April 2010
Goldman-Sachs-Rohstoffexperte David Greely über Rohstoffpreise im neuen Jahrzehnt
Neues von den Goldmännern: David Greely, Geschäftsführer und Chefstratege für den Rohstoffbereich, spricht in "Know How", dem Anlegermagazin der Bank über Öl, Kupfer und die Nachfrage aus den Schwellenmärkten. Das Interview wurde DAS INVESTMENT.com freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Frage: In der Zeit von 2000 bis Mitte 2008 stiegen die Preise wichtiger Rohstoffe meistens an, ehe eine scharfe Kurskorrektur mit späterer Preiserholung folgte. Welchen Trend erwarten Sie für das neue Jahrzehnt?
David Greely: Wir erwarten, dass sich die Preise der einzelnen Rohstoffe längst nicht mehr so ähnlich entwickeln wie in den Jahren 2000 bis 2008. Bei einigen Rohstoffen, etwa beim Rohöl, dürfte die steigende Nachfrage aus den Emerging Markets und das langfristig knappe Angebot in den nächsten Jahren für steigende Preise sorgen - wie schon von 2000 bis 2008. Aber das gilt noch nicht einmal für sämtliche Energierohstoffe. So dürften die Erdgaspreise unter Druck bleiben, weil von der Erschließung neuer Quellen (Flüssiggas- und Shale-Gas) auszugehen ist. Alles in allem hängt die Preisentwicklung in den nächsten zehn Jahren davon ab, inwiefern es gelingt, langfristige Knappheiten zu verhindern - und davon, wie hoch die Nachfrage aus den Emerging Markets ist.
Frage: Energieträger, Metalle oder Landwirtschaftsprodukte - welche Teilsegmente sind mittel- und langfristig am viel versprechendsten?
Greely: Mittel- bis langfristig dürften der Öl- und der Kupferpreis am stärksten anziehen, weil hier die Knappheiten langfristig am größten sind und die Nachfrage besonders stark vom Wachstum der Emerging Markets getrieben wird. Auch Platin halten wir weiter für viel versprechend, weil das Metall vom steigenden Goldpreis und von einer steigenden Automobil-nachfrage profitiert - aus den Emerging-Market-Ländern, aber auch aus den USA, wo sich der Sektor erholt. Den positiven Auswirkungen des hohen Goldpreises dürfte allerdings die allmähliche Straffung der Geldpolitik entgegenstehen. Wenn der Rohölpreis weiter so steigt wie erwartet, könnte auch der Maispreis zulegen. Aber das dürfte noch ein bisschen dauern.
Frage: Das Argument für steigende Preise lautete meist: Ein knappes Angebot stößt auf eine wachsende Nachfrage, vor allem aus den Emerging Markets. Ist diese Aussa-ge weiterhin zutreffend?
Greely: Das ist das entscheidende Argument für Rohstoffe. Die Preise von Rohstoffen, die langfris-tig knapp bleiben, oder bei denen der Aufbau zusätzlicher Förderkapazitäten teuer ist, wer-den weiter steigen, weil die von den Emerging Markets angeführte Erholung der Weltwirt-schaft eine höhere Nachfrage bedeutet. Wo durch Investitionen (z.B. in neue Raffinerien) oder neue Technologien das Angebot gestiegen ist, haben auch die Preise nicht übermäßig zugelegt. Für uns bleibt das ein Investmentthema: Es gilt, die Förderkapazitäten für Ener-gierohstoffe aufzubauen, die man braucht, damit die Weltwirtschaft wachsen kann.
Frage: Wie sieht der Ausblick fürs laufende Jahr aus? Müssen wir uns bereits 2010 wieder auf dreistellige Rohölpreise einstellen?
