Japan schickt Krisen-Kommando zum havarierten Meiler
Tokio (dpa) ? Japan will mit einem Krisen-Kommando aus Technikern, Feuerwehrleuten und Soldaten die Kontrolle über das Atomkraftwerk in Fukushima zurückgewinnen. Eine erste Notstromleitung in das AKW steht, um den Kühlkreislauf wieder in Gang zu bringen. Zum Kühlen sind Wasserwerfer im Einsatz. Mehr als 120 Mann versuchen direkt am Kraftwerk eine noch schlimmere Katastrophe zu verhindern. Noch 30 Kilometer entfernt wird eine erhöhte radioaktive Strahlung gemessen. Die Notunterkünfte für die Flüchtlinge sind teils heillos überfüllt.
Tokio (Reuters) - Zur Abwendung eines massiven Austritts radioaktiver Strahlen könnte das gesamte havarierte japanische Atomkraftwerk Fukushima unter einem Berg aus Sand und Beton begraben werden.
Die Methode, die bereits 1986 beim Störfall in Tschernobyl zum Tragen kam, sei ein letzter Ausweg, teilten Ingenieure des Betreibers Tepco am Freitag mit. Derzeit werde aber alles daran gesetzt, einen Super-GAU durch die Kühlung der Reaktoren noch zu verhindern. Die japanische Atombehörde stufte den Störfall der Reaktoren eins, zwei und drei unterdessen auf die Kategorie fünf hoch. In Tschernobyl war die höchste Stufe sieben erreicht worden.
Die Ankündigung des Unternehmens, das gesamte Kraftwerk möglicherweise zu begraben, könnte ein Hinweis darauf sein, dass Tepco ein Fehlschlagen aller Rettungsversuche in Betracht zieht.
Die Techniker arbeiteten am Freitag aber noch mit Hochdruck daran, eine Starkstromleitung zu zwei der sechs Reaktoren zu verlegen. Mit der neuen Energieversorgung könnten die Wasserpumpen zur Kühlung der überhitzten Brennstäbe vielleicht wieder gestartet werden. Der Strom zu den Unglücksreaktoren eins und zwei könnte bis Samstag wieder fließen, erklärte die Atomaufsicht. Einen Tag später könnten auch die Reaktoren drei und vier wieder mit Elektrizität versorgt sein. Allerdings war unklar, ob die Wasserpumpen nicht durch das Erdbeben, den Tsunami und die späteren Explosionen im AKW beschädigt wurden. Inzwischen wurden die Reaktoren weiter mit Wasser besprüht. Die Arbeiter konzentrierten sich dabei auf Reaktor drei, von dem die größte Gefahr ausging. Zu seinem atomarem Brennstoff gehört auch das hochgiftige und krebserregende Plutonium.
Eine weiteres Problem stellen alte Brennstäbe des Reaktors vier dar, die noch in einem Abklingbecken gekühlt werden müssen. Unklar war, ob die Brennstäbe bereits trocken lagen.
WHO - DERZEIT KEINE AKUTE GESUNDHEITSGEFAHR IM UMLAND
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht vom havarierten Kraftwerk derzeit keine unmittelbare gesundheitsschädliche Strahlenbelastung für die Menschen im weiteren Umland aus. "Zu diesem Zeitpunkt gibt es weiterhin keinen Hinweis darauf, dass sich bedeutende Strahlung über das Gebiet direkt an den Reaktoren hinaus ausbreitet", sagte der WHO-Vertreter in China, Michael O'Leary, am Freitag. Allerdings müsse die Lage genau beobachtet werden. "Dinge können sich offensichtlich ändern und haben sich in dieser letzten Woche geändert."
Bei einem Störfall der Kategorie fünf wird von einer begrenzten Freisetzung radioaktiver Strahlung außerhalb der betroffenen Anlage ausgegangen. Nach Angaben der Atombehörde lag die Strahlung innerhalb des Atomkomplexes bei 20 Millisievert pro Stunde. Der Mensch ist normalerweise einer natürlichen Strahlung von zwei Millisievert pro Jahr ausgesetzt. Rund um Fukushima ist eine Evakuierungszone von 20 Kilometern eingerichtet worden. In einem Radius von weiteren zehn Kilometern wurden die Menschen angewiesen, sich nicht im Freien aufzuhalten. Die japanische Atomaufsicht erklärte, derzeit sei es nicht nötig, die Evakuierungszone auszuweiten.
Die Situation bleibe weiterhin sehr ernst, erklärte die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA). Allerdings gebe es keine deutliche Verschlechterung seit Donnerstag. Die Strahlenbelastung in der rund 240 Kilometer entfernt liegenden Metropole Tokio sei nicht gefährlich. Die IAEA forderte die japanische Regierung auf, mehr Informationen über das Reaktorunglück zu veröffentlichen. Experten der Organisation wollen sich am Samstag und Sonntag bei einem Besuch des AKW ein Bild von der Lage machen.
Während sich die Aufmerksamkeit auf die Atomkatastrophe von Fukushima richtet, leiden nach wie vor Hunderttausende Menschen unter den Folgen des Erdbebens und des Tsunamis. Sie leben in Notunterkünften oft ohne Heizung und Trinkwasser, während in dem Gebiet ein Kälteeinbruch Eis und Schnee brachte. Auch die medizinische Versorgung konnte nicht gesichert werden. Die Regierung in Tokio erwog, einen Teil der betroffenen Menschen in andere Landesteile zu bringen, die nicht von dem Desaster betroffen sind. Im Norden Japans waren am Freitag bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt immer noch mehr als 300.000 Haushalten ohne Strom.
Kan in Fernsehansprache: «werden Japan neu aufbauen»
Tokio (dpa) - Sichtlich bewegt hat der japanische Ministerpräsident Naoto Kan seiner Bevölkerung im Fernsehen Mut zugesprochen. Japan stehe vor der größten Krise der Nachkriegszeit, werde diese aber «überwinden und sich erholen», sagte er in einer live übertragenen Pressekonferenz.
Als Antwort auf die Katastrophen würden in Japan alle verfügbaren Kräfte gebündelt. Die erste Woche nach Beben und Tsunami habe die Bevölkerung mit Ruhe bewältigt, lobte Kan. Den Opfern und Angehörigen der Opfer drückte Kan sein Beileid und Mitgefühl aus.
Zu der Lage im Krisen-AKW Fukushima befragt, sprach Kan von einer weiterhin sehr ernsten Situation: Diese erlaube keinen Optimismus. Die Lage werde aber «in nicht weiter Ferne» unter Kontrolle gebracht. Kan wehrte sich gegen die Kritik, Informationen über Fukushima zurückzuhalten: «Ich selbst und der Regierungssprecher haben alle Informationen bekanntgegeben, die wir hatten», sagte Kan. «Lassen Sie mich diese Tatsache wiederholen.»
Jeder Einzelne solle jetzt überlegen, was er beitragen könne, um Japan wiederaufzubauen. Auch er selbst werde alle seine Kraft aufwenden, versicherte Kan. Obwohl Japan ein kleines Land sei, habe es ein großes Wirtschaftswachstum erreicht. Es sei mit der Kraft aller Menschen aufgebaut worden. Mit Tränen in den Augen fügte er hinzu, Japan werde sich von dieser Katastrophe nicht unterkriegen lassen. Die Menschen dürften nicht pessimistisch sein: «Wir werden Japan neu aufbauen.» ----------- der gewinner hat viele freunde, der verlierer nur gute!
|