Rohstoffe glänzen wieder Nach der Korrektur im zweiten Quartal ziehen die Preise für Öl, Gold & Co. an. Wie Anleger profitieren könnenvon Michael Höfling | | Rohöltanks in Saudi-Arabien - Vor allem die Nachfrage aus China treibt die Preise für Rohstoffe in die Höhe Foto: AP | |
Nicht alle Investment-Ideen von André Kostolany haben dem Zeitenwandel an den Finanzmärkten standgehalten. Seine letzte schon. "Denken Sie mal über Aluminium-Aktien nach", riet der Börsen-Altmeister in einem Werbespot für Audi kurz vor seinem Tod im Herbst 1999, auf dem Höhepunkt des Technologie-Hypes. Wer diesem Rat folgte und auch in der Baisse dabei blieb, hatte rechtzeitig in den ersten Megatrend des neuen Jahrtausends investiert.
Ob Öl, Gold, Kupfer, Nickel, Zink oder eben Aluminium - Rohstoffe erleben nach Jahrzehnten weitgehender Ignoranz einen Boom ungekannten Ausmaßes. Vor allem die gewaltige Nachfrage aus China trieb die Preise im Frühjahr 2004 auf Rekordwerte. 2003 war die Wirtschaft im Reich der Mitte um neun Prozent gewachsen - Tendenz steigend. Um eine Überhitzung zu vermeiden, kündigte die chinesische Regierung Ende April an, die Konjunktur unter anderem mit reduzierter Kreditvergabe zu drosseln. Danach gerieten die Rohstoffpreise - oft das Ergebnis spekulativer Übertreibungen - unter Druck.
Einige Indikatoren sprechen nun dafür, dass die Korrekturphase des zweiten Quartals überwunden sein könnte. So stiegen die Frachtraten in den vergangenen Wochen um rund 20 Prozent an. Der Ölpreis kletterte im Lauf der Woche erstmals seit fünf Wochen wieder über die Marke von 40 Dollar. Auch die Notierung für Nickel, oft Indikator für die Tendenz bei Industriemetallen, zog deutlich an. Und für China erwarten vor allem europäische Experten ein so genanntes Soft Landing, ein nur leicht reduziertes Wirtschaftswachstum (siehe "Inside Peking", Seite 34).
"Die hohe Nachfrage nach Rohstoffen ist keine Frage von Monaten", glaubt auch Ulf Moritzen, Rohstoff-Fondsmanager bei der Hamburger Nordinvest, "sie begleitet einen globalen strukturellen Wandel." An dessen Ende sieht etwa Goldman Sachs im Jahre 2050 die Staaten China, Indien, Russland und Brasilien in einer Liga mit den USA und Japan.
Für ihren Aufstieg brauchen diese aufstrebenden Schwellenländer große Mengen an Rohstoffen. So werden in China schon jetzt jährlich Häuser für 20 Millionen Menschen gebaut, die ihre Provinz verlassen, um ihr Glück in den Städten zu suchen. Damit treiben auch die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur und der steigende Wohlstand die Rohstoffpreise. "Die jüngsten Daten zeigen eine weiter steigende Nachfrage nach Öl, der Trend dürfte damit weiter nach oben gehen", stellt Ralph Acampora, Chef-Investmentstratege bei Prudential Financial, fest.
Während BP in einer Studie davon ausgeht, dass die Ölreserven womöglich nur noch für 40 Jahre reichen könnten, sind Metalle eigentlich reichlich vorhanden. Sämtliche Prognosen über ihre vermeintliche Endlichkeit haben sich immer wieder als falsch erwiesen. Das Problem aber ist die technische Verfügbarkeit. "Die Unternehmen haben die Suche und Erschließung neuer Lagerstätten stark vernachlässigt", sagt Guido Schmidt, Rohstoffexperte bei der Privatbank Hauck & Aufhäuser. Dieser Investitionsstau führe nun zur drastischen Verknappung des Angebots. "Wenn die Unternehmen jetzt anfangen, diesen Stau abzubauen, muss man sicher noch einmal fünf Jahre rechnen, bis sich das am Markt bemerkbar macht", so Schmidt weiter.
Nicht allein die Korrektur der Rohstoffpreise im zweiten Quartal macht ein Engagement in Öl, Metall & Co. gerade jetzt überlegenswert. "Rohstoffmärkte sind traditionell von starken Zyklen geprägt", sagt Fondsmanager Moritzen. Ein einmal eingeschlagener Trend ist also meist nachhaltiger als etwa bei Aktien. Es gibt Optimisten, die von einem Superzyklus von 20 Jahren ausgehen. Außerdem herrscht in den Sommermonaten traditionell Flaute. Ein Anstieg der Umsätze im Rohstoffhandel ist meist erst ab August zu beobachten.
"Im Depot eines Anlegers können Rohstoff-Aktien einen wichtigen Beitrag zur Diversifizierung und Stabilisierung leisten", sagt Analyst Schmidt. Als Basisinvestments eignen sich Unternehmen, die gleich mehrere Rohstoffe abbauen, wie etwa BHP Billiton. Das Portfolio des australischen Konzerns erstreckt sich von Eisenerz und Stahl über Kupfer und Kohle bis hin zu Öl und Gas. Ähnlich gut aufgestellt sind Rio Tinto und Anglo American.
Im Gegensatz zu früher bietet sich heute aber auch die Chance zum Direktinvestment über Anlagezertifikate. Dafür spricht zum einen, dass sich die Rohstoffpreise oft unabhängig von den Aktienmärkten entwickeln, wodurch das Gesamtrisiko des Depots gesenkt wird. Außerdem ist die Korrelation zwischen anziehenden Rohstoffpreisen und steigenden Kursen entsprechender Aktien nicht zwingend.
Viele Emittenten haben den Bedarf der Anleger erkannt und Zertifikate herausgegeben, deren Wert sich unmittelbar an der Preisentwicklung des jeweiligen Basiswerts orientiert. Sie eignen sich damit auch für konservative Anleger. "Wer zudem das Währungsrisiko der oft in Dollar bewerteten Rohstoffe ausschließen möchte, sollte bei Zertifikaten auf den Namenszusatz "Quanto" achten", sagt Rune Hoffmann von der Derivatebörse Euwax. Ein Totalverlustrisiko wie etwa bei Optionsscheinen gibt es bei Rohstoff-Zertifikaten nicht. "Rohstoffe haben einen natürlichen Stop-Loss in Höhe ihrer Produktionskosten", so Hoffmann. Ein weiterer Vorteil: Viele Zertifikate werden ohne Laufzeitbegrenzung angeboten, verfallen also nicht.
Wie lange die starke Nachfrage nach Rohstoffen anhält, lässt sich seriös nicht beantworten. Sicher aber scheint: Der Megatrend wird schon in naher Zukunft nicht mehr allein von China getragen. In Indien zeichnet sich bereits der nächste starke industrielle Aufschwung ab. Vielleicht würde Kostolany heute etwas allgemeiner formulieren: Denken Sie mal über Rohstoff-Aktien nach.
Artikel erschienen am 11. Juli 2004
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