Quelle. Daily Observer Ein entschiedenes Unentschieden - das Ringen geht weiter von Ronald Gehrt Guten Morgen, verehrte Leserinnen und Leser! Als der Dax einfach so zum Parkettschluss um 17:30 an die 7.360 heranlief, hätten Sie mein dummes Gesicht sehen sollen. Denn eigentlich war ich sicher, dass man schon am Vormittag dort wieder eindecken und Long gehen würde, nachdem doch diese Linie so schön oft gehalten hatten, dass immer mehr dieses Kurslevel als „sicher“ ansehen. Doch dann kam es ja doch noch wie erwartet. Sie erinnern sich, ich hatte zum marktbreiten S&P 500 geschrieben: „So hat der S&P 500 am Freitagabend seinen kurzfristigen Aufwärtstrend nebst 20 Tage-Durchschnitt verteidigt, was für Trader gemeinhin ein Signal wäre, heute einzudecken oder sogar Long zu gehen ... wenn nicht aus Europa und vom eigenen Markt zuviel Druck kommt.“ Und so kam es dann natürlich auch. Nachdem der S&P 500 bis auf 1.439 durchgesackt war, versuchten die Akteure, die Kurse wieder nach oben zu zerren, um Verkaufssignale zu verhindern. Doch wirklich überzeugend war diese Vorstellung nicht. Dafür, dass die Umsätze gering waren und man so über die Futures leichtes Spiel hätte haben können; dafür, dass in den vergangenen Wochen Riesen-Rallyes binnen 30 Minuten an der Street gang und gäbe waren, war das dünn. Wenngleich die Handelsspanne des S&P immerhin 23 Punkte oder gut 1,5% betrug, war die Dynamik gering – außer in den 20 Minuten nach 21 Uhr, sprich in der ersten Phase der letzten, entscheidenden Handelsstunde. Dabei waren die Argumente aber so Mangelware, dass diese kleine Rallye in den letzten 40 Minuten komplett und punktgenau durch Verkäufe egalisiert wurde. Dabei sind drei Dinge erwähnenswert: Intel: Good news, bad response Chiphersteller Intel erhöhte die Umsatzprognose für das laufende 3. Quartal. Das war schon vor Börsenbeginn. Und nicht mal knapp: Die Prognose wurde von vorher 9,0 bis 9,6 Milliarden auf nun 9,4 bis 9,8 Milliarden Dollar angehoben. Die Aktie stieg kurz nach Eröffnung daraufhin bis zu 3% ins Plus, glitt dann aber ab und schloss nach zeitweiligem Minus unverändert. Ohne das jetzt zu sehr auf die Goldwaage legen zu wollen: Es ist eine alte Börsenregel, dass etwas absolut nicht mit dem Markt in Ordnung ist, wenn die Kurse auf gute Nachrichten nicht reagieren bzw. durch gute Nachrichten hervor gerufene Kursanstiege genutzt werden, um zu besseren Kursen zu verkaufen. Maria tratscht Eine einigermaßen grauenvolle Nachricht kam von der ehemals charmant ernsthaften, nun aber seit einigen Monaten seltsam verwandelten CNBC-Moderatorin Maria Bartiromo. Selbige hatte zwei Wochen Urlaub und die Zuschauer somit von ihr. Gestern 21 Uhr unserer Zeit kehrte sie zurück, erklärte den Zuschauern die ernste Lage des Dollars, weil sie in Paris für zwei Margheritas 100 Dollar bezahlen musste (abgezockt worden, haha) und dass EZB-Präsident Jean Claude Trichet ihr im Zuge eines Interviews mitgeteilt habe, dass die Europäer die Zinsen nicht mehr erhöhen würden. Oh. Sie werden sich erinnern: Dass ist die geschätzte Dame, die angeblich im persönlichen Gespräch getätigte Aussagen von US-Notenbankchef Ben Bernanke fröhlich in der Öffentlichkeit ausplauderte ... und Bernanke danach zudem erklären musste, dass er diese Dinge so gar nicht gesagt habe. Bis Bernanke „pu“ sagen konnte, waren die Kurse aber schon in Bewegung geraten. Nun, wir wissen, dass ein Mann wie Jean Claude Trichet weise genug ist, absolut keinen Piep zur weiteren Zinspolitik zu sagen. Erst recht nicht dieser Dame, von deren vorherigen Lorbeeren er ja weiß. Auch im Interview, das kurz vorher im englischen CNBC ausgestrahlt wurde, war davon natürlich mit keinem Wort die Rede. Aber: Kaum offenbarte Maria Bartiromo gegen 21:03 Uhr diese Erkenntnis dem amerikanischen Volk, steigen die Kurse 20 Minuten lang an. Die vorgenannte Rallye. Deswegen? Immerhin: Weiß der amerikanische Anleger, wer Trichet ist? Eine Weinsorte? Es reicht ja, wenn einer über die Futures das vermeintlich gelobte Land einpreist, damit die anderen in diesem umsatzarmen Markt hinterher rennen. Vor allem, da die Kurse bei Dow, S&P und Nasdaq just in diesem Moment an für den Intraday-Handel wichtigen Linien standen. Ich weiß nicht, wie viele US-Anleger ab sofort glauben, die Europäer hätten zugesagt, die Zinsen nicht mehr zu erhöhen. Aber mit Blick auf die sekundengenaue Parallelität der Ereignisse bin ich erfreut, dass es genug Akteure gab, die das als die Dampfplauderei sahen, die es war und die Rallye zum verkaufen nutzten. Ehre gerettet. Der Haken mit dem Pump Allerdings