Wenn Firmen sich selbst kaufen (EurAmS) 02.04.2005 19:23:00 Die Konzerne schwimmen wieder im Geld - und beteiligen ihre Aktionäre: Alleine im DAX fließen Milliarden in Aktienrückkäufe. Wie Anleger davon profitieren können. von Kl. Schachinger und Th. Schmidtutz
Die Ankündigung von BMW-Chef Helmut Panke kam eher beiläufig: Man plane, der Hauptversammlung eine Dividendenerhöhung vorzuschlagen, sagte Panke auf der Bilanz-Pressekonferenz Mitte März, und außerdem auch noch zehn Prozent der eigenen Aktien zurückzukaufen. Das saß. Mit einem Plus von drei Prozent setzte sich das Papier an die Spitze der Tagesgewinner im DAX.
BMW ist kein Einzelfall. Immer mehr Firmen beteiligen ihre Anteilseigner nicht nur über Dividenden, sondern auch über Aktienrückkäufe an ihren Gewinnen. Erst am Freitag kündigte Singulus an, die Rückkäufe fortzusetzen, MDAX-Aufsteiger Pfleiderer hat damit begonnen.
Nach einer EURO-Umfrage unter Unternehmen aus DAX und MDAX haben sich 27 Vorstände von der Hauptversammlung (HV) das Recht einräumen lassen, eigene Papiere zurückzukaufen. Zwölf Unternehmen sind bereits am Markt aktiv oder stehen kurz davor (siehe unten). "Aktienrückkäufe", bestätigt Frank Schallenberger, Aktien-Stratege bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), "liegen voll im Trend." Und ein Ende ist nicht in Sicht: "2005 wird mindestens so gut wie 2004", erwartet Sharon Bell, Analystin bei Goldman Sachs (siehe Interview).
Vor allem in den USA sammeln Firmen fleißig eigene Anteile ein. Allein 2004 machten US-Firmen 150 Milliarden Dollar für Rückkäufe locker. Und die Riesen mischen ganz vorne mit. So plant Microsoft, bis 2008 Aktien für 30 Milliarden Dollar zurückzukaufen, Procter & Gamble will bis zu 22 Milliarden springen lassen, Wal-Mart ist immer noch mit zehn Milliarden dabei.
Zwar geht's hierzulande nicht ganz so üppig zu. Aber die Zeiten, in denen die Firmen gekleckert haben, sind vorbei. Seit 1998, als die Rückkäufe auch in Deutschland gesetzlich zugelassen wurden, haben DAX-Konzerne zusammen über 20 Milliarden für eigene Papiere ausgegeben.
Das Kalkül dahinter ist klar: Zum einen entsteht so zusätzliche Nachfrage nach den eigenen Papieren. Vor allem aber sinkt die Gesamtzahl der Aktien, wenn die Firmen sie nach dem Rückkauf einziehen. Bei gleich- bleibendem Ergebnis steigt damit der Gewinn je Aktie, gemessen am Kurs/Gewinn-Verhältnis wird die Aktie also billiger. Dies nutzen Investoren dann oftmals zum Einstieg.
Rückkäufe sind Treibsatz für die Kurse. Nach einer Untersuchung der US-Investmentbank Morgan Stanley laufen Unternehmen, die Aktien zurückkaufen, an der Börse im ersten Jahr nach der Ankündigung im Schnitt um 13 Prozent besser als der Gesamtmarkt. "Bei der Auswahl von Aktien sind Rückkäufe also ein gutes Kriterium", urteilt Morgan-Stanley-Analyst Ben Funnell.
Beispiel UBS: Zwischen 1997 und 2003 hat die Schweizer Bank eigene Papiere für umgerechnet 12,8 Milliarden Euro vom Markt genommen. Mit Erfolg: Die Aktie lief 82 Prozent besser als der Vergleichsindex. Noch stärker war Topdanmark: Der dänische Versicherer hat im selben Zeitraum über die Hälfte der eigenen Papiere eingesammelt und Aktionären so einen Kurszuwachs von 333 Prozent beschert. Anleger, die von neuen Rückkauf-Programmen erfahren, müssen sich deshalb aber nicht allzusehr hetzen: Denn die größten Kurssteigerungen winken Morgan Stanley zufolge ein halbes bis ein Jahr nach der Ankündigung. Offensichtlich warten viele Investoren ob, ob die Unternehmen den Worten auch Taten folgen lassen.
Noch vor ein paar Jahren war an derlei Rückkäufe kaum zu denken. Angesichts des weltweiten Konjunktureinbruchs kämpften die meisten Unternehmen mit drastischen Gewinneinbrüchen, viele waren tief in die roten Zahlen gerutscht. Doch zuletzt hat sich die Situation deutlich entspannt. "Die Firmen haben ihre Bilanzen bereinigt, Kosten getrimmt und können sich Rückkäufe nun auch leisten", sagt Alexander Groschke, Leiter Aktienanalyse bei der Landesbank Rheinland-Pfalz. Jetzt fließt das Geld auch wieder - und wie: Goldman Sachs schätzt, daß europäische Firmen 2004 freie Mittelzuflüsse von 193 Milliarden Euro hatten. Im laufenden Jahr dürften es rund 200 Milliarden Euro sein. Auch im DAX schwimmen die Konzerne im Geld. 2004 verdienten die 30 führenden deutschen Unternehmen unterm Strich insgesamt 34 Milliarden Euro und damit mehr als doppelt soviel wie 2003.
