Schweizer Steuerbetrugs-Affäre - Heribert Prantl: Keine verbotenen Früchte, sondern Beweismittel
Aus deutscher Sicht macht die Schweiz ihre Geschäfte mit Steuergeldern, die dem deutschen Staat gehören. Die Schweizer Banken sind Hehler des flüchtigen Geldes. Sie bunkern quasi Diebesgut, nutzen das Geld, mit dem in Deutschland Straßen, Schulen und Gefängnisse gebaut werden müssten … Man figuriert selbst als Hehler des verschobenen Geldes, bezeichnet aber die Aufklärungsversuche dessen, der zu seinem Geld kommen will, als Hehlerei. Das ist nicht sehr ernst zu nehmen … Es handelt sich um eine Art Strafvereitelung - und um ein bewusstes und ein gewolltes Zusammenwirken der schweizerischen Banken und des schweizerischen Staates mit deutschen Straftätern. Der Vorteil, also die Beute, wird geteilt … Erstaunlich ist freilich, dass vor allem diejenigen Politiker, die sonst keine Bedenken gegen gekaufte Kronzeugen, gegen V-Leute und sonstige heikle Ermittlungsmethoden haben, vor dem Ankauf von gestohlenen Bankdaten warnen. Das weckt den Verdacht, dass die sonst probaten unfeinen Methoden dann nicht angewendet werden sollen, wenn es gegen die feinere Gesellschaft geht … Es gibt kein Verwertungsverbot für solche Daten. Wenn aufgrund dieser Daten bei Hausdurchsuchungen Beweise gefunden oder die Steuerhinterzieher (wie damals Postchef Klaus Zumwinkel) Geständnisse ablegen, handelt es sich nicht um ungenießbare Früchte vom verbotenen Baum, sondern um verwertbare Beweismittel. So wird der Schweizer Markt für Steuerhinterziehung (und damit auch für den Diebstahl und Verkauf von einschlägigen Daten) ausgetrocknet … Man kann das Geld, das der Staat für die Bankdaten bezahlt, als eine Belohnung betrachten. Belohnungen “für sachdienliche Hinweise”, juristisch handelt es sich um eine “Auslobung”, sind seit jeher ein anerkanntes Mittel der Aufklärung von Straftaten. Oft versuchen auch die Opfer, also die Bestohlenen, mit einer Belohnung ihr Hab und Gut wieder zu erhalten. Der Bestohlene bei der Steuerhinterziehung ist der Staat. Quelle: SZ Anmerkung WL: Darf ein Rechtstaat auf Indizien zurückgreifen, die ggf. durch ein kriminelles Delikt erlangt worden sind und für die er bezahlt, um damit massenhafte kriminelle Delikte aufzuklären? Bei einer vergleichbaren Situation hat der Geheimdienst für Indizien schon einmal viel mehr bezahlt, und es sind spektakuläre Steuerhinterziehungsdelikte an Tageslicht gekommen und einige (teils prominente) Täter (u.a. Zumwinkel) ihrem Richter zugeführt worden. Wir kennen im deutschen Strafprozessrecht nicht, wie in den USA, die „Frucht-vom-verbotenen-Baum“-Doktrin, wonach rechtswidrig erlangte Beweismittel nicht verwertet werden dürfen. Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Konrad Freiberg wies zu Recht darauf hin, dass die Verwertung illegal erlangter Beweismittel durchaus zu üblichen Ermittlungsmethoden gehören. Anders als in den USA, wo man mit dieser Doktrin kriminelle Methoden der Polizei oder von Anklägern eindämmen möchte, ist bei uns schlicht eine Abwägung vorzunehmen, wie schwer einerseits der Rechtsbruch zur Erlangung des Beweismittels und wie schwer andererseits das staatliche Interesse an einer effektiven Strafverfolgung wiegt. Das ist sicherlich eine Bewertungsfrage, aber wenn jetzt – anders als früher - von CDU und FDP ganz allgemein rechtstaatliche Bedenken erhoben werden, so ist das angesichts der schon eingeführten rechtsstaatlich höchst bedenklichen Überwachungsmethoden zur angeblichen „Terrorbekämpfung“, die sogar in Grundrechte eingreifen, merkwürdig. Es passt in das Bild dieser Regierung, die sich zunehmend als Handlangerin vermögender Klientel outet. Was ist ein einziger Diebstahl von Daten, die hunderte von kriminellen Akten der Steuerhinterziehung in dreistelliger Millionenhöhe aufklären helfen könnten? Natürlich jaulen nun die Verfechter des Steuergeheimnisses auf, aber wo ist ihre Empörung, wenn es um viel sensiblere Daten, wie beim Gesundheitschip oder bei der Erfassung von Arbeitnehmerdaten bei ELENA, geht? Besonders scheinheilig verhalten sich Schweizer Offizielle, sie brauchten doch nur darauf drängen, dass die in den Safes der Banken lagernden und dem deutschen Fiskus hinterzogenen Gelder den zuständigen deutschen Ermittlungsbehörden bekannt gegeben würden, und es würde keine Hehlerware zur Aufklärung von Straftaten herangezogen werden müssen. Siehe dazu auch Steuerflucht als Kavaliersdelikt und Steuerhinterziehung - ein Spiegelbild gesellschaftlicher Verhältnisse. Anmerkung Orlando Pascheit: So skrupulös und sensibel hätte man sich die Reaktionen von zu Guttenberg (CSU), Michael Fuchs (CDU) oder wie sie sonst alle heißen bei den Auslassungen von Koch zu den ALG-II-Beziehern gewünscht. Auch ich habe ein Unbehagen bei solchen Datentransfers, nur habe ich meine Zweifel bezüglich der Reinheit der Motive der politischen Gegenrede - solange z.B. in Hessen erfolgreiche Steuerfahnder weggemobbt werden. In einem kritischen Leserbrief zu einer Anmerkung wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit der Staat Steuerhinterziehung publikumswirksam nutzt, um letztlich an immer mehr Daten der Bürger heranzukommen. In der Tat kann man sich vorstellen, dass eine solche Praxis irgendwann nicht mehr Terroristen oder Steuerhinterzieher, sondern unter anderen politischen Bedingungen z.B. den politischen Gegner in das Visier nimmt. Auf jeden Fall sollte der Vorschlag von Astrid Hölscher in der FR in Betracht gezogen werden: “Im Übrigen wirkt ja schon das bloße Gerücht. Sollen die Politiker ruhig streiten, was sich mit dem Schweizer Datensatz anfangen ließe. Je länger die Debatte währt, je unklarer der Kreis möglicher Verdächtiger bleibt, desto mehr Selbstanzeigen nervöser Steuerbetrüger werden eingehen. Zum Wohl der Solidargemeinschaft.” Quelle: FR
----------- oliweleid
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