Russland verdirbt der Opec die Preise
MATHIAS BRÜGGMANN HANDELSBLATT, 31.3.2004 MOSKAU. Russland wird für die Weltkonjunktur immer wichtiger: Weil die Ölproduktion des Landes massiv steigt, kann das Riesenreich die von der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) angestrebten hohen Preise kaputt machen. ?Russland bleibt in den nächsten zwei bis drei Jahren der größte Kopfschmerz für die Opec-Preisstrategie", sagt David Fyse von der Internationalen Energie- Agentur (IEA).
Russland habe ?das beste Jahr der Ölindustrie? hinter sich, jubelt das Moskauer Wirtschaftsblatt ?Wedomosti?. Im vergangenen Jahr kletterte der Rohölausstoß um 11 % so stark wie nie auf 421,3 Mill. t. Damit hängte Russland Saudi-Arabien erneut als weltgrößten Mineralölerzeuger ab. Auch in diesem Jahr werde die Ölproduktion ? wenn auch mit 5,5 % langsamer ? steigen und könne bis 2020 sogar 560 Mill. t erreichen, prognostiziert Wirtschaftsminister German Gref.
Russland hat wiederholt klar gemacht, seine Ausfuhrmöglichkeiten voll nutzen zu wollen. Präsident Wladimir Putin hatte dem Westen versprochen, durch hohe Exporte die Ölpreise niedrig zu halten, was allerdings auf Grund der anhaltend starken Nachfrage bislang nicht gelingt. Die führenden Ölproduzenten könnten ihren Ausstoß in den nächsten drei Jahren sogar noch wesentlich stärker steigern. Aber ein Mangel an Export-Kapazitäten ? vor allem an neuen Pipelines ? bremst die Branche. So wird in diesem Jahr laut Gref der Ölexport nur von 223 auf 242 Mill. t anwachsen, im Jahr 2007 auf 260 Mill. t.
Bis dahin sollen große neue Ölleitungen mindestens im Bau sein: Vor allem eine Pipeline zum Pazifikhafen Nachodka zur Bedienung der asiatischen Märkte. Zudem geht es um die neue Nord- Route zum Nordmeerhafen Murmansk, von wo aus Tankerverbindungen in die USA neue Märkte erschließen und europäische Abnehmer versorgen sollen. Doch die Regierung hat bisher noch keiner Zeitvorgaben für den staatlichen Pipeline-Monopolisten Transneft zum Bau der neuen Leitungen beschlossen. Und solange müssen sich die Ölkonzerne mit Provisorien begnügen: Branchenprimus Lukoil will bis zum Sommer seinen Ostseehafen Wysozk ausbauen und die Produktion des derzeit in der Ostsee angebohrten Ölfeldes über Kaliningrad verschiffen. Um mehr Rohöl aus neuen Feldern im Nordwesten Russlands nach Europa und in die USA bringen zu können, hat der staatliche Ölkonzern Rosneft einen 360 000 t großen Tanker in Murmansk stationiert.
Transneft baut derweil die bestehenden Export-Kapazitäten in seinen Ostseehäfen aus ? wogegen Ostseeanrainer-Staaten wegen des Risikos einer Ölpest im Falle von Havarien der oftmals veralteten russischen Tanker warnen. Zugleich weitet Lukoil-Verfolger Yukos, dessen Plan einer Pipeline nach China zugunsten der Japan- Route von der Regierung höchstwahrscheinlich verworfen wird, seine Ölexporte nach China mit der teuren Eisenbahn massiv aus: Von 1,3 im vorigen Jahr über 6,4 in diesem auf 15 Mill. t in 2006. Vor allem die USA, China und Japan setzen auf Russland ? da sie sich vom politisch instabilen Nahen Osten unabhängiger machen wollen.
Unklar ist bisher noch, ob sich die Steuernachforderungen der Behörden in Milliarden-Dollar-Höhe gegen Yukos und Sibneft und die Diskussion um eine generell höhere Besteuerung der Erdölindustrie sich auf die Produktionsausweitung auswirken. Höhere Steuern hießen infolge niedrigerer Gewinne auch weniger Investitionen. Yukos sowie Sibneft sind bisher mit einem Produktionsanstieg 2003 von 16,3 % und 19,4 % überdurchschnittlich am Wachstum beteiligt. Ein Ende des Wachstums ist nicht absehbar. Analysten wie Jewgenij Sazkow von der Investmentgesellschaft Metropol sehen keine Kapazitätsgrenzen für die Unternehmen in Sicht. Er erwarte sogar eine weitere Steigerung um 9 % in diesem Jahr.
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