In den letzten Wochen hat sich der Kurs versiebenfacht. Einige Analysten haben die Aktie nun deutlich hochgestuft. Doch Experten warnen vor zu viel Euphorie. Tatsächlich kann sich die Infineon-Aktie über die Stimmung am Markt derzeit nicht beklagen: Der Titel ist seit Wochen heiß begehrt, übernimmt nahezu täglich die Spitzenposition im Auswahlindex TecDax. Statt 0,38 Euro wie noch im März standen zuletzt bis zu 2,75 Euro auf dem Kurszettel. Die überraschende Ankündigung von Infineon, Anleihen zurückzukaufen und so die Schuldenlast mindern zu wollen, verlieh dem Titel jüngst einen zusätzlichen Schub nach oben. Ginge es nach den Analysten von JP Morgan und Merrill Lynch, so ist aber bei 2,75 Euro noch lange nicht Schluss: Sie sprachen nun eine Kaufempfehlung für den angeschlagenen Halbleiter-Konzern aus und erhöhten ihre Kursziele auf 3,30 respektive 3,20 Euro. Nichts Genaues weiß man nicht Doch nicht alle Markbeobachter lassen sich dadurch in überschwängliche Kauflaune versetzen, sie hinterfragen vielmehr die jüngsten Kurssteigerungen kritisch. So ist einigen nicht ganz klar, woher Infineon angesichts des grassierenden Kapitalschwunds überhaupt das zum Rückkauf nötige Geld nehmen möchte. Bereits im Laufe des zweiten Quartals 2009 war die Liquidität auf nur noch 532 Millionen Euro zusammengeschmolzen. "Die jüngste Maßnahme an sich ist auf den ersten Blick sicherlich positiv. Aber wir wissen immer noch nicht, wie das Gesamtpaket zur Refinanzierung aussieht", bemängelt NordLB-Analyst Jan Christian Göhmann im Gespräch mit boerse.ARD.de. "Angesichts der "No Comment"-Politik des Vorstands schweben immer noch zu viele Möglichkeiten im Raum: eine mögliche Staatsbürgschaft, eine neue Wandelanleihe, die Ausgabe neuer Aktien …" Verwässerungseffekt als Damoklesschwert Die Refinanzierung ist momentan das dringlichste Problem bei dem Halbleiterkonzern: In diesem Jahr läuft eine Kreditlinie von 300 Millionen Euro aus, kommendes Jahr werden dann die zwei Anleihen fällig im Nominalwert von aktuell noch 663 Millionen Euro. Vor diesem Hintergrund hatte sich Konzern bereits auf der Hauptversammlung im Februar die Genehmigung der Anteilseigner für eine Kapitalerhöhung über bis zu 450 Millionen Euro eingeholt. Diese Option ist nach wie vor nicht vom Tisch: Infineon-Aktionäre müssen folglich immer noch um eine mögliche Verwässerung ihrer Anteile bangen, sollte es zur Ausgabe neuer Aktien kommen. Auch das operative Geschäft lässt zu wünschen übrig Eine weitere dazu nötige "formale" Voraussetzung ist nach den drastischen Kurssteigerungen der vergangenen Wochen nun ebenfalls erfüllt: Eine Kapitalerhöhung ist nämlich nur dann möglich, wenn der Aktienkurs bei mindestens 2,00 Euro, dem Nennwert der Infineon-Aktien, liegt. Doch nicht nur die Frage der künftigen Refinanzierung ist von Infineon bislang unzureichend und somit unbefriedigend beantwortet worden. "Auch von fundamentaler Seite kann man nach wie vor keine Entwarnung geben. Das haben die Zahlen zum zweiten Quartal klar gezeigt", betont Göhmann. Der Konzernfehlbetrag belief sich auf zuletzt 258 Millionen Euro oder 0,32 Euro je Aktie, ein Turnaround des operativen Geschäfts scheint nicht in Sicht. Die Infineon-Aktie berge daher nach wie vor hohe Risiken, warnt Göhmann, der vor diesem Hintergrund bei seiner "Verkaufen"-Empfehlung bleibt.
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