| | | Roland Flach | |
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Nun fährt die Beteiligungsholding durch schwere See. Doch WCM-Vorstandschef Roland Flach verbreitet unverdrossen Optimismus. Seit fünf Minuten liegt der Fisch auf Roland Flachs Teller unberührt. Zur Nebensächlichkeit verkommen. Der kleine kräftige Mann ist in Fahrt. Unverschämt findet er, was da gerade passiert. Mit dem Herrn Ackermann. "Das hätte sich vor 20 Jahren in Deutschland niemand einfallen lassen." Aber heute stehen Vorstände ja unter Generalverdacht. Verdienen immer zu viel. Die Öffentlichkeit spielt verrückt, hysterisch, irrational, findet Flach. "Mr. Burn" unter Beschuss
Der Chef der Beteiligungs- und Immobilienholding WCM weiß, wovon er spricht. Seit Monaten steht Flach selbst unter Beschuss. Aktionäre und Analysten glauben ihm kaum ein Wort. Eine schlechte Nachricht jagt die andere. WCM, ein Kürzel für die alte Württembergische Cattunmanufaktur, stand in den besten Zeiten für "World of Cash and Magic." Heute frotzelt die Branche über "Wenig Cash and Management." Und Flach ist der Buhmann. Zum Mr. Burn, zum größten Geldverbrenner 2003, kürte ihn das Magazin "Euro am Sonntag".
Flach bestellt einen Kaffee und nimmt das Besteck wieder auf. "Das muss man aushalten, wer jammert, ist für den Job nicht geeignet." Keine Miene verzieht er dabei, die Augen in dem runden Gesicht verharren starr. Emotionen gehören nicht zum Beruf. Nicht eine schlaflose Nacht habe ihn die Malaise der WCM gekostet. "Sich aufzuregen liegt nicht in meiner Mentalität", sagt der 59-Jährige.
Mann für das tägliche Brot
Und wer sich aufregt, darf bei Flach nicht auf Verständnis hoffen. Der Manager einer Tochterfirma, der weinend auf der Tischplatte zusammenbricht - einfach zu sentimental. Die wütenden Anleger, die ihn mit Post überhäufen? "Aktionäre müssen wissen, dass eine Aktie ein spekulatives Investment ist, bei dem es nach oben und nach unten gehen kann."
Lange ging es für die WCM-Aktionäre ja auch nach oben. Karl Ehlerding, schwerreicher Hamburger Spekulant und in der Branche als geniale Spürnase gerühmt, baute aus dem leeren Firmenmantel WCM eine Beteiligungsgesellschaft, die sich schnell durch spektakuläre Deals einen Namen machte. Die kaufte, verkaufte und dazwischen mit Gewinn zerlegte. Prominente Namen auf der Liste des Firmenjägers: Spar, Jean Pascale, die Klöckner-Werke. Den Ruhm dafür fuhr Ehlerding ein, obwohl Flach seit 2001 an der Spitze der WCM steht. "Ich war nie ehrgeizig, Öffentlichkeit zu haben", sagt Flach. Ehlerding habe die wesentlichen Entscheidungen angeregt, "aber er war nie der Mann, der das operative Geschäft gemacht hat." Hier der geheimnisvolle Strippenzieher, für die Öffentlichkeit Mr. WCM, dort der Mann für das tägliche Brot.
Kampf um Glaubwürdigkeit
Doch Ehlerding, der lange 46 Prozent der WCM besaß, verspekulierte sich im großen Stil mit Commerzbank-Aktien. Gekauft auf Pump und besichert mit WCM-Aktien. Seitdem hängen ihm die Banken im Nacken. Der Börsencrash riss WCM in den Strudel, das Resultat: 800 Mio. Euro Miese im Jahr 2002. Im November pfändeten die Banken die Beteiligung am Immobilienkonzern IVG, im Dezember verkaufte der Konzern sein Commerzbank-Paket.
Flach muss an die Front: Anleger und Analysten beruhigen. Journalisten bearbeiten, "die dauernd voneinander abschreiben. 'Die hoch verschuldete WCM' steht da immer". Das lässt Flach nicht gelten. Den 2 Mrd. Euro Schulden stehen schließlich über 4 Mrd. Euro Werte gegenüber. "Das wäre doch, als würden sie bei jemandem, der ein Haus gekauft hat, nur die Schulden angucken, und nicht den Wert des Hauses."
