Frankfurter Zeitung 18.06.22 Am 8. Juni kurz vor 11 Uhr am Vormittag entwich Flüssiggas aus einem Tank im texanischen Küstenterminal Quintana Island. Es bildete sich eine Gaswolke, die sich entzündete. Die angrenzende Gasverflüssigungsanlage fing Feuer. Sie ist eine der größten in den Vereinigten Staaten, auf sie entfallen rund 20 Prozent der Flüssiggasexporte nach Europa. Die Meldung löste einen Preissprung für Gas in Europa aus. In normalen Zeiten wäre der Brand eine Randnotiz. Winand von Petersdorff-Campen Wirtschaftskorrespondent in Washington. Johannes Pennekamp Verantwortlicher Redakteur für Wirtschaftsberichterstattung, Dasselbe gilt normalerweise für ein Ereignis viele Tausend Kilometer östlich von Texas: In Emden, Hamburg, Bremen und Wilhelmshaven streikten vor Wochenfrist ein paar Hundert Hafenarbeiter. Aber die Zeiten sind nicht normal. Und Häfen sind wie ein Brennglas, durch das man beobachten kann, was sich da in der Weltwirtschaft zusammenbraut. Zerstückelte Lieferketten, Containerschiffe im Stau und fehlende Lastwagenfahrer ? daran hat man sich gewöhnt. Als in Norddeutschland die Hafenarbeiter streikten, ging es aber um noch etwas anderes: Die Inflation frisst ihre Kaufkraft und Ersparnisse auf, sie verlangen deutlich mehr Geld. Das haben sie gemein mit den Flughafenbeschäftigten in Marokko, die den Flugverkehr lahmlegen. Und mit den in der vergangenen Woche streikenden Lastwagenfahrern in Südkorea. Dort musste das Militär ausrücken und die wichtigsten Waren zu den Containerschiffen fahren, damit die Lieferketten nicht noch stärker reißen. Angebotsverzögerung und Teuerung schaden der Wirtschaftsdynamik Die Lieferkettenprobleme und die ex¬trem hohe Inflation, das allein sind Zutaten für einen Krisencocktail, der der Weltwirtschaft nicht gut bekommt. Leider gibt es noch ein paar giftige Zutaten mehr: Die Zentralbanken Federal Re¬serve und EZB leiten die Zinswende ein und stressen damit Finanzmärkte rund um den Globus. In mehreren Staaten, darunter Deutschland, rollt die nächste Corona-Welle an. Überall fehlen Fachkräfte. China sperrt seine Bürger ein und wird vom Sehnsuchtsort deutscher Industrieunternehmen zum Klumpenrisiko. Und über allem schwebt der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die Gefahr, dass Wladimir Putin Deutschland das Gas ganz abdreht. Haben Sie so eine Häufung von Krisenzutaten schon einmal erlebt, Herr Fuest? ?Ich glaube nicht, dass wir das schon einmal hatten. Die Gefahr einer Rezession ist sehr hoch?, antwortet der Präsident des Münchner Ifo-Instituts am Mittwoch. Es ist der Tag, an dem die Europäische Zentralbank die Chefs der nationalen Notenbanken zu einer Sondersitzung zusammenruft, nachdem die Zinsen für italienische Staatsschulden auf mehr als 4 Prozent gesprungen waren. Es ist der Tag, an dem Gazprom die Gaslieferungen weiter drosselt. Es ist der Tag, an dem die Fed die Zinsen so stark anhebt wie seit 28 Jahren nicht mehr. Eine Rezession wird immer wahrscheinlicher Eine drohende Rezession also. Technisch gesehen sind das zwei Quartale nacheinander, in denen die Weltwirtschaft schrumpft. Faktisch drohen höhere Arbeitslosigkeit und im schlimmsten Fall eine Abwärtsspirale, die angesichts der hohen Inflation gerade für die ärmeren Menschen äußerst schmerzlich wäre. Amerika, so war die Hoffnung, würde die Weltwirtschaft vor dem Schlimmsten bewahren. In der Pandemiekrise hatte die Regierung dort ein Konjunkturpaket im Umfang von 1,9 Billionen Dollar geschnürt, das die zuvor schon gewährten Finanzspritzen noch ergänzte.
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