Dienste vermuten 100 "Schläfer" in Deutschland
Düsseldorf/Berlin (Reuters) - Die Sicherheitsdienste vermuten nach Angaben von NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) in Deutschland etwa 100 so genannte Schläfer, die in Afghanistan für Anschläge ausgebildet wurden. Dem Verfassungsschutz lägen Hinweise auf solche Einzelpersonen aus dem Umfeld des in Afghanistan lebenden Extremisten Osama bin Laden vor, sagte Behrens am Donnerstag in Düsseldorf. Ein im Zusammenhang mit den Anschlägen in den USA gesuchter Hamburger Student marokkanischer Abstammung diente nach Angaben des Verteidigungsministeriums 1999 für einige Monate bei der Bundeswehr.
Ein Zugriff auf die sogenannten Schläfer aus dem Umfeld Bin Laden sei sehr schwierig, sagte Behrens. "Die Tatsache, dass man eine Ausbildung in einem Lager in Afghanistan gemacht hat, kann man ihnen nicht vorwerfen." Rund 20 dieser Personen hielten sich möglicherweise in Nordrhein-Westfalen auf, sagte Behrens. So genannte Schläfer gelten als besonders gefährlich, weil sie jahrelang unauffällig in einem Land leben und jederzeit für Anschläge aktiviert werden können. Die Bundesrepublik gilt als Rückzugsraum für Mitglieder radikaler arabischer Gruppen.
Bislang verdächtigen deutsche und amerikanische Ermittler vier zeitweise in Deutschland lebende Menschen, an den Anschlägen in den USA vor einer Woche beteiligt gewesen zu sein. Zwei zeitweise in Hamburg studierende mutmaßliche Attentäter haben möglicherweise die beiden entführten Passagierflugzeuge in die beiden Türme des World Trade Centers in New York gelenkt. Bin Laden wird von den USA als Hauptverdächtiger für die Flugzeug-Attentate. Bei den Anschlägen auf das WTC und das Verteidigungsministerium in Washington waren Tausende Menschen getötet worden. Die USA haben allen Staaten mit Angriffen gedroht, die Terroristen unterstützen.
Einzelpersonen aus dem Umfeld der von Bin Laden gegründeten Organisation El Kaeda versuchen laut Behrens vor allem, junge Studenten anzuwerben. Mit selbst erstellten Videos über Kampfeinsätze in Krisengebieten wie etwa Tschetschenien versuchten sie Nachwuchs zu werben. Mit Videos über Gräueltaten an der Bevölkerung würden Spenden gesammelt. Die Organisation bildet nach Erkenntnissen der Verfassungsschützer in eigenen Lagern in Afghanistan unter dem Schutz der regierenden Taliban Kämpfer aus, die sich als Mujaheddin (Gotteskrieger) bezeichnen. Sie bildeten das Potenzial für eine Art "islamistischer Fremdenlegion".
Ein möglicher Gegenschlag der USA werde weltweit die Gefahr gewalttätiger Reaktionen hervorrufen, sagte Behrens. Auf diese Bedrohung bereiteten sich die Sicherheitsbehörden derzeit vor. In Düsseldorf solle die Zahl der Mitarbeiter beim Verfassungsschutz von knapp unter 300 um 30 erhöht werden, kündigte Behrens an. Um geplante Terror-Akte frühzeitig zu erkennen und zu verhindern, würden vor allem Täterprofile weiterentwickelt. "Es ist unsere vordringliche Aufgabe, die so genannten Schläfer des islamischen Terrorismus gezielt aufzuspüren", betonte Behrens. Durch die Anschläge in den USA hätten die Terroristen Spuren hinterlassen. "Jetzt haben wir die Chance zu entschlüsseln, wie die Aktivierung der Schläfer funktioniert."
Der deutsche Staatsbürger Said Bahaji sei von Januar bis Mai als Wehrpflichtiger beim Panzergrenadierbataillon 72 in Hamburg-Fischbek gewesen, teilte das Verteidigungsministerium in Berlin mit. Bahaji sei nur für einige Wochen dienstfähig gewesen und am 25. Mai 1999 aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig entlassen worden. Gegen den 26-jährigen Bahaji wird nach Angaben aus Polizeikreisen wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Nach unbestätigten Presseberichten soll er für die Logistik der mutmaßlichen Attentäter Mohamed Atta, Marwan Al-Shehhi und Ziad Samir Jarrah zuständig gewesen sein, die sich in Hamburg auf die Flugzeuganschläge in New York und Washington vorbereitet haben sollen. Bahaji, der inzwischen in Pakistan vermutet wird, soll Pässe und Wohnungen beschafft haben.
Die Schweiz hat im Zuge von Ermittlungen im Zusammenhang mit den Anschlägen in den USA Bankkonten eingefroren. Die Ermittlungen hätten aber keine Hinweise darauf erbracht, dass bin Laden Konten in der Schweiz habe, erklärte Finanzminister Kaspar Villinger in Bern.
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