hai. Der Thread ist zwar von dem Thema recht weit weggekommen und vom Nivau her dem Schimpflevel recht nahe, aber ich versuch's noch mal.
Zu #94 (Immohai): Eine Generalmobilmachung (insbesondere in den damaligen Zeiten) ist etwas völlig anders als ein Sommermanöver.
Richtig: Frankreich kam mit seine Kriegserklärung an Deutschland (im WK2) seinen Bündnisverpflichtungen nach. Genau das hat Deutschland aber im Zusammenhang mit WK1 auch getan. Erstaunlich ist nur, daß das von manchen Leuten im Fall von Deutschland als aggressiver Akt und im Fall von Frankreich als Akt der Bündnistreue angesehen wird.
Nebenbei: Deutschlands Unterstützung für Österreich-Ungarn bezog sich nicht auf den Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien. Deutschlands Bündnisverpflichtung war eine Hifszusage für den Fall, daß Rußland gegenüber Österreich-Ungarn auf der Seite Serbiens (also des ursprünglichen Agressors) in den Konflikt eintritt.
Natürlich _rechtfertigt_ die Ermordung eines Menschen (nebenbei: die Frau des Thonfolgers wurde auch ermordet) keinen Krieg mit Millionen von Toten. Eine solche Rechtfertigung versucht auch niemand. Mit derartigen Konsequenzen rechnete natürlich damals niemand. Mit einer derartigen "post-mortem"-Sicht macht man es sich aber zu einfach (vulgo: hinterher sind wir alle schlauer). Denn die Ermordung des Thronfolgers durch Agenten einer ausländischen Macht wurde damals (und nicht nur in Österreich) als Sakrileg angesehen. Zwar war auch in Serbien der Mord strafbar, aber Serbien hat in der Frage der Bestrafung der Täter wochenlang "herumgeeiert". Österreich hingegen hat nach dem Attentat zunächst wochenlang stillgehalten.
Zeitlicher Ablauf:
28.6.1914: Attentat in Sarajewo.
Anschließend versucht Österreich fast 4 Wochen lang (!), mit Serbien zu einer Einigung zu kommen. Serbien stellt sich stur. Erst am
23. 7. 1914 folgt dann ein Ultimatum an Serbien (u.a. erneute Forderung auf Auslieferung der Attentäter) und nach dessen Ablauf am
25.7.1914 der Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Am selben Tag beschließt Österreich eine _Teil_ mobilmachung. Auch darauf reagiert Serbien nicht. Österreich-Ungarn wartet weitere drei Tage. Erst am
28.7.1914 folgt dann die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien.
So. An dieser Stelle machen wir eine Pause und denken mal nach: Alles, was von Seiten Österreichs bis dahin gemacht worden war, war für die damaligen Zeiten völlig normal. Ungewöhnlich war höchstens die lange Geduld Österreichs mit Serbien. Wenn nichts weiteres passiert wäre, hätte es gar keinen Krieg mit Millionen Toten gegeben, sondern eine Strafaktion gegen ein agressives Land (Serbien), das versucht hatte, seinen Anspruch auf eine Nachbarregion (Bosnien-Herzegowina) mit einem Attentat zu unterstützen.
Nebenbei: Serbien konnte seine Ansprüche auf Bosnien-Herzegowina nach dem Ende von WK1 bekanntlich durchsetzen. Wir wissen jetzt alle, daß das keine sehr gute Lösung war. Guck Dir mal den Balkan an.
Erst das, was jetzt folgte, führte zu dem richtig großen Krieg:
30.7.1914 Generalmobilmachung in Rußland. Es ist wohl klar, daß eine _General_mobilmachung einer Seite, die sich ausdrücklich als Schutzmacht einer der beteiligten Parteien versteht, eine offenkundige Bedrohung für die andere Partei darstellt.
Eine Generalmobilmachung mit einem Sommermanöver zu vergleichen, ist vollkommen abwegig. Die Generalmobilmachung galt damals schlichtweg als feindseliger Akt. Jeder wußte, daß man das nicht tat, um seine Soldaten zu zählen.
Es folgt noch ein Versuch Deutschlands, den Konflikt auf kleiner Flamme zu halten. Der geht schief und dann geht alles sehr schnell:
31.7.1914 Deutschland fordert Frankreich auf, seine Neutralität zu erklären. Ebenfalls am 31.7. (erst!) erklärt Österreich die Generalmobilmachung.
1.8.1914 Frankreich hat die Neutralitätserklärung verweigert und erklärt statt dessen die Mobilmachung. Hierzu muß man wissen, daß Frankreich seit Jahrzehneten das Ziel hatte, Elsaß-Lothringen zurück zu erobern ("Toujours en penser, jamais en parler"). Am selben Tag erklärt Deutschland Rußland den Krieg. Gleichzeitig erklärt es die Generalmobilmachung.
2.8.1914. Mobilmachung der englischen Flotte. Deutscher Einmarsch in Luxemburg.
3.8.1914 Deutsche Kriegserklärung an Frankreich.
4.8.1914 Kriegserklärung Englands an Deutschland (ja, so herum!).
Und dann beginnen die großen Kampfhandlungen.
Wer behauptet, Deutschland und Österreich-Ungarn hätten wegen eines Toten eine Krieg mit Millionen von Toten entfesseln _wollen_, sagt nicht die Wahrheit.
Tatsache ist aber auch, daß durch das Attentat tatsächlich ein Krieg mit Millionen von Toten entfesselt _wurde_.
Dieser Krieg entstand aber nicht dadurch, daß Deutschland und Österreich-Ungarn mit Eifer darauf hingearbeitet hätten - im Gegenteil. Wochenlang hat Österreich-Ungarn versucht, den Konflikt zu vermeiden.
Die Zeit zwischen Attentat und Ausbruch der Kämpfe ist eine Abfolge von Druck und Gegendruck der beteiligten Parteien. Und von weiteren Mächten, die eigentlich außen standen, aber die günstige Gelegenheit nutzten, sich einzumischen. Das ganze steigerte sich hoch und dann hatten wir unseren WK1. Aber Deutschland oder Österreich-Ungarn die Alleinschuld daran zu geben, ist völlig abwegig.
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