02 Sep 1999 12:28 IHS sieht deutliches Korrekturpotential fuer Dow Jones
Alpbach, 02. Sep (Reuters) - Der amerikanische Aktienmarkt hat nach Ansicht des Institutes für Höhere Studien (IHS) ein gewaltiges Korrekturpotential, das sich letztlich auch in einem niedrigeren Wirtschaftswachstum niederschlagen wird. IHS-Experte Christian Helmenstein sagte am Donnerstag, dass im günstigsten Fall das Abwärtspotential der US-Märkte bei 20 Prozent liege und im schlimmsten Fall bei 62 Prozent. Einen Zeitrahmen für dieses Szenario nannte der Ökonom nicht, die Stagnation könnte aber schon begonnen habe, so Helmenstein in Bezug auf die Rückgänge des Dow-Jones-Index in den vergangenen Tagen.
Die IHS-Berechnungen basieren auf Kurs/Gewinn-Verhältnissen (KGV) bzw. durchschnittlichen Dividendenrenditen. In den westlichen Kapitalmärkten habe sich in den letzten Jahren ein hohes KGV herausgebildet, was in einer sinkenden Dividendenrendite resultiere.
In den USA sei das KGV von etwas unter zehn Anfang der 80er-Jahre von auf nun über 30 gestiegen, gleichzeitig sei die Dividendenrendite von 5,5 Prozent auf 1,5 Prozent rückläufig gewesen. Daraus errechnete der IHS-Experte, dass der Markt in seiner tatsächlichen Bewertung einer fairen Bewertung weit vorausläuft und ein Korrekturpotential von bis zu 62 Prozent. Bei Aktienrückkaufprogrammen wären etwas höhere Kurs gerechtfertigt, was aber noch immer ein Rückschlagspotential von 40 Prozent ergebe.
"Das ist das schlimmste Szenario", sagte Helmenstein, "im günstigsten Fall treten wir in eine Stagnationsphase ein". Wenn sich in den nächsten Jahren die Unternehmensgewinne wieder stark erhöhten, der Aktienmarkt gleichzeitig stagniere, könne sich über einen Zeitraum von zehn Jahren das Dividendenrenditeniveau wieder "normalisieren", so Helmenstein. In der optimisterischen Variante habe der Markt aber noch immer ein Korrekturpotential von 20 Prozent.
Das Rückschlagspotential für Deutschland beträgt im schlimmsten Fall laut IHS 19 Prozent, für Kanada 29 Prozent und für Grossbritannien sieben Prozent.
Für den Fall, dass der Markt um zehn Prozent einbreche, seien auch realwirtschaftliche Folgen zu gewärtigen. Helmenstein rechnet in diesem Fall im OECD-Raum mit einem über zwei Jahre kumulierten geringeren Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent. In den USA würde sich ein Rückschlag des Dow-Jones-Index um zehn Prozent mit minus 0,45 Prozent im Bruttoinlandsprodukt niederschlagen.
Diese Effekte bezeichnete Helmenstein als "relativ harmlos". Zur Bedrohung würde dies erst dann, wenn sich durch eine "systemische Bankenkrise" die Wirtschaft in einer Spirale nach unten drehe. Eine solche könnte sich daraus ergeben, dass eine Bank durch eine falsche Risikoeinschätzung andere Banken mit in die Tiefe zieht.
Breche der Markt um 20 Prozent ein, drohten dementsprechend deutlichere realwirtschaftliche Auswirkungen. Kumulierte Wachstumseinbußen von einem Prozent über zwei Jahren wären dann zu erwarten.
Ein Kursrückgang in den USA bleibe nicht ohne negative Folgen für Europa, obwohl die Übewertungen des europäischen Marktes teilweise nicht so dramatisch wären. Für den ATX sieht der IHS-Experte verhältnismäßig wenig Auswirkungen. "Die Wiener Börse ist mit Sicherheit unterbewertet", sagte Helmenstein, weshalb eine relativ rasche Erholung möglich sei.
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