Greely: Vermutlich wird der Ölpreis erst 2011 wieder dreistellig sein. Für dieses Jahr rechnen wir damit, dass er sich in einem Handelskorridor zwischen 85 und 95 Dollar je Barrel einpen-delt. Die während der Rezession aufgebauten Lagerbestände werden allmählich abgebaut, weil die Konjunkturerholung für eine höhere Nachfrage sorgt. Wenn sich die Lagerbestände normalisiert haben, dürfte die OPEC aber wieder mehr Öl fördern, so dass der Markt im Gleichgewicht bleibt und sich der Preisanstieg in Grenzen hält. Dennoch dürfte die Nach-frage Ende 2011 das Angebot übersteigen, so dass wir 2011 mit einem durchschnittlichen Ölpreis von 110 Dollar je Barrel rechnen. Frage: Welchen Einfluss haben neue alternative Energien auf den Rohölpreis? Ist der Substitutionseffekt bedeutend?
Greely: Wenn das Barrel Öl 85 bis 95 Dollar kostet, dürfte immer mehr Rohöl durch Biokraftstoffe ersetzt werden. Ein steigendes Ethanolangebot und die Überschusskapazitäten der Raffi-nerien werden die Benzinpreise in Schach halten - aber vermutlich nicht ausreichen, um das Verhältnis zwischen Ölangebot und Ölnachfrage in den kommenden Jahren grundlegend zu ändern. Allerdings könnte der Maispreis nächstes Jahr weiter steigen.
Frage: Werden neben dem Rohölpreis auch andere Energieträger wie etwa Erdgas teurer werden? Greely: Wir rechnen noch so lange mit einem großen Preisunterschied zwischen Öl und Erdgas, bis dem enormen Mehrangebot an Flüssigerdgas und Shale-Gas eine angemessene Nachfra-ge gegenübersteht. Dies dürfte noch einige Jahre dauern. Grundsätzlich wäre es zwar plausibel, wenn sich der Erdgaspreis am Öläquivalent orientierte, aber noch fehlt die Infra-struktur, um mehr Öl durch Erdgas zu ersetzen. Damit der Markt mehr Erdgas anstelle von Öl nutzen kann, muss noch mehr investiert werden - etwa im Verkehrssektor. Erforderlich wären GtL-Verfahren, mit denen Erdgas in extrem schwefelarmen Diesel (ULSD) umge-wandelt wird, oder Autos, die mit Strom oder komprimiertem Erdgas (CNG) betrieben werden.
Frage: Lassen sich Ihre Aussagen zum Rohöl auch auf wichtige Industriemetalle wie Kupfer und Aluminium übertragen?
Greely: Ja, das gilt insbesondere für Kupfer. Die Nachfrage aus China und den Emerging-Market-Ländern bleibt sehr hoch. Außerdem wird langfristig mit einem knappen Angebot gerechnet, ähnlich wie beim Rohöl.
Frage: Wo liegen die Unterschiede innerhalb des Industriemetallsektors?
Greely: Wir glauben, dass die Preise aller wichtigen Industriemetalle mit Ausnahme von Nickel 2010 wieder ihre Rekordniveaus von 2007 erreichen. Wir erwarten aber trotz der allgemei-nen Konjunkturerholung große Unterschiede zwischen den einzelnen Metallen. Wie schon 2009 ist auch jetzt Kupfer unser Favorit, weil die hohe Nachfrage aus den Emerging-Market-Ländern auf ein knappes Angebot trifft. Unser Ausblick für Zink ist ebenfalls positiv. Am wenigsten optimistisch sind wir für Nickel und Aluminium, aber selbst hier rechnen wir nicht mit Preisrückgängen. Wir glauben, dass der Aluminiumpreis kurzfristig von der Erho-lung der Automobilindustrie profitiert. Die weltweite Erholung dürfte zu neuen Höchststän-den bei der Nachfrage nach Industriemetallen führen. Der Kupferpreis könnte auf bis zu 8100 Dollar je mT, der Zinkpreis auf bis zu 2600 Dollar steigen. Gegen Ende des Jahres könnten die Preise wieder etwas zurückgehen, um dann 2011 wieder stark zu steigen. Frage: Sind Edelmetalle wie Gold, Silber oder Platin die bessere Alternative gegenüber den Industriemetallen?
