DJ UPDATE: EP-Ausschuss fährt harte Linie bei CO2-Grenze von Pkw
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BRÜSSEL (Dow Jones)--Hoffnungen der Automobilindustrie, das Europäische Parlament (EP) werde die Vorschläge der EU-Kommission für eine Begrenzung des CO2-Ausstoßes von Pkw entschärfen, haben am Donnerstag vorläufig einen Dämpfer erhalten. Nach dem Willen des federführenden Umweltausschusses sollen die Hersteller nicht bis 2015 Zeit bekommen, bevor sie die geplanten EU-Grenzwerte einhalten müssen. Der Ausschuss unterstützte mit 46 zu 19 Stimmen den Vorschlag der Kommission, wonach im Flottendurchschnitt ein Grenzwert von 120 Gramm pro Kilometer bereits ab 2012 verbindlich sein soll.
Überraschend lehnten die Abgeordneten damit Kompromissvorschläge von Sozial- und Christdemokraten ab, auf die sich die Spitzen der beiden größten EP-Fraktionen am Vortag geeinigt hatten. Zahlreiche Abgeordnete beider Fraktionen unterstützten die Vereinbarung aber bei der Abstimmung nicht.
In dem Kompromiss war vorgesehen, dass die Grenzwerte zunächst nur für Teile der Fahrzeugflotte eines Herstellers gelten und erst 2015 vollständig greifen sollten. Für eine gestaffelte Einführung hatten sich auch Deutschland und Frankreich ausgesprochen.
Nach der "turbulentesten Abstimmung der letzten Jahre", wie der CDU-Abgeordnete Karl-Heinz Florenz sagte, unterstützte der Umweltausschuss auch die harte Linie der Kommission bei Strafen. Demnach würden ab 2012 Strafen von 20 EUR pro im Flottendurchschnitt zu viel emittiertem Gramm Kohlendioxid fällig. Bis 2015 soll dieses Bußgeld auf 95 EUR steigen.
Die Autobauer sollen die Strafe für jeden ihrer Neuwagen zahlen müssen, auch für diejenigen Wagen, die den Grenzwert bereits einhalten. Der abgelehnte Kompromissvorschlag sah vor, die Bußen nur für die Autos zu kassieren, die den Grenzwert nicht einhalten. Außerdem sollte die Strafe auf 50 EUR begrenzt werden.
Der Europäische Verband der Automobilindustrie ACEA warnte, der Gesetzesentwurf gefährde "die Zukunft der Autoproduktion in Europa". Angesichts der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage habe der Umweltausschuss ein "falsches Signal" gegeben, hieß es in einer Pressemitteilung. Die Branche habe schon viel für die CO2-Reduzierung getan. Das Plenum des Europaparlaments und die EU-Staaten müssten für ein Gesetz sorgen, das ein Gleichgewicht zwischen Umweltschutz sowie Wachstum und Beschäftigung herstelle, forderte ACEA.
Abgeordnete von Grünen und Liberalen feierten das Votum dagegen als Erfolg für den Klimaschutz und gegen die Lobby der Autoindustrie. Der britische Liberale Chris Davies forderte, nun schnell Verhandlungen mit dem Ministerrat aufzunehmen, damit die Verordnung noch vor Jahresende verabschiedet werden könne.
Der EP-Berichterstatter und Mitverantwortliche für die abgelehnten Kompromissanträge, Guido Sacconi, hält das aber nur für "sehr, sehr schwer" erreichbar. Auf Basis der Forderungen des Umweltausschusses werde es "harte Arbeit", eine Mehrheit im EP-Plenum zu bekommen oder eine Einigung mit dem Ministerrat zu erzielen, sagte der italienische Sozialist.
Werner Langen, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe, forderte, vor Verhandlungen mit den EU-Staaten müsse das für Ende Oktober vorgesehene Votum des Plenums abgewartet werden. "Der Umweltausschuss spiegelt das Gesamtplenum nicht wider", argumentierte der CDU-Politiker.
Sein Parteikollege Peter Liese erwartet, dass die französische EU-Ratspräsidentschaft eine gestaffelte Einführung der Grenzwerte wieder auf die Agenda bringen wird, weil der Rat die Forderung des Umweltausschusses nicht akzeptieren werde. Die Autoindustrie habe zwar ihre Selbstverpflichtung zur CO2-Reduzierung nicht eingehalten, man dürfe aber von ihr "nichts verlangen, was unmöglich ist", sagte Liese.
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Eine Erleichterung für die Autoindustrie stellt allerdings ein vom Ausschuss angenommener Antrag zur Anrechnung so genannter Ökoinnovationen wie zum Beispiel Solarzellen oder Gangwechselanzeigen dar. Die Kommission will diese im Umfang von bis zu 10 Gramm zur Erreichung des absoluten Grenzwerts von 120 Gramm anerkennen. Eine Begrenzung auf 130 Gramm sollen die Kfz-Hersteller aber allein durch bessere Motortechnik schaffen.
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Der Umweltausschuss stimmte nun dafür, dass neue Technologien auch bei der Erreichung der 130 Gramm angerechnet werden dürfen. Dazu müsse ein EU-Expertenausschuss die Technologie bewerten und ihr CO2-Einsparpotenzial beziffern. 75% dieses Potenzials sollen dann anrechenbar sein.
"Wir wollen weniger CO2 aus dem Straßenverkehr. Ob die Verringerung durch bessere Motoren oder Solarzellen auf dem Wagendach erreicht wird, ändert nichts am Ergebnis", sagte der FDP-Europaabgeordnete Holger Krahmer. Im Gespräch mit Dow Jones schätzte er das CO2-Einsparpotenzial von Ökoinnovation auf bis zu 10 Gramm/km pro Fahrzeug. Vor allem deutsche Autobauer und Oberklassenhersteller versprächen sich etwas von den neuen Technologien, sagte Krahmer.
Langfristig sollen in Europa verkaufte Pkw nach dem Willen des Umweltausschusses noch viel sauberer werden. Ab 2020 fordern die Abgeordneten einen CO2-Grenzwert von 95 Gramm pro Kilometer.
-Von Frank Hütten, Dow Jones Newswires; ++32 2 7411490, europa.de@dowjones.com DJG/frh/ang/apo
Quelle: VWD 25.09.2008 17:17:00
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