Ruhestand beginnt späterKabinettsbeschluß: Anhebung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre soll schon 2029 abgeschlossen seinVon Philipp Neumann
Sozialminister Franz Müntefering (SPD) angelt vor der Kabinettssitzung mit seinem Namensschild nach einem Zeitungsartikel Foto: dpa Berlin - Sozialminister Franz Müntefering (SPD) hat einen Pflock eingeschlagen: Die Rente mit 67 kommt, und sie kommt früher, als im Koalitionsvertrag vereinbart worden war. Eine "definitive Beschlußfassung", darauf wies Regierungssprecher Ulrich Wilhelm hin, gibt es jedoch noch nicht. Müntefering habe sich bei der Bundeskanzlerin und seinen Kabinettskollegen lediglich "Rückendeckung" geholt. Auch das angepeilte Datum 2029 wollte der Sprecher nicht wiederholen. Der Minister habe "Eckpunkte" vorgelegt. Details würden bis zum 8. März ausgearbeitet. Dann soll das Thema zusammen mit dem Bericht der Rentenversicherungen erneut im Kabinett beraten werden. Eines dieser Details zeichnet sich bereits ab: Der Zuschuß des Bundes an die Rentenkasse soll nicht weiter steigen, dies kündigte Münteferings Sprecher an. Derzeit zahlt der Bund jedes Jahr fast 80 Milliarden Euro in die Rentenkasse. Bisher steigt dieser Zuschuß von Jahr zu Jahr. Finanzminister Peer Steinbrück möchte diese "Dynamisierung" stoppen, hatte sich damit aber bisher nicht durchsetzen können. Daß sich das Kabinett nun offenbar darauf geeinigt hat, erleichtert Steinbrück die Haushaltsplanung. Zuschuß soll nicht weiter steigen In den vergangenen Tagen hatte es innerhalb der großen Koalition unterschiedliche Auffassungen zum Thema Rente mit 67 gegeben. Sowohl Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) als auch CSU-Vize Horst Seehofer hatten es abgelehnt, das Rentenalter früher als vereinbart heraufzusetzen. Der Koalitionsvertrag sieht die Rente mit 67 "spätestens 2035" vor. Seehofer soll sich gestern im Kabinett "intensiv" an der Diskussion beteiligt haben. Unter der Bedingung, daß ältere Arbeitnehmer bessere Chancen bekommen, länger in ihrem Beruf zu arbeiten, habe aber auch er Münteferings Plänen zugestimmt. Der CDU-Sozialexperte Rolf Brauksiepe kommentierte die Kabinettsentscheidung als "vernünftig". "Ich gehe davon aus, daß man sich innerhalb der Koalition darauf verständigen kann", sagte Brauksiepe der Morgenpost. Akut gebe es aber keinen Entscheidungsbedarf. Müntefering habe nur die unterschiedlichen Positionen in der Koalition zusammengeführt. Lob bekam der Sozialminister von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA). Dies sei eine "gute und richtige Entscheidung", sagte Alexander Gunkel, Mitglied der BDA-Hauptgeschäftsführung. Die Heraufsetzung des Rentenalters entlaste die Rentenkassen. Unter diesen Voraussetzungen sei es theoretisch möglich, das Ziel der Koalition zu erreichen, die Rentenbeiträge bis 2030 unter 22 Prozent zu halten. Daß allerdings Arbeitnehmer, die 45 Jahre lang Beiträge gezahlt haben, nach wie vor ohne Abschläge in Rente gehen können, schmälere die Entlastung, sagte Gunkel. Nach Berechnungen der Rentenversicherungsträger senkt die Rente mit 67, wenn sie voll eingeführt ist, den dann geltenden Rentenbeitragssatz um etwa 0,5 Punkte. Umgerechnet in Euro wären dies 4,3 Milliarden Euro. Der einfache Grund dafür: Wer bis 67 arbeitet, zahlt zwei Jahre länger als bisher Beiträge und bekommt zwei Jahre weniger Rente ausgezahlt. Zweifel an dieser Rechnung äußerte gestern erneut die Vizechefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Ursula Engelen-Kefer. Bereits heute liege das faktische Renteneintrittsalter bei 60,5 Jahren. Es sei "nicht zu erkennen, wo die Jobs herkommen sollen, damit die Leute bis 67 arbeiten können", sagte sie der Morgenpost. "Die Rente mit 67 ist grundlegend falsch." In den Unternehmen regiere heute der "Jugendwahn". Mehr als die Hälfte der Betriebe beschäftigten keine Menschen über 50 Jahren. Zugleich müßten immer mehr Beschäftigte wegen arbeitsbedingter Erkrankungen lange vor 65 aus dem Arbeitsleben ausscheiden. "Wir fordern die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, daß Menschen, die jahrzehntelang in die Rentenkasse gezahlt haben, eine angemessene Rente bekommen und nicht durch hohe Abschläge bestraft werden", sagte die DGB-Vize. Sie forderte die Koalition auf, einen "ehrlichen zweiten Arbeitsmarkt" zu schaffen, auf dem die rund 1,3 Millionen Menschen über 50 Jahre "eine anständige Beschäftigung" finden könnten: "Es ist genug Geld für sinnvolle arbeitsmarktpolitische Maßnahmen da." Aus der Berliner Morgenpost vom 2. Februar 2006 http://morgenpost.berlin1.de/content/2006/02/02/politik/808019.html
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