Greely: Es ist in der Tat sinnvoll, die verschiedenen Edelmetalle separat zu betrachten. Wir glauben, dass der Goldpreis in den kommenden zwölf Monaten durchaus auf 1365 Dollar je Feinunze steigen kann. Möglich wird dies durch die anhaltend expansive Geldpolitik in den USA. Die Fed dürfte die Leitzinsen in den kommenden zwölf Monaten niedrig halten, was auch zu niedrigen Realzinsen führen wird. Das sind ideale Voraussetzungen für einen steigenden Goldpreis. Das größte Risiko im kommenden Jahr ist eine unerwartet frühe Straf-fung der amerikanischen Geldpolitik. Man bedenke, dass der Goldpreis 2008 nur durch-schnittlich 420 Dollar je Feinunze betrug. Ich persönlich bevorzuge Platin. Platin ist für mich das "bessere" Gold, zumal es ebenso wie Palladium durchaus auch als Industriemetall gelten kann - weil es beispielsweise in der Automobilindustrie beim Bau von Katalysatoren eingesetzt wird. Wir glauben, dass die Er-holung der Automobilindustrie unmittelbar bevorsteht und dies die Nachfrage treiben wird. Das Angebot bleibt unterdessen knapp, weil die Förderung in Südafrika zurückgeht. Wir sehen bereits jetzt ein deutlich steigendes Interesse an ETFs für Platin und Palladium.
Frage: Welche Trends sind im Agrarsektor mittelfristig zu erwarten?
Greely: Wir rechnen hier nicht mit spektakulären Preisanstiegen, weil die Lager voll sind und es ausreichend Reservekapazitäten gibt. 2011 könnte der Maispreis deutlich zulegen, falls sich das Wetter, wie von uns erwartet, nach drei hervorragenden Jahren wieder normali-siert. Die Lagerbestände könnten dann schnell abgebaut werden, weil Mais auch als Biokraftstoff eingesetzt wird. Frage: In den vergangenen Jahren wurden viele Rohstoffinvestments durch negative Rollrenditen belastet. Werden die Contango-Situationen bei zahlreichen Rohstoffen anhalten? Greely: Backwardation und Contango sind eigentlich nur unterschiedliche Phasen des Lagerzyklus. Sie entstehen durch unterschiedliche Kosten-Nutzen-Verhältnisse der Lagerhaltung. Wenn die Lagerbestände knapper werden, sind Produzenten, Verbraucher und Raffinerien im Vorteil, die sofort auf Lagerbestände zurückgreifen können. Die Vorteile der Lagerhaltung übersteigen dann die Kosten - mit der Folge einer "Backwardation" der Terminkurve. Beim Rohöl rechnen wir für diese Sommer mit einer kurzen Backwardation-Phase. Wenn die OPEC wieder Überschusskapazitäten hat, wird der Markt im weiteren Verlauf des Jahres wieder zum Contango zurückkehren. Für 2011 rechnen wir dann wieder mit einer nachhaltigen Backwardation. Frage: Wieso kam es zu diesen Contango-Konstellationen?
Greely: Hohe Lagerbestände - aber das wirft natürlich die Frage nach den Ursachen auf. 2005 und 2006 befand sich der Rohölmarkt im Contango; die Erwartung eines langfristig knappen Angebots ließ den Rohölpreis steigen. Dies führte zu einem kurzfristigen Angebotsüber-schuss, weil der hohe Preis zugleich die Nachfrage zurückgehen ließ. Die Lagerbestände stiegen, so dass ein Contango entstehen musste, um die Lagerhaltung bezahlen zu kön-nen. In der aktuellen Contango-Situation am Rohölmarkt führte der Zusammenbruch der Nachfrage aus den Industrieländern aufgrund der Rezession zu einem großen Angebots-überhang, der immer kostspieligere Lagerungstechniken erforderlich machte. Dazu zählte natürlich auch die Lagerung auf Tankern vor der Küste. Verstärkt wurde der Contango durch die Auswirkungen der Kreditkrise. Durch sie waren die Menschen in wesentlich ge-ringerem Maße bereit, ihre Liquidität und ihre Kredite für Ölvorräte zu binden. Damit sie es dennoch taten, war ein noch viel ausgeprägterer Contango erforderlich.
quelle: http://www.4free-ag.de/news/...fpreise-im-neuen-Jahrzehnt-166534.html
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