Das weckt Begehrlichkeiten. Nach einer aktuellen Umfrage von Merrill Lynch unter Fondsmanagern fodert jeder zweite, daß die Unternemen Cash an ihre Anteilseigner zurückgeben. Zugegeben: Die Firmen könnten ihr Geld auch über deutlich höhere Dividenden an die Aktionäre ausschütten. Doch vor einer allzu drastischen Anhebung schrecken die meisten Konzerne zurück: "Viele fürchten halt, daß sie im nächsten Jahr nicht mehr ganz soviel zahlen könnten", sagt Volker Riehm, Fondsmanager bei Activest. Schließlich gibt's für Dividendenkürzungen in der Öffentlichkeit meist Prügel satt: "Wenn das Aktienrückkauf-Programm zusammengestrichen wird, beschwert sich dagegen kaum jemand", weiß Riehm.
Neben der geräuschlosen Streichung bieten Aktienrückkäufe noch ein paar andere Vorteile. "Steuerlich ist ein Aktienrückkauf für Anleger günstiger", sagt Reinhild Keitel von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Denn Dividenden müssen Anleger versteuern. Steigende Kurse durch Rückkäufe können Investoren dagegen steuerfrei kassieren, vorausgesetzt, sie halten die Aktie länger als ein Jahr. Daneben bleiben die Firmen auch flexibler: "Dividenden sind eine Stichtagsgeschichte", so Riehm. Aktienrückkäufe könne ein Unternehmen dagegen während der Laufzeit nach Bedarf einsetzen und den Kurs an schwachen Tagen absichern. "Rückkäufe sind der beste und schnellste Weg, Aktionäre am Erfolg zu beteiligen", so Sharon Bell von Goldman Sachs. Und sie sorgte für Disziplin, ergänzt Hermann Köster von der Fondsgesellschaft Invesco: "Aktienrückkäufe bewahren Firmen davor, in überflüssige Repräsentationsbauten zu investieren oder Firmen viel zu teuer zu übernehmen."
Allerdings gibt's an den Programmen auch Kritik: "Aktienrückkäufe sind oft eher ein Armutszeugnis", findet etwa LBBW-Stratege Schallenberger. Denn Job des Managements sei es ja gerade, aussichtsreiche neue Wachstumsfelder zu erschließen. Wenn der Vorstand keine bessere Idee habe, als eigene Aktien zurückzukaufen, sei das schon "seltsam". Auch Dit-Fondsmanager Harald Sporleder sieht Aktienrückkäufe skeptisch: Die Firmen sollten lieber die "Scheuklappen wegnehmen und investieren". Zumal die Preise derzeit "sehr günstig sind". Doch wenn Firmen das Kapital schon an die Aktionäre zurückgeben wollten, dann lieber als Sonderdividende. "Den Spatz in der Hand ziehe ich vor", sagt Schallenberger. Auch Fondsmanager Sporleder ist im Zweifelsfall für Dividenden: "Wenn die Firmen sagen, ihre Ausschüttungsquote liege bei 40 Prozent des Konzerngewinns und sie wollte die Dividende pro Jahr um zehn Prozent steigern, ist mir das viel lieber."
Dem stehen die nachgewiesenen Kursgewinne aus Aktienrückauf-Programmen gegenüber. Aber Investoren müssen eben genau hinschauen: Denn oft ist "unklar, was die Firmen mit den zurückgekauften Aktien machen", moniert Keitel von der SdK. Auch Stratege Schallenberger bemängelt "fehlende Transparenz". Tatsächlich läßt sich oft nur mit Verzögerung feststellen, ob die Firmen die HV-Ermächtigung genutzt haben, und wenn ja, wie. "Viele erworbene Aktien dienen häufig nur dazu, Mitarbeiter-Optionsprogramme zu bedienen", warnt Aktionärsschützerin Keitel. Damit würden die Aktien aber wieder auf den Markt kommen.
Das gilt auch für Papiere, die Firmen als Akquisitionswährung einsammeln. Die kurssteigernde Variante - Einzug der Aktien und deren Vernichtung - findet häufig kaum oder gar nicht statt. Von den 2004 in den USA angekündigten Rückkäufen über 300 Milliarden Dollar wurde nur die Hälfte umgesetzt. Rund 50 Milliarden davon gingen in Optionsprogramme, 100 Milliarden in den effektiven Einzug von Aktien. Angesichts dessen sollten Anleger auf Firmen setzen, die Rückkäufe nicht nur ankündigen, sondern auch umsetzen und die Papiere anschließend vernichten, wie etwa UBS oder BASF. Auch BMW-Chef Helmut Panke meint es offenbar ernst. Man plane die Rückkaufe ja gerade, um den Kurs zu beflügeln, so Panke. Tolle Zahlen allein genügen eben manchmal nicht.
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