tun, als sei die Firma am Leben"
Während sich Börsenskandale der vergangenen Jahre eher in kuriosen Nischen abspielten, geht es inzwischen um größere Summen. Die Aktie der Greta Immobilien verlor zwar schnell nach ihrem Börsengang im April die Hälfte ihres Werts. Auch nach dem Sturz ist der Titel an der Börse aber noch knapp 100 Millionen Euro wert.
Dabei soll das Immobilienvermögen in Höhe von 15 Millionen Euro Marktgerüchten zufolge in gleicher Höhe beliehen sein. Das Unternehmen bestreitet das. Doch eigene Zahlen legt es nicht vor. Falls es stimmt, ist der Bestand nichts wert; das Unternehmen mit Sitz am Münchener Flughafen taugt allenfalls als Zukunftshoffnung. "Man kann so ein Ding melken ohne Ende, wenn es diese Größe erreicht hat", kommentiert ein Marktbeobachter. "Man muss nur so tun, als sei die Firma noch am Leben."
Greta Immobilien ist die dritte Aktie, die die Berliner Merliniveau GmbH an die Börse begleitet hat. Die beiden anderen, Powerbags und Lichtenergiewerke , sind ebenfalls ins Gerede gekommen. Angeblich hat die Solarfirma Powerbags nur einen Kunden - ausgerechnet die Lichtenergiewerke, die hohe Forderungen von Powerbags mit eigenen Aktien bezahlt. Beide Firmen sitzen an derselben Adresse wie Merliniveau. Deren Geschäftsführer André Medger ist gleichzeitig Vorstandschef von Powerbags und Aufsichtsrat der Lichtenergiewerke.
Als Hintermann des Firmengeflechts brachten Teilnehmer von Börsenforen den Berliner Umzugsunternehmer Klaus Zapf ins Spiel - ausgerechnet, denn der Millionär mit linker Vergangenheit, Bart und Bauch tritt als alternativer Anlegerschützer auf. In mehreren kleinen Aktiengesellschaften setzte er das Management unter Druck, aber auch an Sammelklagen gegen Schwergewichte wie Siemens oder die Allianz war er jüngst beteiligt.
Sein Anwalt Ole-Hagen Zachriat ist bei Greta Immobilien und den Lichtenergiewerken Aufsichtsratschef, Medger vertrat Zapf schon auf Hauptversammlungen. "Ich kenne die Beteiligten zwar alle, habe aber ausnahmsweise nichts damit zu tun", beteuert Zapf gegenüber manager-magazin.de. Er sehne sich nach mehr Transparenz im Markt. Einstweilen setze er aber sein eigenes Geld oft auf Aktien im Freiverkehr, in der Hoffnung, dass der Kurs steigt. "Das sind ganz normale Wetten", sagt er.
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