Adler, warum so schüchtern?
Die kleine Adler Real Estate zählt zu den Wachstums-Raketen am Immobilienaktienmarkt. Alle ihre Zahlen liegen im Plus. Wie sich Adler weiter entwickelt, entscheiden vor allem die Großaktionäre. Vielleicht gibt sich der Vorstand deshalb so zurückhaltend, wenn man ihn nach konkreten Zukunftsplänen fragt? Diese Wohnanlage in Lilienthal ist durch die Fusion mit der Westgrund in den Bestand der Adler Real Estate übergegangen. Bild: Westgrund Diese Wohnanlage in Lilienthal ist durch die Fusion mit der Westgrund in den Bestand der Adler Real Estate übergegangen.
Bild: Westgrund
Für den Chef eines überaus dynamischen Immobilienkonzerns macht Axel Harloff einen recht defensiven Eindruck. Mit den Halbjahreszahlen kann er für seine Adler Real Estate zwar einen deutlichen Anstieg der Bilanzsumme (+85%), der Mieteinnahmen (+223%) und des Konzern-Nettovermögens (+89%) verkünden. Fragt man ihn aber nach der weiteren Entwicklung seiner Adler Real Estate, sagt er nur: "Ein Portfoliokauf kann bis zum Notartermin noch schiefgehen. Der Markt lässt sich nicht vorhersehen. Über unser Wachstum ist also keine Prognose möglich, ich mache keine Aussage über unser Größenziel."
Warum so schüchtern? Bisher hat es schließlich auch geklappt. Nur rund zwei Jahre brauchte Adler Real Estate, um in die erste Reihe der börsennotierten Wohn-AGs vorzustoßen. Im Jahr 2012 gehörten ihr gerade mal 203 Wohnungen, 2013 waren es schon 7.800 und ein Jahr später über 24.000 Einheiten. "Adler remains the fastest growing listed company in Germany", scheibt die Firma über sich selbst.
In den letzten 18 Monaten schluckte Adler die Wohnbau Jade in Wilhelmshaven (6.600 Wohnungen), zwei Portfolios aus Fonds-Beständen von Corestate (11.000 Wohnungen), die glücklose Berliner Estavis (2.100 Wohnungen) und den Privatisierer Accentro. Die Übernahme des etwa gleich großen Wettbewerbers Westgrund (21.000 Wohnungen) wurde zur Jahresmitte vollzogen, damit liegt der Immobilienbestand des Konzerns bei knapp 50.000 Einheiten.
Einen Fuß in der Tür hat Adler außerdem bei der österreichisch-deutschen Conwert (ihr gehören 28.000 Wohnungen). Hier ist Adler seit kurzem mit knapp 25% der größte Alleinaktionär. Ob Adler einen Zusammenschluss wolle, müsse man erst noch prüfen, sagt Harloff, es werde aber Gespräche über eine Zusammenarbeit beider Unternehmen geben. Für eine Übernahme der Conwert hatte sich drei Monate zuvor bereits die Deutsche Wohnen interessiert, deren Angebot von 11,50 Euro/Aktie hatten die Aktionäre aber als zu niedrig abgelehnt.
Ob es nicht schwierig ist, so viele Zukäufe in so kurzer Zeit organisatorisch gut zu verdauen? Bisher, sagt Harloff, habe man mit der Integration nicht wirklich Probleme gehabt, die Übernahmen seien unproblematisch gelaufen, "Das Schöne am Wachstum sind ja die Synergien, die man dadurch realisieren kann. Und solange der Markt gut läuft, werden wir weiter wachsen." Adler kann scheinbar oft günstig einkaufen
Einkaufen und managen, so scheint es, ist für Adler selbst mitten im deutschen Immobilienboom kein Problem. Und nicht nur das: Der Konzern scheint zuweilen so billig einkaufen zu können, dass nach dem Erwerb ein schöner Aufwertungsgewinn anfällt. Allein die Wohnbau Jade verhalf der aktuellen Halbjahres-Gewinnrechnung zu einem Sonderertrag in Höhe von 42,3 Mio. Euro. Um diesen Betrag übersteigt demnach der Wert der Jade den von Adler gezahlten Kaufpreis. Auch den Preis, den Adler für den Conwert-Anteil zahlte (angeblich 13,50 Euro/Aktie), bezeichnet Harloff als "günstig und eine gute Basis für das Heben weiterer stiller Reserven".
Dem Chef der österreichischen Buwog, Daniel Riedl, müssten bei diesen Worten die Ohren klingeln. Auch er interessierte sich für den Wettbewerber Conwert, doch den Preis, zu dem die Aktien den Besitzer wechselten, kann er nicht nachvollziehen. Wie viele andere Investoren hadert Riedl am Immobilienmarkt zudem mit dem hohen Preisniveau. "In Deutschland wird es immer schwerer, halbwegs vernünftige Wohnungen zu halbwegs vernünftigen Renditen zu kaufen", klagt der Buwog-Chef.
