26.01.2009
HILFE GEGEN BUS-CHAOS Deutschland exportiert die Pünktlichkeit
Von Tobias Käufer, Cali
Pannen, Verspätungen, Fahrplanchaos: Busverkehr in der kolumbianischen Millionenmetropole Cali gleicht einem Tohuwabohu. Mit deutscher Hilfe will die Stadt jetzt Ordnung in die Busverbindungen bringen - nur die Fahrgäste müssen dafür noch begeistert werden. ANZEIGE
Der Kampf zwischen Gut und Böse trägt für Miguel Castro, Busfahrer in der kolumbianischen Millionenmetropole Cali, die Farben Grün und Rot: Die beiden Signalleuchten in seinem Cockpit signalisieren dem Chauffeur, ob er pünktlich ist oder ob er sein Gefährt zu spät oder gar zu früh an der nächsten Haltestelle zum Stehen bringt. Für Castro kommt die Lichtkontrolle einer kleinen Revolution gleich, waren doch Fahrpläne für ihn bislang eher freundliche Hinweise als Dienstvorschriften.
VERKEHRSCHAOS IN CALI: PÜNKTLICHKEIT MADE IN GERMANY
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Cali, mit rund 2,5 Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt in Kolumbien, steht nah am Verkehrsinfarkt. Bislang herrscht auf den Straßen ein kaum noch beherrschbares Chaos, das durch den öffentlichen Nahverkehr eher noch verstärkt wird. Die Busse halten abrupt, wenn am Straßenrand Fahrgäste den Arm heben. Die überwiegend veralteten Gefährte bleiben oft liegen, die Reparatur erfolgt dann trotz wütender Autofahrer auf der Straße. Die chronische Luftverschmutzung ist ein weiteres Übel.
Ein ehrgeiziges Projekt soll das alltägliche Verkehrsdesaster in der Stadt nun beseitigen. Und deutsche Ingenieure wie Ernst Denert haben daran einen wesentlichen Anteil. Mit seiner Software-Firma IVU Traffic Technologies baut Denert den öffentlichen Personenverkehr in Cali völlig neu auf. Das Berliner Unternehmen hat sich vorgenommen, in einer der chaotischsten Städte Lateinamerikas ein pünktliches Transportsystem auf die Beine zu stellen.
Den Auftrag für die technologische Plattform des neuen Verkehrssystems hat die zuständige Behörde, Metro Cali S.A., an ein Konsortium vergeben. Mit im Boot sitzt auch die IVU AG. Sie bildet das Herz der Verkehrsrevolution. Die für das neue System mit dem Namen "Millionen" notwendigen IT-Systeme kommen zum größten Teil aus Deutschland. Konkret handelt es sich um die IVU-Software für die Planung, Disposition und Betriebslenkung einer Flotte von tausend Bussen.
Kürzere Fahrzeiten, weniger Tote, saubere Luft
Was in Deutschland fast immer genau auf die Minute funktioniert, soll nun auch in Lateinamerika anlaufen: Die Deutschen werden die wesentlichen Systeme zur Planung, Durchführung und Abrechnung der Verkehrsleistungen installieren. In der Betriebsleitzentrale und in den Bussen soll die IVU-Software dafür sorgen, dass die Kommunikation von Zentrale, Fahrern und deren Fahrzeugen reibungslos funktioniert.
Für Denert ist der Aufgabe in Kolumbien mit einem Auftragsvolumen von rund 17 Millionen Euro nicht nur der größte in der bisherigen Firmengeschichte, er ist auch der abenteuerlichste: "Wir haben für zwei Jahre einen Mitarbeiter durch ganz Südamerika geschickt, um für unsere Dienste zu werben", beschreibt der IVU-Chef das ungewöhnliche Vorgehen. Jetzt arbeiten knapp zehn deutsche Expertinnen und Experten in der "Hauptstadt des Salsa", um dem täglichen Chaos den Garaus zu machen. Die Implementierung der Systeme soll Ende 2009 abgeschlossen sein.
"Wir wollen weniger Staus, kürzere Fahrzeiten, eine bessere Verkehrsführung und attraktive Preise im öffentlichen Personennahverkehr", erläutert Denert die ehrgeizigen Vorgaben der Auftraggeber. Besonders wichtig: Die Luftverschmutzung durch die alten Kleinbusse soll verringert und die Zahl der Verkehrstoten gesenkt werden - Pünktlichkeit und Ordnung "Made in Germany" in einem Land, in dem Uhren bislang anders tickten.
Disziplin durch deutsche Fahrpläne
Besonders ein kleines Detail an den Haltestellen dürfte für Furore sorgen: Dank der neuen Steuerung werden dort Informationen über die tatsächlichen Abfahrtzeiten der Busse künftig angezeigt. Zudem können sich Fahrgäste per Internet über Routen und Verbindungen informieren. Die chronisch unpünktlichen Lateinamerikaner sollen sich in Zukunft also von einem deutschen Fahrplan disziplinieren lassen.
MEHR ÜBER... Kolumbien Cali Öffentlicher Nahverkehr Südamerika zu SPIEGEL WISSEN Ob das mit der gelassenen südamerikanischen Lebensart zu vereinbaren ist, wird sich zeigen. Die Bürger von Cali müssen sich ebenso wie die Fahrer auf einen neuen Transportrhythmus einstellen. Zumindest aber bei Miguel Castro und seinen Kollegen will Denert bereits erste Anzeichen für positive Resonanz entdeckt haben: "Die Busfahrer liefern sich bereits einen Wettbewerb, wer am pünktlichsten sein Ziel erreicht."
Wenn die Pünktlichkeitsrevolution in Kolumbien erfolgreich ist, hofft Denert zudem auf Folgegeschäfte. "Wir gehen davon aus, dass Cali als Referenzobjekt auch andere von unseren Dienstleistungen überzeugt. Vor allem aber bedeutet der Auftrag in Cali für uns echtes Wachstum. Er ist ein wichtiger Schritt in den lateinamerikanischen Markt." Geht es nach Denert, soll die deutsche Pünktlichkeit bald auch in anderen lateinamerikanischen Metropolen Einzug halten.
Der Startschuss für das Projekt erfolgte bereits im August, mittlerweile wird das deutsche Team in Cali weiter ausgebaut. Für die Einwohner der Stadt war der Testlauf bereits ein großes Spektakel. "Die Menschen haben uns zugewunken und viele wollten in den neuen Bussen mitfahren. Klappt alles reibungslos, sollen Ende 2009 alle neuen Busse in Cali pünktlich fahren, geplant und gesteuert mit den Systemen aus Deutschland. Denert verspricht: "Wir werden pünktlich fertig sein." ----------- Gewinn ist die Summe aus positiven Investitionen abzüglich negativer Investitionen
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