04. November 2008 Am Dienstag liegen die europäischen Börsen nach durchwegs positiven Vorgaben aus Asien und aufgrund der nach oben laufenden Wall Street deutlich im Plus. Der Dax verbucht zum Handelsschluss ein Plus von fünf Prozent auf 5.278 Zähler. Das heißt, er hat seit seinem Tief bei 4.014,6 Punkten noch am 24. Oktober im Tagesverlauf mehr als 31 Prozent zugelegt. Die stärksten Kursgewinne verzeichneten am Dienstag die Börsen in Schweden, Italien und den Niederlanden Kursgewinnen von mehr als sechs Prozent.
Steigende Preise und Kurse - fallende Volatilitäten
Unabhängig von fundamentalen Daten werden quer durch die Bank alle Werte gekauft. Allen voran jene Papiere, die in den vergangenen Wochen hatten gewaltige Federn lassen müssen: Die Finanzwerte, die Anteilscheine zyklischer Unternehmen und nicht zuletzt auch die Grund- und Rohstoffwerte.
Im Dax verbuchen die Werte der Der Deutschen Bank, der Commerzbank und der Allianz alleine am Dienstag Kursgewinne von bis zu 15 Prozent, im FTSE 100 liegen die Papiere von Kazakhmys mit einem Kursgewinn von knapp 18 Prozent an der Spitze der Kursentwicklung, gefolgt von den Werten der Wood Group, von Lonmin und Eurasian Natural. In Schweden legen die Papiere der Boliden AB 24 Prozent zu, während im MDax die Aktien der Norddeutschen Affinerie 13 Prozent zulegte.
Zur Bildergalerie Diese Werte erhalten Rückenwind vom plötzlich wieder einsetzenden Preisauftrieb bei den Rohstoffen. An den Terminmärkten legt der Ölpreis um zehn Prozent zu, Gold- und Silberpreise gehen um mehr als fünf Prozent nach oben, während der Kupferpreis an der Comex sogar 7,7 Prozent zulegt. Gerade im Kupfersektor scheinen sich trotz der Kreditkrise wieder Fusions- und Übernahmephantasien breit zu machen, nachdem sich in den vergangenen Wochen Salzgitter immer stärker bei der Norddeutschen Affinerie einkaufte.
Der urplötzlich zumindest kurzfristig wieder aufgekommene Optimismus lässt sich auch an den Volatilitätsindizes ablesen. Der VDax New hat siech in den vergangenen fünf Handelstagen praktisch halbiert auf zuletzt 49,42 Prozent. Das ist zwar immer noch ein seht hohes Niveau. Allerdings ist der Index inzwischen weit entfernt von seinen Extremniveaus und der kurzfristige Trend zeigt rasant nach unten. Vergleichbares gilt für den amerikanischen VIX-Index, der nach einem Tagesrückgang von knapp 16 Prozent inzwischen noch bei 45,3 Prozent liegt. Am 27. Oktober hatte er noch bei 80 Prozent gelegen.
Allerdings unterliegt die kurzfristige Euphorie einer gewaltigen Illusion. Denn die volkswirtschaftlichen Daten und Aussichten sind alles andere als berauschend. Die Konsumenten gerade in den angelsächsischen Staaten, in Teilen Europas und in großen Teilen der Schwellenländer sind zu überstrapaziert, als dass sich der Kredit getriebene Boom der vergangenen Jahre zumindest bei rationalen Annahmen kaum wiederholen lässt. Angesichts der beinahe schon weltweit verfolgten Fiskal- und Geldpolitiken stellt sich allerdings die Frage, was noch rational ist.
Extreme Reflationierungspolitik der Zentralbanken
Denn mit starken Leitzinssenkungen - die teilweise massiv den Rahmenbedingungen des entsprechenden Staates widersprechen -, mit Garantien und mit extremen Liquiditätsschüben versuchen Notenbanken und Regierungen beinahe aktionistisch mit allen Mitteln, die globale Wirtschaft vor einem zu starken Rückschlag zu schützen.
Das mag zunächst vernünftig klingen. Allerdings ist sowohl die Finanz- als auch die Wirtschaftskrise die Folge regulatorischen und wirtschaftspolitischen Versagens der Vergangenheit, das in Vermögenspreisblasen und riesigen Ungleichgewichten mündete. Das heißt, es müssten drastische Schritte unternommen werden, um die strukturellen Schieflagen - starke Verschuldung, überdimensionierter Finanzsektor, einseitige Handelsströme aufgrund unfreier Währungen, zu tiefe Zinsen - zu bereinigten, statt die fehlerhafte Politik der vergangenen Jahrzehnte in gigantischen Ausmaß auf die Spitze zu treiben. Die finanzielle Gigantomanie zeigt sich daran, dass die Bilanzen der Zentralbanken in kürzester Zeit sehr stark aufquellen.
Selbst der Devisenmarkt scheint mit ausgeprägten Kursbewegungen wieder zu den Reflexen der vergangenen Jahre zurückzukehren: Der Dollar wertet in kürzester Zeit gegen den Euro, den Yen und vor allem auch die Hochzinswährungen ab. Am Dienstag verlor die amerikanische Währung im Verlauf eines Tages gegen den Euro so viel an Wert, wie noch nie zuvor seit der Einführung der europäischen Einheitswährung: Waren am Montag im Tagestief noch 1,2526 Dollar nötig gewesen, um einen Euro erwerben zu können, so sind dafür am Dienstag im späten europäischen Handel 1,3017 Dollar nötig. Das heißt, die amerikanische Währung hat alleine an einem Tag 3,7 Prozent gegen ihr europäisches Pendant verloren. Die gewaltigen Kursbewegungen legen die Vermutung nahe, dass die Finanzkrise ihr Ende noch nicht gesehen hat.
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