gab es um 21 Uhr noch ein weiteres Ereignis, das aber in den USA eigentlich so gut wie nie jemanden interessiert ... obwohl es das sollte. Es geht um die Netto-Neuverschuldung der US-Bürger. Im Juli war der Schuldenberg um 3,7% oder 7,5 Milliarden gestiegen. Erwartet wurden nach gut 13 Milliarden im Juni 8 bis 8,5 Milliarden. Was kann das aussagen? Nun, klar ist, dass die verschärften Kreditbedingungen erst per August wirken können. D.h. diese Zahlen sind davon nicht beeinflusst. Dennoch war es „relativ“ wenig. Natürlich sind das immer noch Irrsinns-Summen, aber kurzfristig schert sich natürlich niemand darum, wer das wann und wie zurückzahlen könnte. Alles basiert auf Pump ... und das muss weitergehen, sonst klemmen die Rädchen der Zaubermaschine scheinbar ewigen Wohlstands. Nein, kurzfristig wäre jetzt je mehr, je besser. Denn der Konsum muss irgendwie das Wachstum der USA oben halten. Wenn da nichts mehr vorangeht, hat die Konjunktur keine Chance. Dementsprechend waren das eigentlich weniger gute Nachrichten. Aber wie gesagt ... da schaut eigentlich niemand hin. Man muss es aber unbedingt im Hinterkopf behalten, wenn man sich die Aussichten des US-Konsums klar machen will und die Einzelhandelsdaten für September, die letztlich erst in fünf Wochen anstehen, erahnen möchte. Kreditkartenschulden wachsen verdächtig schnell Eines war zudem interessant: Der Anteil der neuen Schulden, die über Kreditkarten entstanden, wuchs wie schon in den vergangenen Monaten überproportional. Ratenkredite stiegen um +2,0%, Kreditkartenschulden um +6,2%. Das kann Bequemlichkeit sein, denn es zahlt sich so ja so leicht und es sind kurzfristige Schulden. Eigentlich. Aber die Aussage eines Restaurantbesitzers, der klar unterstrich, dass es seinen Kollegen ebenso geht, sollte aufhorchen lassen. Er erklärte vor ca. zehn Tagen auf CNBC, dass seine Umsätze nicht mehr steigen, aber zumindest stabil geblieben sind. Doch der Anteil derer, die mit Kreditkarte bezahlen, ist von ca. einem Drittel in 2006 bei ihm auf 80% gestiegen. Bequemlichkeit oder Engpass auf dem Konto? Würde letzteres zutreffen wäre es – mit Seitenblick auf die verschärften Bedingungen für Kredite - ein gefährliches Signal dafür, dass das Konsumwachstum, ohnehin zuletzt brisant gering, sehr bald in einen Abstieg münden könnte! S&P: Werten wir es als unentschieden Nichtsdestotrotz, es kam also, wie ich mir dachte: Die Trader versuchten, den S&P 500 in seiner Flaggenformation zu halten, obwohl Dax und Dow aus dieser bereits nach unten ausgebrochen waren. Im Chart sieht das nun so aus: Im Prinzip sind wir nun aus der Flagge nach unten herausgefallen und haben damit zudem den 20 Tage-Durchschnitt wieder unterschritten. Den 200 Tage-Durchschnitt übrigens gleich mit, aber auch der ist zuletzt so oft über- und unterschritten worden, dass man das nicht überbewerten darf. Der Versuch der Akteure, den Index wieder in die Flagge hinein zu bekommen, ist somit gescheitert. Aber ein wirklich deutliches Verkaufssignal ist, nachdem die Kurse recht deutlich über Tagestief und quasi in der Mitte der Kuresspanne des Tages schlossen, eben auch nicht erzielt worden. Das muss man erst mal als ein Unentschieden werten. Heute wird das Ringen also von Neuem beginnen. Für den Dax gilt: 7.360/7.380 wird zur entscheidenden Zone Dadurch, dass die US-Börsen letztlich im Niemandsland geschlossen haben, wird das normalerweise, so denn nicht neue schlechte Nachrichten kommen, nicht ausreichen, den Dax heute bereits am Vormittag nachhaltig unter die 7.360/7.380 zu drücken. Doch es ist auch nicht genug Rückenwind aus USA geworden, um heute unbedingt mit einer zumindest ein, zwei Tage tragenden Rallye rechnen zu können. Es wird also vermutlich erst einmal weiter auf und ab geschaukelt. Nur: Dieser Linienchart zeigt auch recht deutlich, dass diese Auffangzone bei 7.360/7.380 derart markant ist, dass knapp darunter immense Mengen an Stop-Loss-Marken liegen dürften. D.h. wenn diese Zone bricht, dürfte, wie ich gestern andeutete, die leichte Auffanglinie bei 7.190 nicht allzu viel Halt bieten, sondern je nach Nachrichtenlage ohne Widerstand einfach plattgewalzt werden. Was bedeutet: Wer im Bereich 7.360/7.380 auf steigende Kurse setzt, sollte sich nicht zu sehr darauf verlassen, dass diese Zone „sicher“ ist. Wenn sie fällt kann es sein, dass man Mühe haben wird, zu noch einigermaßen akzeptablen Kursen auszusteigen. Bleiben Sie daher sehr vorsichtig ... oder dem Markt ganz fern. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag – bis morgen! Ronald Gehrt The Daily Observer
|