Harloff dagegen sieht durchaus noch Kaufbares am Markt. "Es gibt immer noch genügend Portfolios im Angebot, zum Beispiel von ausländischen Investoren. Natürlich wird man im Ankauf nicht mehr die Preise von vor zwei, drei Jahren bekommen. Aber es ist nicht sinnvoll, die Markteinschätzung auf die nominale Höhe der Quadratmeterpreise zu reduzieren. Denn gleichzeitig sind die Finanzierungskosten auf historische Tiefststände gefallen. Dadurch kann die Wohnungsbewirtschaftung trotz höherer Preise weiterhin ein gutes Geschäftsmodell sein."
Selbiges Geschäftsmodell setzt auf den Ankauf von Wohnungen, die vom Start weg einen positiven Cashflow erwirtschaften. Auf Konzernebene ist das mit den positiven Erträgen nach allen Kosten allerdings erst ansatzweise gelungen. Zwar konnte im 1. Halbjahr der Überschuss aus der Geschäftstätigkeit gegenüber dem Vorjahreszeitraum verdoppelt werden. Doch in der Cashflow-Rechnung überstiegen die Zinsausgaben (28,9 Mio. Euro) auch im 1. Halbjahr 2015 die operativen Einnahmen (22,9 Mio. Euro). Harloff sieht das anders: "Wir sind im positiven Bereich."
Mit "Bereich" meint er die operative Kennzahl FFO, nach Harloffs Überzeugung die einzig maßgebliche zur Beurteilung seines Unternehmens. Bei der FFO-Berechnung zieht Adler nur einen Teil der gesamten anfallenden Finanzierungsaufwendungen ab. Dadurch ergibt sich für das Halbjahr immerhin ein FFO I (Einnahmen aus Bestandsvermietung) von 6,3 Mio. Euro. Das Vorjahres-Halbjahr hatte mit einer schwarzen Null geendet. Inklusive Wohnungsverkäufe erwirtschaftete Adler sogar 32,9 Mio. Euro (FFO II). Privatisierungen sollen dem Konzern als zweite Einnahmequelle dienen.
Damit setzt sich Adler von den übrigen deutschen Wohn-AGs ab, bei denen Einzelverkäufe auf die Planungsrechnung der Einnahmeseite keinen großen Einfluss haben. Ansonsten ist Adler aber durchaus mit anderen Wohn-Aktien vergleichbar. Auf den Zielmärkten, in denen sich Adler nach Zukäufen umsieht - gerne B-Standorte und Randlagen der Ballungszentren - tummeln sich z.B. Grand City und TAG Immobilien. Auch die Miethöhe ist vergleichbar: Adler-Wohnungen kosten durchschnittlich 4,90 Euro/m2, die von Grand City 5,30 Euro/m2 und bei der TAG 5 Euro/m2. Darauf angesprochen, zuckt Harloff nur mit den Schultern, er mag sich im Branchenvergleich nicht einordnen. "Der deutsche Wohnungsmarkt ist unendlich groß, ich sehe keinen Verdrängungswettbewerb zwischen den verschiedenen Wohnungsunternehmen." Wecken-Holding zieht als Großaktionär die Fäden
Mag sein, doch gerade die Parallelen zur Grand City sind offensichtlich. Auch dieses Unternehmen hat seit 2013 seinen Wohnungsbestand mehr als verfünffacht. Mit 66.000 Einheiten ist Grand City inzwischen sogar etwas größer als Adler. Beide AGs investieren gerne in Nordrhein-Westfalen und Ostdeutschland (Adler ist in Niedersachsen deutlich präsenter, Grand City dafür in Berlin). Auch die Zielgruppe - Mieter mit begrenztem Budget - ist bei beiden dieselbe. Und trotzdem soll es hier gar keine Konkurrenzsituation geben? "Wir wachsen nicht im Wettbewerb mit anderen", bleibt Harloff überzeugt. Komplett unbekannt dürfte ihm die Grand City trotzdem nicht sein: Die knapp 25%ige Conwert-Beteiligung kaufte Adler im August dieses Jahres nämlich dem israelischen Milliardär Teddy Sagi ab. Und Sagis Beteiligungsholding Mountain Peak war bis 2012 Großaktionär bei Grand City gewesen.
Die Konsolidierungswelle unter den deutschen Wohnungskonzernen ist noch nicht abgeschlossen. Bisher stand Adler auf der Seite der Jäger, nicht der Gejagten, auch dank seines Großaktionärs Wecken & Cie. Vor der Westgrund-Übernahme durch Adler war die Wecken-Familienholding bei beiden AGs maßgeblich beteiligt, seit dem Zusammenschluss hält sie knapp 22% der neuen, größeren Adler Real Estate (weitere 22% liegen bei der Mezzanine IX Holding). Wecken ist auch bei deutschen Gewerbe-AGs als Konsolidierer unterwegs: Als Großaktionär sowohl der Demire als auch der Fair Value Reit unterstützt das Family-Office den für diesen Herbst geplanten Zusammenschluss beider Firmen.
Ob Axel Harloff wohl fürchten muss, dass Wecken früher oder später auch die Adler selbst zwecks Übernahme durch einen größeren Partner zur Disposition stellt? Nicht einmal mit dieser Frage lockt man den Vorstandschef aus seiner Zurückhaltung. "So ist das Leben", sagt er dazu nur. Ein solcher Plan stehe im Moment zwar nicht zur Debatte, letztlich liege die Entscheidung aber ohnehin allein in den Händen des Großaktionärs. Damit beendet er das Gespräch.
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