Wütende Börsianer
Börsianer bringt das auf die Palme. Nicht nur, dass der Firmenchef selbst in Zeiten, in denen offen über eine Insolvenz spekuliert wird, mit Informationen geizt, als ginge es darum, die Anleger mit Überraschungscoups zu beeindrucken. Wie zu den besten Zeiten der WCM, als jedes Wort zu viel einen guten Deal kaputtmachen konnte. "Flach versucht auch noch, jede Schlappe als Erfolg zu verkaufen", sagt ein Analyst. "Dreist" finden es die einen, "realitätsblind" die anderen. Längst mehren sich die Stimmen, die fragen, wie lange Flach noch tragbar ist. Gerüchte über seinen Rücktritt bescherten der Aktie vor zwei Tagen gar einen Höhenflug.
"Natürlich wird man zerrieben und hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn schlechte Nachrichten kommen. Die will ja keiner hören", sagt Flach. Doch ans Aufgeben denkt er nicht. "Mir macht die WCM viel Freude, nur der Kurs nicht." Der Sauerländer ist mit sich im Reinen. Nicht mal nach mehr Freizeit drängt es ihn. Abends und am Wochenende genießt Flach sein Haus mit Pool und "zweistöckiger Traumbibliothek". Im Keller lagern rund 1500 Flaschen Wein. Den Hang zu gutem Essen sieht man ihm an.
Durch Zufall ins Beteiligungsgeschäft
Bis 2007 läuft sein Vertrag offiziell. "Ich kann mir auch gut vorstellen etwas anderes zu machen", sagt Flach. Was das Ende seiner Karriere angeht, ist Flach so emotionslos wie zu deren Beginn. Studium der Sozialwissenschaften: "Das war damals die Zeit." Trainee bei Horten: "Es hätte auch jede andere Branche sein können." Und später Geschäftsführer bei Hertie: "Das war Zufall."
Ein Zufall, der Flach mit dem Beteiligungsgeschäft in Berührung bringt. Hertie will eigene Filialen schließen und stattdessen rentable Fachmärkte übernehmen. Flach wird auserkoren, Kandidaten zu finden. "Wenn wir uns irgendwo angemeldet haben, ahnten die schon, was wir wollten. Wir kannten die Familiengeschichte der Eigentümer."
Schwerreicher Hamburger bringt Rettung
Zur WCM kommt er über die Nürnberger Bund AG (NBAG). Die Einkaufsgenossenschaft für Eisenhändler ist pleite. Flach, von einem Banker angeheuert, soll das Wunder der Sanierung vollbringen. Er wandelt die Genossenschaft in eine AG um, nur bei der Kapitalerhöhung ziehen die Genossen nicht mehr mit. Die Rettung heißt Ehlerding. Der hat in den Verlustvorträgen der NBAG längst ein lukratives Geschäft gewittert. Ein Treffen in Ehlerdings Büro, ein zweites im Stammlokal, dem Hamburger Aalspeicher, dann ist die Sache klar. Flach bekommt von der WCM einen dreistelligen Millionenbetrag und zeichnet die Anteile selbst. Wenig später geht die NBAG in der WCM auf. Und Flach sitzt im Vorstand der WCM.
Von der längst zerlegten NBAG ist außer einer halbmeterhohen weißen Porzellanstatue Friedrichs I. wenig geblieben. Das kitschige Stück, früher im Vorstandszimmer der NBAG zu Hause, thront jetzt auf der Fensterbank in Flachs Büro. Wie eine Erinnerung an die erfolgreichen Beutezüge der WCM. "Die größten Probleme sind gelöst. Wir kommen da raus", sagt Flach und lächelt kurz.
Die wirklich wichtigen Fragen
Was unternehmen Sie? Ich bemühe mich um Sinnhaftes, Ökonomisches.
Ihr größter Gewinn? Leben und gestalten zu dürfen.
Worauf spekulieren Sie? Schaffung und Freisetzung von Wertsteigerungen.
Was würden Sie für 5 Euro kaufen? Kommunikatives (Zeitungen, Zeitschriften).
... was für 5 Mio. Euro? Wertpapiere.
Welchen Buchtitel würden Sie Ihrer Biografie geben? "Immer wieder aufstehen".