Beispiel (ohne Steuern und Spesen)
Die Aktien der Test AG werden aktuell an der Börse mit einem Kurs von EUR 100 je Anteilsschein gehandelt. Eine große Versicherung besitzt 1.000 Stück dieser Aktien und hat auch nicht vor, sie in nächster Zeit zu verkaufen, würde aber gern einen Zusatzertrag mit diesen Aktien erwirtschaften.
Die Versicherung macht das Angebot, ihre Test-AG-Aktien für die Dauer von 6 Monaten gegen eine Leihgebühr von 5% an einen Spekulanten (Short-Seller) zu verleihen und sie findet auch jemanden (mit entsprechender Bonität), der in dieses Geschäft einsteigt.
Der Spekulant bezahlt an die Versicherung die Leihgebühr von EUR 5.000 und erhält dafür das Verfügungsrecht über die 1.000 Stück Test-AG-Aktien, die er in Erwartung sinkender Kurse auch sofort verkauft.
mögliche Szenarien für den Spekulanten: 1.Der Kurs der Aktie fällt bis zum Rückgabezeitpunkt um 10% auf EUR 90. Er kann somit die 1.000 Stück Test-AG-Aktien für EUR 90.000 zurückkaufen (und an die Versicherung zurückgeben), die er ursprünglich für EUR 100.000 verkauft hat. Der Spekulant macht dadurch einen Gewinn von EUR 5.000 (10.000 Kursgewinn ? 5.000 Leihgebühr). Bezogen auf seinen anfänglichen Kapitaleinsatz von EUR 5.000 für die Leihgebühr bedeutet das einen Gewinn von 100% bei einer Kursänderung der Aktie von nur 10%.
2.Der Kurs der Aktie ist zum Rückgabezeitpunkt gleich hoch wie zum Verkaufszeitpunkt. Der Spekulant kauft 1.000 Aktien der Test AG für EUR 100.000, um sie an die Versicherung zurückzugeben. Der Spekulant macht einen Verlust von EUR 5.000. Bezogen auf seinen anfänglichen Kapitaleinsatz von EUR 5.000 für die Leihgebühr bedeutet das einen Verlust von 100% bei gleich bleibendem Aktienkurs.
3.Der Kurs der Aktie steigt bis zum Rückgabezeitpunkt um 10% auf EUR 110. Er muss somit die 1.000 Stück Test AG Aktien für EUR 110.000 zurückkaufen (und an die Versicherung zurückgeben) die er ursprünglich für EUR 100.000 verkauft hat. Der Spekulant macht einen Verlust von EUR 15.000. Bezogen auf seinen anfänglichen Kapitaleinsatz von EUR 5.000 für die Leihgebühr bedeutet das einen Verlust von 300% bei einer Kursänderung der Aktie von nur 10%.
Ergebnis für die Versicherung: Unabhängig vom Kursverlauf der Aktie hat sie einen (zusätzlichen) Ertrag von EUR 5.000 erwirtschaftet. Fällt der Kurs der Aktie bis zum Rückgabezeitpunkt um 10%, führt die Anlagestrategie der Versicherung (Halten der Aktie) zu einem Verlust des aktuellen Buchwertes der Aktien (der aber je nach Rechtslage im entsprechenden Land vielleicht erst am Ende des Jahres oder des Quartals bilanziert werden muss). Hätte die Versicherung anstelle des Verleihs der Aktie verkauft und später gekauft, würde ihr die Kursänderung in vollem Umfang zufließen. Daran kann man erkennen, dass das Instrument des Leerverkaufs insbesondere von den Sicherheitsgedanken der Aktienbesitzer abhängig ist, die sich zusätzliche Sicherheiten durch verminderte Renditen erkaufen.
Chancen und Risiken. Das Eingehen einer Short-Position (Leerverkauf der Aktie) beinhaltet ein anderes Chancen-Risiko-Verhältnis als die Long-Position (Kauf der Aktie). Beim Kauf einer Aktie ist der maximal mögliche Verlust auf das eingesetzte Kapital begrenzt (den Kaufpreis) und die Chancen aus dieser Position (der Kursanstieg) theoretisch unbegrenzt. Beim Leerverkauf von Aktien hingegen ist das Verhältnis umgekehrt: Die Chance ist limitiert auf die erlöste Einnahme (maximaler Gewinn bei Ausbuchung der Aktien nach Einstellung der Börsennotierung) während das Risiko durch einen plötzlichen Kursanstieg theoretisch unbegrenzt ist.
Eine einfache Möglichkeit der Risikobegrenzung ist das Setzen einer sogenannten Stop-Loss-Order, die den Börsenmakler anweist, bei Erreichen eines vom Auftraggeber bestimmten Kurses die Aktie zurückzukaufen und somit die Verluste zu begrenzen.
Problematisch ist der sogenannte Short Squeeze (englisch squeeze: Knappheit, Engpass) bei dem es durch einen plötzlichen Kursanstieg, ausgelöst durch gleichzeitige Kaufaufträge, zu einem Nachfrageüberhang nach der Aktie kommt. Viele Leerverkäufer wollen oder müssen ihre eingegangenen Short-Positionen kurzfristig glattstellen, um ihre Verluste zu begrenzen, was zu einem weiteren Kursanstieg führt und damit die Verluste aus diesen Positionen erhöht.
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