Wien. Im Schatten der negativen Bewertung der Ratingagentur Standard & Poor's für die Finanzlage der USA zeigte die offizielle Schuldenuhr zu Wochenbeginn erstmals die Zahl von 14,3 Billionen Dollar (zehn Billionen Euro) an. Das vom Kongress abgesegnete Höchstlimit ist damit grundsätzlich erreicht. Einzig eine ganze Reihe von Sonderregelungen ermöglichen es den USA, zumindest derzeit noch, ihre Rechnungen pünktlich zu bezahlen.
Standard & Poor's sorgte am Montag mit einer Senkung des Ausblicks für die US-Bonität von „stabil“ auf „negativ“ weltweit für Aufsehen. Als „erhebliches Risiko“ nennen die Analysten die Möglichkeit, dass sich die beiden großen Parteien nicht rechtzeitig auf eine Erhöhung des Schuldenlimits von 14,3Billionen Dollar einigen – ein Limit, das de facto schon seit Wochenbeginn durchbrochen ist.
Auf „Hope Bonds“ zurückgreifen
Bei 14,309 Billionen Dollar tickte die Schuldenuhr der USA nämlich am Dienstagnachmittag. Theoretisch dürfte das Weiße Haus nun keinen Cent mehr ausgeben, weil der Kongress bloß ein Minus von exakt 14,294 Bio. Dollar abgesegnet hat. Die Insolvenz der größten Volkswirtschaft wäre die logische Folge, weil Staatsanleihen nicht mehr bedient werden könnten.
Allerdings können sich die Buchhalter im US-Finanzministerium einiger Tricks bedienen. So zählen beispielsweise sogenannte „Hope Bonds“ nicht zu dem für das Limit relevanten Schuldenstand. Diese auf den Finanzmärkten geliehenen Gelder wurden vom Staat zur Seite gelegt, um Hausbesitzern, die ihre Hypothek nicht mehr bezahlen können, einen Teil der Kreditraten vorzustrecken. Egal, ob das Geld in die Staatskassen zurückfließen wird oder nicht – zu den für das Limit relevanten Schulden zählt es nicht.
So reduziert die US-Regierung ihren Schuldenstand um 20Mrd. Dollar. Um weitere 40Mrd. Dollar schrumpft das Minus durch Reserven der Federal Financing Bank. Dieses kleine Institut mit 17Mitarbeitern überwacht die Ausgabe von Staatsanleihen. Die Reserven, die es hält, haben zwar grundsätzlich keine Auswirkung auf den Schuldenstand. Der Finanzminister kann sie aber abziehen, wenn es um das Erreichen des vom Kongress erlaubten Limits geht.
Nur diese Feinheiten sind der Grund, warum Agenturen wie Standard & Poor's, Moody's oder Fitch den USA nach wie vor die höchste Bonität zusprechen. Der US-Kongress diskutiert derzeit heftig, wie es mit den Staatsschulden weitergehen soll. „Wir stimmen einer Anhebung des Schuldenlimits nur zu, wenn die Demokraten zu ernsthaften Reformen bereit sind“, sagte der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Eric Cantor, am Dienstag.
Sollte sich die Politik nicht einigen, wird das Limit auch trotz der genannten Tricks am 16.Mai erreicht, schätzt das Investmenthaus Goldman Sachs. Dann könnte sich die Regierung noch sechs Wochen lang über Wasser halten, indem sie beispielsweise Reserven des Pensionsfonds anzapft. Spätestens im Juli wäre auch damit Schluss, sind sich alle Experten einig. Das Szenario einer Insolvenz der USA würde dann Realität.
Düstere langfristige Aussichten
Davon gehen nur wenige Beobachter aus, sie erwarten eine Anhebung des Limits gegen Ende Mai. Am Grundproblem der steigenden Staatsschuld ändert das nichts. Aktuell liegt die Last bei 97Prozent der Wirtschaftsleistung, der Internationale Währungsfonds geht von 110Prozent in fünf Jahren aus. Dem zu Grunde liegt allerdings die Annahme bester Bonität. Senken die Agenturen das Rating der USA, droht ein Teufelskreis. Die Finanzierungskosten stiegen an, eine deutlich schneller steigende Schuldenlast wäre die Folge.