Ein älterer Kaufmann hat sich im Laufe des Lebens ein Vermögen von fünf Millionen Euro aufgebaut. Davon liegen 500.000 in Festgeld. In diverse Staatsanleihen hat der Anleger eine Million investiert. Dazu kommen Immobilien im Wert von 2,5 Millionen Euro. Der Mann und seine Frau bewohnen zwei Häuser selbst, fünf Wohnungen sind vermietet. Die Aktien und das Gold sind jeweils 500.000 Euro wert. Abgerundet wird das Vermögen durch einen Kredit von 750.000 Euro. Folglich liegt das Eigenkapital bei 4,25 Millionen Euro, so dass der Anleger seinen Lebensabend in vollen Zügen genießen können sollte.
Davon ist der Rentner im Augenblick jedoch ein ganzes Stück entfernt. Erstens plagt ihn die Sorge, einen Teil des Geldes zu verlieren, zweitens sind die Einkünfte karg, und drittens stellt sich die Frage, ob der Kredit, dessen Zinsbindung ausgelaufen ist, für zehn Jahre verlängert werden soll. Die Prolongation der Hypothek bewegt den Mann im Augenblick am meisten, weil die Bank seit Tagen drängt. Doch der Kredit ist das kleinste Problem.
Man kann darüber den Kopf schütteln
Zum Thema
FAZ.NET-Serie: Die Vermögensfrage
Die wahren Schwierigkeiten sind die Struktur und die Erträge des Vermögens. Der Anleger hat in Festgeld und Gold eine Million investiert, die nach Abzug der Abgeltungsteuer jährlich 7000 Euro bringen. Das ist eine Verzinsung von 0,7 Prozent je Jahr. Der Investor hat in Anleihen eine Million investiert, die nach Steuern jährlich 26.000 Euro abwerfen. Das ist eine Rendite von 2,6 Prozent jährlich. Die Eigenheime im Wert von 1,5 Millionen Euro ersparen dem Kaufmann zwar Miete und Hotelkosten. Trotzdem kosten die beiden Objekte nur Geld, so dass die Verzinsung negativ ist. Bei den vermieteten Wohnungen kommen jährlich 50.000 Euro in die Kasse, doch die Bank will für Zins und Tilgung der Kredite jährlich 60.000 Euro. Die Aktien sind noch 500.000 Euro wert. Derzeit werden kaum Dividenden ausgeschüttet, doch der Privatmann hofft, dass die Papiere in den nächsten Jahren einen Ertrag von 5 Prozent bringen.
Das ist in wenigen Zahlen die Lage, und man muss von Geld und Zinsen nicht besonders viel verstehen, um zu erkennen, dass diese Lage im wahrsten Sinne des Wortes wechselhaft ist: auf der einen Seite viel Geld, doch auf der anderen Seite wenig Ertrag. Man kann darüber den Kopf schütteln. Doch hat der Schuster nun einmal, wie der Volksmund weiß, die schlechtesten Schuhe.
Das Empfinden, Geld opfern zu müssen
Im vorliegenden Fall kann aber vieles mit wenigen Handgriffen erreicht werden. Das fängt mit dem Kredit an: Er ist überflüssig wie ein Kropf und sollte sofort getilgt werden. Davon ist der Kaufmann jedoch nur schwer zu überzeugen. Er ist der Meinung, dass gerade in Zeiten, in denen Inflation und Steuern drohen, mäßige Schulden von Vorteil seien. Doch das stimmt im vorliegenden Fall einfach nicht. Wer alle Verträge in einen Vermögensplan erfasst, wird schnell erkennen, dass die jährliche Verzinsung der Anlagen nach Steuern keine 2 Prozent beträgt. Das liegt in erster Linie an den Eigenheimen und an den Goldbarren, die zwar Substanzerhalt versprechen, aber keine Erträge abwerfen.
Da die Schuldzinsen abzugsfähige Werbungskosten sind, kostet der Kredit ebenfalls um die 2 Prozent, so dass es nichts bringt, diese Darlehen zu verlängern. Im Gegenteil: Dem Anleger winken nur Vorteile, wenn er die Schulden tilgt. Erstens fallen die Kreditraten von 60.000 Euro jährlich weg, so dass wieder Erträge da sind, die ?verlebt? werden dürfen; zweitens muss sich der Investor keine Sorgen machen, wie er die 750.000 Euro anlegen soll. Die Rückzahlung ist in der Theorie einfach und logisch. Trotzdem haben viele Anleger mit diesem Ratschlag in der Praxis große Probleme: Sie haben das Empfinden, dafür Geld opfern zu müssen, sie haben das Gefühl, dass Immobilien und Kredite zusammengehören, und sie gehen davon aus, dass sie Werbungskosten benötigen, um die Steuern zu senken. Das ist aber Unfug: Wer seine Schulden tilgt, opfert kein Geld; Immobilien bleiben trotz Barzahlung weiterhin Immobilien; und wer kaum Steuern zahlt, braucht keine Werbungskosten.
Der ?Verzehr? einer Million - Frevel?
Viel wichtiger ist die Frage, was mit den ?restlichen? 4,25 Millionen Euro passieren soll. Hier läge es auf der Hand, dem Anleger bewusst zu machen, dass zwei Häuser großer Luxus sind, doch das ist für viele Millionäre ?zu viel des Guten?. Sie brauchen das Gefühl, auch im Alter mindestens 250 bis 300 Quadratmeter beheizen zu dürfen, und es ist ihnen ein Anliegen, in der Schweiz ein Haus zu besitzen, das einmal im Jahr für drei Wochen aufgesucht wird. Da ist Schweigen die beste Lösung, verbunden mit der Konsequenz, die entsprechenden Werte, die in vielen Fällen gar nicht vorhanden sind, aus der Vermögensbilanz herauszunehmen.
Folglich geht es um das Problem, wie die restlichen 2,75 Millionen Euro anzulegen sind. Hier kann nur der alte Rat wiederholt werden, dass breite Streuung und kostengünstige Verwaltung die beste Lösung sind. Es hat keinen Zweck, sich den Kopf über Einzelanlagen zu zerbrechen und die Frage zu stellen, ob Griechenland in zwei Jahren zahlungsunfähig sein wird, oder wie sich die Aktie von Siemens in den nächsten Jahren entwickeln wird. Stattdessen ist es sinnvoller, das Vermögen auf die bekannten Töpfe zu verteilen und nebenbei auch noch daran zu denken, dass das Leben endlich ist.
Im vorliegenden Fall bietet sich zum Beispiel an, 350.000 Euro in Festgeld und jeweils 600.000 Euro in Anleihen, Immobilien, Aktien und Gold zu stecken. Das kann jeder Anleger mit Indexfonds selbst erledigen, so dass die aktive Vermögensverwaltung, die schnell 1 bis 2 Prozent jährlich kostet, genauso überflüssig ist wie der Kredit. Die Erträge aus diesen Geldanlagen betragen zwar ?nur? 66.000 Euro je Jahr, doch wenn das nicht reicht, steht allen Unkenrufen zum Trotz ja das Kapital noch zur Verfügung: Der ?Verzehr? einer Million ist für manchen Millionär zwar harte Kost, doch ist es wirklich ein Frevel, ehrlich verdientes Geld auch wieder auszugeben?
Der Autor ist Finanzanalytiker in Reutlingen.
Text: F.A.Z. Bildmaterial: F.A.Z.-Kai quelle http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/103/452801/text/
|